Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1991

Spalte:

657-660

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Steiert, Franz-Josef

Titel/Untertitel:

Die Weisheit Israels - ein Fremdkörper im Alten Testament? 1991

Rezensent:

Preuß, Horst Dietrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

657

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 9

658

Die Fülle der in den kommentierenden Anmerkungen aufgc- die Auseinandersetzung vornehmlich als Gegenkritik erfolgen. -

Ehrten Parallelen und inhaltlichen Bezüge ist beeindruckend. dies jedoch nicht deswegen, weil der Vf. nicht die Meinung des

as Stellenregister weist aus. daß ca. 380 Stellen der jüdisch- Rez. teilt, sondern sie oft verzerrt darstellt und vor allem die

cl|cnistischen Literatur zuzuordnen sind. ca. 300 aus profanen eigene Gegenposition unzureichend begründet. Dergleichen kri-

a"tiken Schriften angeführt werden, dagegen nur ganze 6 aus der tische Worte gegenüber einer Diss. stimmen auch den Rez. nicht

Judischen (rabbinischen) Traditionsliteratur. Selbst auf das be- fröhlich, aber es geht eben um den hoffentlich fruchtbaren Wi-

kannte Martyrium des Rabbi Akiba b. Bcr. 61a wird verzichtet. derspruch.

Was die Theologie des 4 M angeht, so gewinnt diese ihr Profil Zuerst wird dem Problem der Standortbestimmung der atl.
durch zwei Besonderheiten: die individuelle (postmortale) Weisheit nachgegangen, wofür zwei Forschungspositionen exem-
Esehatologic und eine Märtyrertheologie, die den Sühncopfcr- plansch herangezogen werden, nämlich die des Rez.. dann die G.
^"arakter des Sterbens im Zeichen der Übertragung kultischer von Rads (Erfahrungsweisheit: theologische Weisheit). P. wie v.
. Cgnftlichkeit herausstellt. Sie ist Zeugnis eines Früh judentunis. R. heben die Wcisheitslitcratur von den anderen Überlieferun-
ln dem alttestamentlich bestimmte Frömmigkeit und hellcnisti- gen Israels ab, wobei P. diese direkt ablehnt, v. R. sie offen läßt.
Sche Denkweise zusammengeführt werden. Hierbei ist mißlich, daß die 1987 erschienene „Einführung in die
Dennoch verdankt 4 M wie alle anderen Apokryphen seine Er- atl. Wcisheitslitcratur" des Rez. nicht mehr herangezogen wurde.
Haltung ausschließlich der christlichen Überlieferung, wobei das zumal er als „exponierter Vertreter eines mit negativem Vorzci-
uch als Martyriumsbericht, nicht als Werk rhetorischer Kunst ehen versehenen Weisheitsbegriffs", d.h. neutestamentlich „eit-
gewertet wurde - trotz gelegentlicher Zuordnung zu den Schi it- ler Weltwcisheit" deklariert wird. Wo ich letzteres geschrieben
ten des Josephus. Elcazar. die makkabäischen Brüder und die oder gar von „dem Todcsäon zuzurechncndc(r) Menschenwcis-
•luiter gehören zu den wenigen vorchristlichen Gestalten, die als heit. d.h. Ausdruck der gcstaltgewordcnen Perversion derSchöp-
Heihgc verehrt wurden (im abendländischen Kalender: 1. Au- fungsordnung" gesprochen habe (5. Anm. 12). ist mir unklar. Der
8ust). Deren Kult und die Rezeptionsgeschichte der Schrift sind Vf. erweckt aber den Eindruck, daß genau dies meine Meinung
"'cht voneinander zu trennen. Zwar ist 4 M in den älteren (nicht sei <vgl. das unberechtigte „jeweils" auf S. 30 zur Übersetzung
dc" späten) LXX-Handschriften und im Verzeichnis des Claro- des adversativen w oder das falsch ergänzte und folglich cntstcl-
m°ntanus enthalten: eine durchgängige Kanonisicrung erfolgte lende .. im ganzen" S. 6>. Damit ist eine erste Schwäche der Arbeit
"'cht. Dennoch hat die Schrift mit dazu beigetragen, das Bild des angesprochen, nämlich für Behauptungen keine exakten Belege
Märtyrers in der mittelalterliehen Kirche im Sinne einer platoni- zu geben. Und wenn man den Meinungen anderer Forseher beerenden
Anthropologie umzuformen: aus dem Blutzeugen der scheinigt. daß sie nicht adäquat, subjektiv und in falschem Vor-
ahrheit wurde immer mehr der starkmütige Überwinder der Verständnis befangen seien (30.85.187 u.ö.). sollte man selbst für
chrecknisse leiblicher Qualen. das eigene häufige „ ich meine", „es erscheint mir" o.ä. nicht nur

Richtigkeit beanspruchen.

Lc'P/ig/Hallc (Siiale) Wolfgang Wiefel Nun erwartet man. daß dem Problem Standortbestimmung

weiter nachgegangen wird. Es folgen jedoch Erw ägungen zum atl.
und ägypt. sog. weisheitlichen Ordnungsdenken (sowie zur Kritik

Altes Testament durch J. Halbe), dann etwas zur altoriental. Königsideologie, darauf
erneut zu den ägypt. Weisheitslehren, dann Auseinandersct-

• zung mit H. H. Schmid. danach ein thematischer Vergleich zwi-

'cn. Franz-Josef. Die Weisheit Israels - ein Fremdkörper im schcn dcn agvpt und dcn atL Weisheitstexten (z.B. Gottes

auf ll^Tf T,lhlIC'sudu'"S z"m. ?u?, , 5r Sp™ch.C Allmacht. Gottvertrauen, Lohndenken, theonomes Ethos. Erzie-

«ui dem Hintergrund der ägyptischen Weishcitslehren: Frei- ., , . x, . . - » „

burg-Basel-Wicn: Herder 1990. XII. 324 S. 8 = Freiburgcr hungsideal u.a. m.). Nach einer „zusammenlassende(n) Stellung-

theologische Studien. 143. nähme" folgen weitere Untersuchungen zu Differenzen zw ischen

ägypt. und atl. Weisheitstexten, ein Rückblick, dann einiges zur
Diese Untersuchung ist eine von A. Deisslcr angeregte und be- theol. Weisheit, zur Erfahrungsweisheit und erneut zum Ord-
treutc. leicht überarbeitete, im SS 1988 vorgelegte Freiburger nungsdenken. und schließlich w ird zum Ausgangspunkt zurück-
ath.-thcol. Diss. Der Vf. wünscht (V). daß sie das Interesse an gelenkt, indem Teil 1.5 die Frage nach der theol. Standortbestimer
Weisheit neu belegen möge, und sei es auch nur durch frucht- mung der Weisheit Israels aufnimmt, woran noch Bemerkungen
aren Widerspruch. Genau dieser Widerspruch aus Interesse zu Spr lOff und 22.1 7-23.11 anschließen, und der letztgenannte
ann erfolgen, und dies in vielen - hier nur beispielhaft nennba- Abschnitt erweist, daß die Weisen Israels (nur) materialitcr in
^e" - Einzelheiten sowie bei der Gesamtschau und Methodik der engem Kontakt mit Ägypten standen,
"'ersuchung. soweit dies eine Rez. leisten kann. Eine „Untersuchung zum Buch der Sprüche" soll geboten wer-
Der grobe Aufbau ist leicht zu erfassen (Sprüche 10-29: Teil 1 dcn. Es wird abcrauch auf Qoholet und das Hiobbuch eingegan-
-209]; Sprüche 1-9: Teil 2 [21 1-308]: ein kurzes Schlußwort gen. Deren Weisheitskritik wird heruntergespielt, da z.B. Ictz-
y9] als Teil 3: danach das Lit.-Vcrz.: Register fehlen). Die Ab- teres mit seiner Betonung der souveränen Verfügungsgewalt
0 geder Einzelteile jedoch ist leider weniger stringent. da es Wie- JHWHs ganz der Lehre des Sprüchebuches entspreche (39.54).
cholungcn und Überschneidungen gibt, der beabsichtigte Duk- folglich (wie auch das Sirach-Buch: I68IT) ein Kommentar zu
Usolt unklar bleibt. Prov sei (176ff). wo die Freunde <nicht auch Hiob?> den Tun-
Die Einführung (If) nennt das Interesse der Arbeit: Aufgrund Ergehen-Zusammenhang umzudrehen versuchen, was nicht an-
Cr Forschungssituation gilt „die israelitische Weisheit... bis auf gehe warum nicht?>. während Qohelct nicht an der Weltordnung,
cn heutigen Tag als geradezu hermetisch abgeschlossener, von wohl aber an der absoluten Souveränität JHWHs zu verzweifeln
^'n eigentlichen hcilsgeschichtlichen Überlieferungen Israels un- drohe (37). Hiob wie Qohelct seien nicht als kritische Wächter
Cruhrt gebliebener Sonderbercich. dessen religiöses Fundament der Weisheit zu sehen, da sie selbst zum weisheitlichen Kanon ge-
» der biblische Glaube an Jahwe, sondern das sowohl in hören (125; vgl. I40ff<wic steht es hier um den Kanonsbegriff.')).
.g>pten als auch im Alten Orient anzutreffende, schöpfungs- Hiob zweifele an den Bundeszusagen JHWHs (131: vgl. 133).

°'ogisch ausgerichtete Ordnungsdenken sei". Diese „opinio und JHWHs Bundesgesinnung sei auch die Grundlage von

dab^rCCePta" dCf a"' Excgcsc so" nintcl",ragt werden (2). Da Spr IOff (132). Diese Logik und Sicht dürften dem wirklichen

ei besonders der Rez. (Prcuß. P.) kritisch gesehen wird, muß Sachverhalt kaum entsprechen.