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Ausgabe:

1991

Spalte:

623-625

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Song, Choan-Seng

Titel/Untertitel:

Theologie des dritten Auges 1991

Rezensent:

Link-Wieczorek, Ulrike

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623

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 8

the Ecclesiology in the Churces' Responses. Zu ihnen werden
drafts, vorläufig Entwürfe vorgelegt, die einen ökumenischen
Rahmen für die Diskussion von Einzelfragen suchen und stimulieren
. Sie fassen bereits die kommende Ekklesiologiestudie ins
Auge.

Das im Appendix angefügte Wort an die Kirchen nennt BEM
"the Continuing Call to Unity" (155). Es sieht das schon Geschehene
mit Dank (1560. den weitergehenden Prozeß voll Erwartung
(158) und bleibt am Ende doch nüchtern: "It is a specific
work of limited scope. It is done slowly, with the pain and pa-
tience which such labour demands. It urges us to listen to the
other's Störy with compassion, to share the other's experience
with empathy, and to bear the other's bürden with mercy. "(158)

Christoph Hinz t

Song, Choan-Seng: Theologie des Dritten Auges. Asiatische Spiritualität
und christliche Theologie. Mit einem Nachwort von
W. Gern. Übers, von P. Scherhans u. A. Oesterle. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1989. 256 S. gr. 8 = Theologie der
Ökumene, 19. Kart. DM 39,-.

Einer der ökumenisch einflußreichsten Theologen Asiens ist
endlich in seinem ersten grundlegenden Werk über die Weichenstellungen
christlicher Theologie im heutigen Asien auch in deutscher
Sprache zu lesen. Die Theologie des Dritten Auges, die
nach einigen Mühen während des Übersetzungsprozesses erst
zehn Jahre nach dem Original auf Deutsch erscheinen konnte, ist
das erste Werk eines bisher vierteiligen Zyklusses von Monographien
, in denen der taiwanesische Presbyterianer seine theologischen
Überlegungen für die Kirchen Asiens bündelte. Die
Geschichte des Leidens der asiatischen Menschen als Leidensgeschichte
Gottes und damit als Heilsgeschichte erkennen zu dürfen
, ist für Song der Inhalt des Evangeliums von Kreuz und Auferstehung
Christi. Dies darzustellen bemüht er sich alle vier
Bände hindurch. Die Third Eye-Theology enthält die drei bis
1986 folgenden Bücher alle schon in nuce in sich. Diese Tatsache
tröstet ein wenig darüber hinweg, daß nun erst dieses älteste Buch
Songs in deutscher Übersetzung vorliegt und mit einer deutschen
Ausgabe der anderen drei wohl gar nicht mehr gerechnet werden
darf.

Die Vielfältigkeit der eigenen kulturellen Erfahrungen (Studium
in Taiwan. Edinburgh. Basel und New York, Tätigkeit bei
Faith and Order in Genf, zur Zeit Lehrtätigkeit als Professor in
Berkeley, Kalifornien) bündelt Song zu einer Theologie für ganz
Asien. Innerhalb einer zunehmend multikulturellen Ökumene
gilt es, so seine These, Christus mit neuen, ungewohnten Augen
wahrzunehmen - eben nicht allein mit den beiden gewohnten
Augen, die, in welchem Kontext auch immer, durch eine Mischung
aus abendländischer Kirchengeschichte und persönlicher
Glaubensgeschichte geprägt wurden. Das „dritte Auge" - den
Begriff entlehnt Song dem Zen-Buddhismus (22) - verläßt sich
nicht nur auf die Ratio, sondern setzt auf Intuition, um mit ihrer
Hilfe „Christus" von einer nicht-christlichen Kultur aus zu
sehen. Dafür müssen Christen asiatische Kultur und ihre Ausdrucksformen
neu verstehen lernen: die Haltung des japanischen
„sibui" („Gelassenheit" 19), des chinesischen „han-shu" (einer
Art von „ Bändigung" der Emotionen. 20) und schließlich besonders
die japanische Vorstellung von „satori" („Erleuchtung" 63),
die vielleicht der biblischen von Offenbarung verwandter sei, als
westlichen Christen bewußt sei (64). Überhaupt sollten diese die
„Spiritualität" des Buddhismus' nicht von vornherein für weitabgewandt
halten, denn die Intention der Lehre Buddhas sei
doch immerhin, dem Leiden der Menschen ein Ende zu bereiten.
Daher sollen schließlich auch „ Kreuz" und „Lotos", das buddhistische
religiöse Symbol, das „hilft, inmitten aller Härten und

Turbulenzen des Lebens Gelassenheit zu wahren" (122), als au'
dasselbe Ziel verweisend verstanden werden: „auf die eine entscheidende
Frage menschlichen Lebens: die Erlösung" (I--'1

Die erste Hälfte des Buches legt das theologische Fundament
für diese These: mit dem Aufruf zur Begegnung von asiatischer
und christlicher (!) Spiritualität im 1. Kapitel, der Darstellung des
Themas „ Leiden" als Thema von Theologie überhaupt (Kap.
der Frage nach dem angemessenen Reden von Gott angesichts
des Leidens (Kap. 3), der Forderung nach „praxisrelevanter
Theologie, die sich als konkrete Umsetzung des Redens von Gottes
Liebe zu den leidenden Menschen versteht (Kap. 4; nicht nur
hier stellt sich die Frage, was Song eigentlich genau mit dem Begriff
„Theologie" meint) und schließlich der Aufforderung, sowohl
in der Perspektive des Kreuzes als auch in der der Lotos-
Blüte zu sehen, wie sich Gott selbst in liebendem Mitleiden in der
Welt inkarniert - in der jeweiligen Geschichte der verschiedenen
Völker (Kap. 5). Gottes Verhältnis zum Leiden der Menschen "
das ist das eigentliche Thema dieses Buches. Die zweite Hältte
(Kap. 6-10) konzentriert sich besonders darauf: Hier geht es nun
nicht mehr so sehr um die Verbindung christlicher Hoffnungsinhalte
mit denen anderer Religionen, sondern eher um die Frage-
wie sich das Credo von Gottes mitleidender Liebe innerhalb des
Kontextes von Armut und politischer Unterdrückung in den
Ländern der Dritten Welt aussprechen läßt. Der Diskurs mit
Überlegungen zweier japanischer Christen aus der ersten Hälfte
des Buches bleibt dabei stets präsent: mit Shusako Endos Roman
„Das Schweigen" und mit Kazoh Kitamoris „Theologie des
Schmerzes Gottes". Zentrale Bedeutung hat dabei die Kritik an
Kitamoris (und in diesem Zusammenhang auch an Jürgen Molt-
manns Thesen zum Thema): Hier werde das Leiden verabsolutiert
, indem es als ein ständiger Prozeß in Gott selbst beschrieben
werde, der durch den Konflikt zwischen Gottes Zorn und seiner
Liebe entstünde. Dadurch gebe es keinen Raum mehr für die Formulierung
der Hoffnung auf Auferweckung (83ff). Den bei Kita-
mori „introvertiert" wirkenden Gott als einen „extrovertierten"
darzustellen, nimmt sich Song für die zweite Hälfte seines Buches
vor. Die „Erlösung", die dieser Gott verspricht, ist mindestens
zunächst eine Erlösung aus der Hoffnungslosigkeit des Leidens
(7. Kap.). Hier gibt es theologisch erfrischend ehrliche Sätze:
„Das stellvertretende Leiden und Sterben Jesu Christi hat die
Realität unseres Leidens und Sterbens nicht aufgehoben." (191)
Auch Gott „leidet" unser Leiden nicht „weg" - so ist Songs
These zusammenzufassen, aber er leidet es „mit", und dadurch
verändert es sich. Aus ihm kann Kraft geschöpft werden zur veränderungsfähigen
Solidargemeinschaft der Leidenden (7. Kap.)-
Die Bezugnahme auf den historischen Kreuzestod Jesu und die
Rede von seiner Auferweckung ist für Song Ausdruck des Bekenntnisses
, daß Gott mitleidet am konkreten Leiden innerhalb
der Welt, und daß die Verheißung der Auferweckung sich aut
eben dieses Leiden bezieht (8. Kap.). Insofern ist der Gott, von
dem die Christen auch in Asien reden, ein „politischer Gott ", w iC
schon die jüdische Bezugnahme auf den Exodus zeige (9. Kap.)-
Das konfuzianische Gehorsams-Ideal läßt sich nicht auf diesen
Gott zurückführen, sondern eher eine „Politik der Auferstehung
" (10. Kap.). die aus der Hoffnung lebt, daß aus dem Leiden
durch Gottes Solidarität befreiende „Erlösung" erwächst. Die
letzten drei Kapitel sind an jeweils einem anderen politischen
Kontext aufgehängt, um diese These auszuführen: am Beispiel
der Militärdiktatur im Südkorea der 70er Jahre, der Erklärung
der Presbyterianischen Kirche in Taiwan 1971 und schließlich an
der Situation der Christen im kommunistischen China.

Es ist vielleicht kein Zufall, daß Songs Ausführungen, die zu
Beginn des Buches zum interreligiösen Dialog im weitesten Sinne
aufzurufen scheinen, zum Ende hin immer mehr „verchristlichen
". Gottes Heilsgeschichte ist dann doch in erster Linie die
Geschichte der Christen und ihres politischen Engagements.