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Ausgabe:

1991

Spalte:

660-662

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Römheld, Diethard

Titel/Untertitel:

Wege der Weisheit 1991

Rezensent:

Körner, Jutta

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Theologische Litcraturzcitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 9

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Die Grundthesen der Arbeit lassen sich etwa wie folgt zusammenlassen
: Die der ägypt. persönlichen Frömmigkeit nahestehenden
atl. Sprüche, welche nach Meinung des Vf.s JHWHs Freiheit
gegenüber dem Tun-Ergchen-Zusammenhang herausstellen
(Spr 10.22: 16.1.9: 19.21; 20.24: 21.300. sind für die weisheitliche
Auffassung von JHWH überhaupt wie für das Gesamtverständnis
des Sprüchebuches konstitutiv („absolute Souveränität
Jahwes,,: 37). Diese Auffassung von JHWH entspricht ferner der
des übrigen AT bzw. ist von ihr her zu interpretieren, so z. B. im
Blick auf das auch in Prov vertretene theonome Ethos (41 ff).
Wenn es auch in Ägypten Aussagen über „Greuel" gegenüber
einer Gottheit gebe, mindere dies nicht die atl.-thcol. Bedeutung
(42). Man müsse vielmehr an das spezifisch-jahw istischc Vorverständnis
des israelitischen Hörers als Glied des Bundcsvolkcs
denken (44.50.152). so daß z. B. auch das „Hören" und die Gelassenheit
des Weisen diese religiöse Dimension habe (48), die
Königssprüche immer auf dem Hintergrund der JHWH-
Königsaussagcn (!) verstanden werden müssen (62), die Lebensverheißungen
auf die jahwistische Bundestheologie zurückzuführen
seien (76). das in Spr 10.30 erwähnte Land das
verheißene, gelobte sei (74). Der Gesamtkontext des Sprüchcbu-
ches lege all dieses nahe. Und dieser Gesamtkontext seien die explizit
„religiösen" Sprüche, dann das gesamte AT oder gar die
Bibel überhaupt (2 10). für die der persönlichen Frömmigkeit verbundenen
Sprüche, vor allem die Psalmen (63). sei es JHWH mit
seiner analogielosen ontologischen Differenz und Selbstoffenbarung
schlechthin (70.78.101 u.ö.). - Ob dieses Denken wirklich
„das religiöse Koordinatensystem" für die Erfahrungen der Weisen
schlechthin ist (32). bleibt zu fragen.

Es werden dann Unterschiede zwischen ägypt. und atl. Weis-
hcitslitcratur verhandelt (Gottesbild: Magic: Jcnscitsbczug;
Sicht des Kultus; Prädestination zur Sünde). Dabei dürfe man jedoch
nicht nur den Wortlaut beachten, sondern auch die damit
verbundenen religiösen Vorstellungen (84 u.ö.). Folglich kommt
der Vf. auf die Spczifika der Israelit. Weisheit zu sprechen (85IT)-
Was z.B. ein „Gerechter" sei, wird bei den Adressaten als bekannt
vorausgesetzt. Ob dieses Wort in Prov eine eigene Bedeutungsnuance
hat. wird nicht gefragt, v ielmehr erneut die jahwi-
stisch-mosaischc Tradition und Gottesoffenbarung (102) als
prägend gefunden, da z. B. das Verb um n:l neben anderen der religiösen
Sprache angehöre (86ff). der Ausdruck „Greuel" auf die
eindeutige Verwurzelung der Israelit. Wcisheitslitcratur im Dekalog
als dem Dokument der Willensoffenbarung Jahwes verweise
(111: daher auch die Nähe des Dtns zur Weisheit, besonders <?>
zu Spr 1-9; 190.229ff). Dann wird mehrfach (auf S. 11 7 ff zusammenfassend
) die JHWHfurcht erwähnt, die das jahwistisch-
theozentrische Vorverständnis des israclit. Weisen deutlich zeige.
Ob sie in Prov mit der im dtn/dtr Schrifttum oder in den Psalmen
gleichzusetzen sei. wird nicht untersucht, sondern vorausgesetzt.
JHWHfurcht in den Prov sei z. B. von Mi 6.8 her zu füllen (119).
Der Vf. überspielt, daß dort nicht einmal der Begriff „JHWHfurcht
" auftaucht! Und in Spr 15.8.29; 21.3 u.a. seien „bereits
mutatis mutandis die Grundzüge der christlichen Sakramentenlehre
" erkennbar (106). Was dann im Folgenden zur weisheitlichen
Lebenssicht („ In-dcr-Welt-Sein" mit Versuch der Lebensbewältigung
durch Erkennen von Gesetzmäßigkeiten: 136 und
zum JHWHglaubcn, der nicht nur Schöpfungsglaube ist, zur Erkenntnis
durch Erfahrung u.a.m. gesagt wird, enthält gute Ein-
zclbcobachtungen. die jedoch leider durch die Gesamtthesen und
Tendenzen des Buches geschmälert werden, wonach die Botschaft
des Sprüchebuches teil hat an der Offenbarungsichre, weisheitliche
Theologie und Bundestheologie verbunden werden
(147) und es auch in der Weisheit um Heilszuwcndung JHWHs
gehe (150f). Das auch durch die Weisheit gegebene Miteinander
von Offenbarung und Vernunft. Glaube und Erfahrung, Gnade
und Natur. Hcilsordnung und Naturordnung (153) wird betont

und ausführlich zu unterbauen versucht. Danach werden noch
Spr 1-9 sowie Einzeltexte daraus auf ihre Eigenarten hin befragt-
Wieder werden disparatc Texte miteinander verbunden, et**
Spr9,l-6 als Auslegung von 8.34. demnach (!) die Hl. Schrift "
namentlich das Dtn - als das eigentliche Heiligtum der Weisheit-
Niederschlag der Offenbarung JHWHs (304). und in Jesus als
Weishcitslehrcr findet die Botschaft des Sprüchcbuchcs ihre Aut-
gipfclung(309).

Fazit: Manche guten Einzelbeobachtungen, Widerspruch aber
schon bei zahlreichen Einzelheiten und besonders bei der Gesamtschau
. Daß das gesamte AT und das nach Zeiten. Gruppe"
und Schichten differenzierte Israel eine einheitliche Vorstellung
von JHWH gehabt habe, und alle atl. Schriften miteinander kombiniert
werden können, wird nicht bewiesen. Die Auseinandersetzung
um die atl. Wcisheitslitcratur und die damit verbundenen
theologischen Grundsatzfragen muß und wird weitergehen
Der Vf. hat einen prononcierten Beitrag dazu geleistet.

Ncudcttelsau Horst Dietrich Prcuß

Römheld, Diethard: Wege der Weisheit. Die Lehren Amenemo-
pes und Proverbicn 22. 17-24. 22. Bcrlin-New York: de Gru>'
tcr 1989. X. 223 S. gr. 8 = Beiheft zur Zeitschrift für die aitte-
stamcntlichc Wissenschaft. 184. Lw. DM 86.-.

Die vorliegende Arbeit ist der Hauptteil einer 1988 in Marburg
eingereichten und von Prof. Dr. O. Kaiser betreuten Dissertation
. Die alte, oft verhandelte, doch nicht gelöste Frage nach der
literarischen Beziehung zwischen der Lebensweisheit Amcnemo-
pes und Proverbicn 22-24. wird erneut aufgegriffen.

Im Abschnitt „Zur Anlage der Arbeit" (VI—VIII) beschreibt
der Vf. die beiden Teile: „I. Die literarischen Wurzeln der biblischen
Lehre" (1-1 14) - im wesentlichen sind es Analysen zur Hypothese
einer alten Quelle, einer „Alten Lehre", die beiden Texten
gemeinsam ist - und „II. Wege von der Weisheit zur
Frömmigkeit" (115-190) -. wobei es um die Rezeption zentraler
Thcologumena der ägyptischen Lehre im Proverbientext geht. -
Anhänge sind am Schluß des Buches angefügt: „A Literaturverzeichnis
" (191-21 1) und „B Register", die unterteilt sind in ..'
Verzeichnis biblischer Quellen" (213-215). „2 Verzeichnis ägyptischer
Quellen" (216-222). „3 Verzeichnis sonstiger Quellentexte
" (222-223).

Israel partizipiert an der Kultur und Religion der Völker des
Alten Orients. „Israel ist zugleich jedoch im alten Orient ein
Spätling: Die großen Kulturen an Euphrat. Tigris und Nil können
bereits auf eine lange und ihre gesamte Umwelt prägende Geschichte
zurückblicken" (3). Ganz besonders ist die israelitische
Wcisheitslitcratur in die „internationale" Literatur eingebettet.
„Die biblische Weishcitsliteratur entwickelt sich so unter dem
Spannungsbogen von unmittelbarer Übernahme fremder - v ornehmlich
ägyptischer - Vorbilder und eigenständiger Ncuforniu-
licrung" (4). Eine beiden Texten angeblich vorliegende „Alte
Lehre", zuletzt umfassend verhandelt von I. Grumach. doch
noch immer ungelöstes Problem, wird in 5 Kapiteln zuerst analysiert
. Dabei fragt der Vf. nach Prolog/Epilog, dem Lehrentwurt in
30 Einheiten, den möglichen Zitaten aus älteren ägyptischen Weisheitstraditionen
, dem Sprachgebrauch und der Eingliederung in
die ägyptische Literaturgeschichte einer solchen „ Alten Lehre*--
Das Ergebnis ist: „Der Provcrbienlchrcr hatte letztlich Amcnc-
mope selbst zur Vorlage" (113), evtl. in kanaanäisch-hebräischer
Übersetzung bzw. Adaption und nicht im ägyptischen Original-
Nicht Einzclscntcnzcn. vielmehr umfangreichere Kontexte lagen
dem israelitischen Lehrer für die Einheit Prov.22.1 7-24.22 vor.

Nach der Klärung der literarischen Fragen geht es dem Vf. im
2. Teil um wcishcitsgeschichtlichc und -theologische Problerne
(vgl. Kap. 8-10). Inwieweit wird die Tendenz der indiv iduellen