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Ausgabe:

1991

Spalte:

625-626

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Der schwarze Christus 1991

Rezensent:

Krügel, Siegfried

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 8

626

_ konnte diese Konzentration im Grunde von Beginn an betreuten Reihe „Theologie der Dritten Welt" als Band 12 er-
ctl°n ahnen: Der große Gandhi schon soll das wichtigste, die schienen. Die im Original französischen Beiträge stammen von 9
eränderte Hinwendung zum konkreten Leiden, aus der Bibel- Autoren, einer von ihnen ist Franzose, die anderen entstammen
. türe gelernt haben (40). Die Sehnsucht, der Welt und ihrem dem frankophonen Afrika. Vom Bischof bis zur Ordensschwester
e.'den zu entfliehen, soll letztlich von Paulus bezwungen worden erbringen sie in aller Unterschiedlichkeit der von ihnen behan-
und nicht von Buddha (67ff). Die Bodhisattvas des Mahaya- delten Themen und der Darstellungsweise den eindrucksvollen
na-Buddhismus, von denen gesagt wird, daß sie auf ihr Eingehen Beweis, in welch hohem Maße es der katholischen Mission und
lnj> Nirwana verzichten, solange noch Leiden unter den Men- der katholischen Kirche insgesamt gelungen ist. Afrikaner mit
* en sei (146), seien für Christen so etwas wie „Katalysatoren" der gesamten katholischen Theologie und deren geistigem Hin-
er Hoffnung, aber nicht selbst „Heilsträger" (147). Die Selbst- tergrund und kulturellem Umfeld, vor allem natürlich abendlän-
ert>rennungen der vietnamesischen Mönche während des Krie- dischen Gepräges, vertraut zu machen. Wenn man sich vor
8fs sind zwar als „Abbilder des Schmerzes Gottes" zu verstehen, Augen hält, welch tiefe Bedenken und starke Vorbehalte noch zu
*ber dennoch nicht mit dem Tod Jesu zu vergleichen (153). In Anfang unseres Jh.s gegen die Versuche eines ernsthaften Brük-
en Religionen spiegele sich Gottes erlösende Liebe (lediglich) kenschlages der europäischen Kirchen zu den Afrikanern vorge-
w'der( U3). während „Jesus Christus nicht nurein Widerschein, bracht wurden, und dies mit dem heutigen Stand der Entwicklern
vielmehr die Verkörperung dieser göttlichen Liebe" dar- lung vergleicht, so besteht zwar noch immer kein Anlaß zur
stelle(l4i) und deshalb geht denn auch das ehrenvolle Gedächt- Zufriedenheit, dennoch kann man dem in vieler Hinsicht so un-
n's der Vorfahren im konfuzianischen Ahnenkult letztlich im erfreulich verlaufenen 20. Jh. wenigstens in dieser Beziehung
ctl!"istlichen Herrenmahl auf (179). deutlich erfreuliche Fortschritte bescheinigen.
Wodurch kommt es zu diesen Unterscheidungen? Wer ist die- Die Beiträge sind in vier Teilen zusammengefaßt: 1. Bist du
Jesus Christus, dessen Tod so anders ist als der der vietname- einer von uns? (21-56) 2. Wir suchen deinen Namen (57-137) 3.
S|schen Mönche? Was ist das: ein „Heilsträger"? Dies sind klassi- Wir bekennen dein Geheimnis (138-175) 4. Du gehst mit uns in
^"e. doch stets aktuelle Fragen christlicher Theologie. Leider das kommende Jahrtausend (176-205). Im unfangreichsten
n|mmt sich Song vor. auf sie zu antworten, ohne sie erst zu stel- zweiten Teil verdeutlichen bereits die Titel der einzelnen Bei-
en- Und wer wirklich „andere" Antworten erwartet durch sein träge den Versuch, von zentralen Begriffen afrikanischer Kultur
-drittes Auge" als bisher wahrgenommen, wird wohl enttäuscht und Religiosität aus einen Zugang zum christlichen Glauben, vor
^'n nach der Lektüre dieses Buches. Letztlich dient ihm seine ei- allem ganz zentral zu Jesus Christus selbst, zu finden: „Christus
8ene christliche „Spiritualität" als die Brille, durch die die ande- als Häuptling" (57ff), „Christus als Ahne und Ältester" (73ff).
ren Perspektiven der Sinndeutung betrachtet werden. Dadurch „Jesus, Meister der Initiation" (87ff). „Jesus - Heiler?" (108ff).
*'rd mit dem dritten Auge Christliches „wiedererkannt" in Der Autor des letztgenannten Aufsatzes, der in Zaire beheima-
e'nem unvermuteten Kontext (57). Wiederum „leider" ist dies tete Priester C. Kolie, geht von einer Feststellung aus. die zwar
n.Ur -tischen den Zeilen" zu lesen und nicht wirklich theolo- keineswegs neu in ihrer Bedeutung, aber noch immer nicht aus-
8'sch entwickelt. Warum diese Zurückhaltung? Warum eigentlich reichend beachtet ist, daß nämlich „der Islam und das Christen-
^"'e man vom „testimonium Spiritus sancti internum", mit tum für den Afrikaner nur in dem Maße glaubwürdig" sind, „als
ern der Presbyterianer asiatisches intuitives Sehen in Verbin- sie an seiner Seite am Kampf Tür das Leben teilnehmen. Dieser
Un8 bringt (65). mehrerwarten als diese am ehesten als Erkennt- Kult des Lebens ... erklärt auch die wachsende Zahl der Sekten
n's zu beschreibende Heilswirkung Gottes? So will doch auch im heutigen Afrika" (114).

°ng darstellen, wie Christen asiatische Geschichte spezifisch als Daß Afrikaner trotz der enormen Probleme, von denen sie ge-
"risten deuten können. Außerdem will er jedoch auch von gött- genwärtig bedrängt werden, von einer Aufbruchstimmung ergriffner
Schöpfertätigkeit außerhalb von christlicher Perspektive fen sind und durchaus zuversichtlich und erwartungsfroh in die
re^den. um die Gegenwart Gottes nicht an die Geschichte der Kir- Zukunft blicken, läßt sich bereits der Überschrift des vierten
ch-e binden zu müssen. Hierbei gerät Song in ein verwirrendes Di- Teils entnehmen. Er umfaßt die Beiträge „Christus in der Aktua-
ernrna: Einerseits will er seine Christologie in seinem theolo- lität unserer Gemeinden", „Die Jugend spricht von Jesus".
S'sch durchaus ansprechenden Konzept von der stets erlösenden „Afrikanische Frauen sprechen von Jesus". Der letztgenannte
ereatio continua Gottes aufgehen lassen und spricht dann von Beitrag gibt ein Gespräch eines französischen Dominikaners mit
^er Inkarnation Gottes in die Geschichte - andererseits sollen einer Ordensschwester aus Zaire und einer evangelischen Chri-
le Sätze der Gläubigen über Christus buchstäblich an die Person stin aus Togo wieder, ein erfreulicher Hinweis darauf, daß sich
esu gekettet bleiben, weil eben in dieser „Gott Fleisch geworden auch in Afrika ökumenisches Denken Bahn bricht. Wenigstens
■st . Was dabei herauskommt, ist im Grunde eine Inkarnation er- zwei Aussagen dieses Gesprächs seien zitiert: „Kann man im
sten und zweiten Grades, wobei die eigentliche, die „in Chri- Ernst Jesus als einen .Weißen' darstellen oder wissen wollen, ob
?tus~- entgegen der theologischen Intention merkwürdig leer und er nun weiß oder schwarz ist? Jesus ist ebensowenig ein Weißer.
°ntextlos geworden ist. wie er ein Mann ist! Der Hautfarbe allzuviel Bedeutung beimesse
Fragen, die Song offenläßt, sind auch die offenen Fragen sen heißt dem Unglück viele Türen öffnen" (202). „Die Frage ist
Unserer abendländischen Theologie. Songs Buch ist zehn Jahre nicht, daß Jesus aus unserem Volk geboren ist. Es ist seine Bot-
J. und es zeigt uns die Aufgaben, denen sich Theologen in der Schaft, die ihn wirklich zu einem der unseren macht. Er hat aufge-
*umene heute zu stellen haben. hört, ein Fremder zu sein" (204). Eine solche Feststellung kann

ein europäischer Christ nur mit großer Freude und Dankbarkeit

Heidelberg Ulrike Link-Wieczorek zur Kenntnis nehmen, freilich nicht ohne zugleich mit Schmerz

und tiefer Sorge eingestehen zu müssen: In Afrika ist Jesus nicht
länger ein Fremder, in Europa wird eres täglich mehr. So erweist

^r schwarze Christus. Wege afrikanischer Christologie Übers LutherS Wort VOm fahrenden Platzregen neu und unerbittlich

^>n U. Favmonville. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1989. 206 seine Gültigkeit.
S. 8 = Theologie der Dritten Welt, 12. Pb. DM 34,-.

D'ese sehr beachtenswerte Publikation ist in der unter Leitung
°n Ludwig Bertsch SJ vom Wissenschaftlichen Institut Missio

Leipzig Siegfried Krügcl