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1991

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

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Neuerscheinungen

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615

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 8

616

Barths Weg „Von der Dialektik zur Analogie" vor allem auf die
Studien zu Barths Tauflehre und auf Aufsätze verzichtet, in
denen sich Jüngel detaillierter auf Probleme der Theologie
Barths einläßt. In seinem Vorwort (7-9) geht der Übersetzer auf
diesen auffälligen Sachverhalt mit keiner Silbe ein. Statt dessen
äußert er sich ausführlich über F. W. Marquardts politische Interpretation
der Theologie Barths und Jüngels kritische Stellungnahme
zu diesem Versuch. Die Tatsache, daß er gerade diesen
Aspekt hervorhebt, scheint das ethische Interesse des Übersetzers
und das der vermuteten Leser an der Barth-Diskussion zu
dokumentieren. Das könnte dann auch erklären, warum Erörterungen
über besonders schwierige Interpretationsprobleme im
vorliegenden Band nicht berücksichtigt worden sind. Insofern
bietet das Buch weniger als die Originalausgabe, für den Leser außerhalb
des deutschen Sprachbereichs aber vielleicht mehr: eine
von Spezialdebatten entlastete gute Einführung in die Entwicklung
und Gedankenwelt der Theologie Barths aus der Perspektive
und mit den Akzentuierungen E. Jüngels.

Hamburg Hermann Fischer

Wirsching, Johannes: Kirche und Pseudokirche. Konturen der
Häresie. Göttingen: Vandenhoeck& Ruprecht 1990. 282 S. 8 .
Kart. DM 38,-.

Ein Buch, dem Aufmerksamkeit gebührt. Gegenüber vorherrschenden
Konsens- und Konvergenzbemühungen in Theologie
und Kirche zeigt der Vf. die Notwendigkeit theologischen Prüfens
und dogmatischen Unterscheidens auf. Die Frage nach der
Einheit in der Wahrheit, d. h. nach der Einheit durch die sich bewahrheitende
Wahrheit in der Person Jesu Christi zum Heil der
Menschen, stellt sich immer neu; sie ist immer neu vom Schriftprinzip
her zu verantworten. Gleich einem roten Faden durchzieht
die kritische Auseinandersetzung mit der Habermasschen
Konsenstheorie die theologischen Entfaltungen zu „Kirche und
Pseudokirche" (34, 101, 143 u.a.).

Der Titel greift M. Luthers Unterscheidung zwischen „wahrer
" und „falscher" Kirche auf und den fundamentalen Streit
zwischen „wahrer" und „falscher" Kirche als Wirklichkeit der
Kirche Jesu Christi auf dem Weg der endgültigen Vollendung entgegen
. Denn - und damit wird die These des Vf.s laut - Kirche ist
„streng als Gemeinschaft des Glaubens bestimmt, die sich von
Anfang an inhaltlich als neue Schöpfung erfaßt hat und deren Gestalt
ganz in der Wirklichkeit ihres kommenden Herrn gründet.
Pseudokirche wiederum zeigt sich in dem steten Versuch, den
Heilsglauben zu überbieten und das, was Kirche ist, als vollendete
Gruppengestalt oder vollkommene Tatgestalt hier und
jetzt zu erzwingen. Gemeinschaft des Glaubens und Überbietung
des Glaubens bilden so ein geradezu schicksalhaftes Gegenüber,
dessen theologische Bewältigung die Kirche von jeher gezeichnet
hat" (10). „Zum Häretiker in der Kirche wird daher, wer den
Heilsglauben zu überbieten und damit nicht zuletzt der Gemeinsamkeit
der Schuld vor Gott auszuweichen sucht "(181, ferner 92
u.a.).

Die These wird in den drei Hauptteilen des Buches begründet,
u.zw. zunächst in einer begriffsgegeschichtlichen Untersuchung
zu „Kirche" und „Häresie" (zusammen mit der weiteren Abgrenzungsterminologie
, die zu „Sekte" eine differenzierte „äußere
" und „inhaltliche" (ekklesiologische und christologische)
Kriteriologie enthält. 134ff) und sodann durch die theologische
Reflexion zur Theoriegestalt von „Kirche" und „Pseudokirche".
eben zum „Häretischen". Der dritte Teil „Kirche und Pseudokirche
: die Geduld des Glaubens" erkennt die „wahre" Kirche
nicht als die „reine" Kirche, „die sich durch Selbstabgrenzung
rein erhält", sondern als „die Kirche der ungehinderten Verkündigung
Jesu Christi und der dadurch bewirkten Abgrenzungen"

(10); sie lebt in der „Gemeinsamen Schuldverfallenheit" und der
„ebenso gemeinsamen Angewiesenheit auf die Vergebung"
(181).

Der These und dem Anliegen des Vf.s entsprechend rückt bei
der ausführenden Darlegung die normative Betrachtung. die
theologische Auseinandersetzung und das dogmatische Urteil in
den Mittelpunkt. Konkret gesprochen: Das „Wahrheitsmerkmal
" (20) der „wahren" Kirchen ist das Wort Gottes, d.h. die
„Selbsterfassung der Kirchen" als „Selbstauslieferung" „an das
Wort des Ursprungs, aus dem ihr Herr zu ihnen spricht" (73)-
Weder „parteiische Bruderschaft" (27) noch „Konsens verband"
(37) noch - mit R. Seeberg gesprochen - „kosmopolitisch ange-
hauchte Tugendgenossenschaft" (69) dürfen sie sein. In der ge-
genwärtigen theologischen und kirchlichen Landschaft nimmt
der Vf. nun Abgrenzungen wahr, die „nicht an ihrem Sachgrund,
sondern vorrangig an ihren Sachfolgen gemessen werden" (108);
„Sozialschädlichkeit", nicht „Heilsschädlichkeit" kennzeichnet
heutzutage „Häresie" (142); diese Charakterisierung gilt gerade
für die „ethischen Häresien" (1560- Zugleich aber implizieren
„Häresien", als „Störungen" verstanden, auch die „ErmögH-
chung gegenwärtiger und künftiger Gemeinschaft" (144).

Das Ausblenden der Wahrheitsfrage und der „christologischen
Eindeutigkeit" (157) zeigt der Vf. an Erscheinungen heutiger
Abendmahlsfrömmigkeit auf (144ff). „Häresie" als „Glaubensphänomen
" erweist sich demgegenüber in der „SelbstVerfehlung
" des Glaubens, weil der „Häretiker" in der Sorge, „nicht
genug zu tun oder etwas zu versäumen, wenn er nur auf Jesus
Christus blickt" (176), Glauben überbieten will durch „ekklesiologische
Einzel- und Teilüberzeugungen" oder als „christlicher
Revolutionär" (177) die eigene Schuld und die „gemeinsame Angewiesenheit
auf die Vergebung" (181) in der Gesamtkirche vergißt
. Angesichts dieser pointierten Thesen und diesen harten Anfragen
an theologische Lehre und kirchliche Praxis handelt es
sich bei dem Buch „Kirche und Pseudokirche" keineswegs um
ein kritisches Traktat gegen Säkularökumenismus und Konsenstheorie
in Theologie und Kirche; diese Darlegung zu den „ Konturen
der Häresie" kennzeichnet vielmehr durch die begriffsgeschichtlichen
Entfaltungen, durch den hohen Reflexionsgrad zur
Theoriegestalt von „Kirche" und „Häresie" und schließlich
durch den breit gespannten Anmerkungenteil (ein Drittel des Buches
) ein ausgewiesener wissenschaftlicher Rang. Für die ekklesiologische
Diskussion und für das gemeindliche und kirchliche
Leben und Handeln gebührt dieser Studie ein nicht wegzudenkender
Stellenwert und die nicht zu bestreitende Beachtung. Mit
Gewinn vermag der Leser die Thesen von „Kirche und Pseudokirche
" in die theologische, pastorale und kirchenleitende Urteilsbildung
einzubeziehen.

Heidelberg Michael Plathow

Peck, George: Karl Barth and beyond: These for the Contemporary
Church(CV 33. 1990, 7-18).

Przywara, Erich: Analogia Entis. Trad. par P. Secretan. Paris: Presses
Universitaires de France 1990. 190S. 8 . Kart. fFr 175.-.

Religiöse Sprache und Sprachlosigkeit (Themaheft WuA (M) 31. 1990.
Heft 3): Solle, Dorothee: Auf der Suche nach einer neuen religiösen Sprache
(100-105) - Bleickert. Günter: Religiöse Kommunikation: Sprache
der Liebe (109-116) - Deutsch. Eckart: Wort und Bild: Sagen des Unsagbaren
. Zum „eidos"- und „eikon"-Begriff in der europäischen Bildkunst
(127-131) - Alt. Ernst: Die theologische Dimension von Dürrenmatts Früher
Prosa (134-136).

Ringleben, Joachim: Die Einheit von Gotteserkenntnis und Selbsterkenntnis
. Beobachtungen anhand von Luthers Römerbrief-Vorlesung
(NZSTh 32. 1990. 125-132).

Sauter, Gerhard: Fundamentaltheologie - Grundlagenforschung oder
Symptom einer Orientierungskrise'.'(VF 35. 1990. 30-40).