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Ausgabe:

1991

Spalte:

39-40

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Müntzer, Thomas

Titel/Untertitel:

Schriften, liturgische Texte, Briefe 1991

Rezensent:

Goertz, Hans-Jürgen

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 1

40

Herzöge zusammengeführt wird und ihr verbunden blieb. Aus einem
weiter ausgreifenden Blickwinkel wird dieses Thema am Ende noch
einmal durch Georg Schwaiger aufgenommen: „Die Religionspolitik
der bayerischen Herzöge im 16. JahrhundeYt" (250-274).

Zwei der umfangreicheren Beitrage sind dem Thema Religionsgespräche
gewidmet. Albrecht P. Luttenberger wendet sich den
Religionsgesprächen unter Ecks Beteiligung insgesamt zu und arbeitet
die Rahmenbedingungen heraus (192-222: Johann Eck und die
Religionsgespräche). Das Ergebnis entspricht den gängigen Vorstellungen
: „So war zumindest 1530 und 1540 die Ausgangsposition
Ecks durch ein Problem- und Feindverständnis geprägt, das zu Dialog
und Verständigung strenggenommen keinen Raum bot" (221).

Vinzenz Pfnür dagegen kommt in seinen methodisch reflektierten
Darlegungen (223-249; Johannes Ecks Verständnis der Religionsgespräche
, sein theologischer Beitrag in ihnen und seine Sicht der
Konfessionsgegensätze) zu differenzierteren Einsichten. Er macht auf
den Unterschied von Disputation (Ziel: Sieg) und Kolloquium (Ziel:
Concordia) aufmerksam. Am Beispiel des Wormser Kolloquiums
vom Januar 1541, bei dem im Gegensatz zum Augsburger Reichstag
die zweitgenannte Form auf der Tagesordnung stand, kann er den
Nachweis erbringen: „Hier ist Ecks theologischer Beitrag entscheidend
höher einzuschätzen, als dies in der Regel geschieht" (248). In
der Frage des Sündenverständnisses kommt es trotz unterschiedlicher
Terminologie zwischen Eck und Melanchthon zur theologischen
Einigung, „ein nahezu singulärer Vorgang in der Reformationszeit"
(249). Tragischerweisc mußten die Gespräche auf höhere Weisung in
Worms abgebrochen werden, als gerade diese Einigung erreicht war.

Mit der Form des amicum colloquium sieht Pfnür der Gegenwart
eine wichtige ökumenische Aufgabe gestellt. Die Beiträge des Symposions
sind dieser Aufgabe verpflichtet. Natürlich ist hier und da die
Mühe erkennbar, die eine ökumenische Sichtweise noch bereitet. In
der Predigt des Eichstätter Bischofs Karl Braun z. B. erhalten Eck und
„die großen Reformatoren" gemeinsam das Zertifikat: Keine Apoka-
lyptiker. Dann heißt es: „Es waren radikale Gruppen, die sich hinreißen
ließen, den falschen .Messiassen' nachzulaufen, und dabei vergaßen
, daß nur eins zählt: der standhafte Glaube" (6). Was würden die
„radikalen Gruppen", die häufig genug ihren Glauben durch das
Lebensopfer bestätigten, zu solcher Grenzziehung sagen?

Corrigenda: 22: Gottfried Arnold; 96 und 107: Dölsch. Druckfehler
: 87; 97; 197 Anm.47;254.

Berlin Siegfried Bräuer

Müntzer. Thomas: Schriften, Liturgische Texte, Briefe. Ausgewählt
und in neuhochdeutscher Übertragung hg. von R. Bentzinger u.
S. Hoyer. Berlin: Union 1990.319 S. 8" Pp. DM 18,-.

Neben biographischen Darstellungen und zahlreichen Aufsätzen
sind zum 500. Geburtstag Thomas Müntzers auch einige Ausgaben
seiner Schriften und Briefe neu erschienen. Die historisch-kritischen
Ausgaben, die bisher angekündigt wurden, lassen noch auf sich warten
; dafür sind aber zwei modernisierte Textbücher auf den Markt
gekommen, die relativ viele Texte aus Müntzers Feder enthalten. Das
eine ist die Neuauflage der Modernisierung, die Gerhard Wehr schon
vor Jahren, allerdings mit ärgerlichen Mängeln behaftet, herausbrachte
(1975 und 1978, jetzt bei Diogenes, Zürich 1989). Das andere
ist die neuhochdeutsche Übertragung der Schriften im gesamten
Umfang, einiger liturgischer Amter in Auszügen und einer großen
Anzahl von Briefen. Diese Ausgabe wurde von dem Leipziger Historiker
Siegfried Hoyer und dem Berliner Sprachwissenschaftler Rudolf
Bentzinger besorgt-ein ideales Arrangement.

Die Texte sind von Bentzinger sorgfältig übertragen worden - und
zwar so, daß der ursprüngliche Eindruck der Sprache Müntzers, seines
Stils, seiner Bilder und seiner mitreißenden Syntax weitgehend
bewahrt wurde. Auch die Wörter und Begriffe, die Müntzer eigentümlich
sind, wurden in ihrer originalen Fassung belassen. Das war eine

gute Entscheidung, zumal die Bedeutung dieser Wörter in einem beigefügten
Glossar genau erschlossen wird. Über die Regeln der Textgestaltung
gibt ein kurzer Anhang Auskunft; und über die Besonderheiten
der Müntzerschen Sprache, vor allem die Übernahme von
Sprach- und Gedankengut aus der mittelalterlichen Mystik und die
Verwendung volkssprachlicher Elemente aus der eigenen Zeit, berichtet
Bentzinger in einer kleinen Abhandlung am Schluß der Ausgabe.
Nur hin und wieder könnte man anderer Meinung sein: Der Begriff
„Fußhader" (Fußlappen) beispielsweise ist nicht als volkssprachlicher
Regionalismus einzuordnen (305), sondern aus Heinrich Seuses
Vita übernommen worden, und der Begriff „Mittel" kann bei
Müntzer auf unterschiedliche Weise Verwendung finden, als in der
Mitte befindliches Hindernis (300), doch er kann einfach auch
„Mittelmaß" (133), die Vermeidung von zwei Extremen, bedeuten.
Besonders nützlich ist auch die Übersetzung der beiden Briefe, die
Müntzer in lateinischer Sprache und schwieriger Diktion an Philipp
Melanchthon (27.3. 1522) und an Martin Luther (9.7.1 523) schrieb.
Dieser Übersetzung hat Rainer Kößling (Leipzig) zu dieser Ausgabe
beigesteuert.

Die Auswahl der Texte hat Siegfried Hoyer vorgenommen, von ihm
stammen auch die Anmerkungen. Sie informieren über Namen und
Begriffe, sie erläutern Anspielungen (vor allem in der Hochverursachten
Schutzrede) und entschlüsseln die zahlreichen biblischen Zitate
und Hinweise. Zur Entstehung der einzelnen Schriften findet sich in
den Anmerkungen nichts. Dazu äußert Hoyer sich aber in einem
ebenfalls beigegebenen Aufsatz über „Thomas Müntzers Lebensweg
und seine Schriften". Der Lebensweg wird knapp, aber zuverlässig auf
dem neuesten Stand der Forschung geschildert und die jeweilige Situation
, in der die Schriften entstanden, in aller Kürze beschrieben. Für
die Briefe hätte man sich im Anmerkungsteil ähnliches gewünscht,
und es ist nicht recht zu verstehen, warum das unterblieben ist. Das
ganze Briefkorpus hätte so für den Leser enorm verlebendigt werden
können. Eine knappe Literaturauswahl beschließt diese Werkausgabe
.

Eine solidere modernisierte Ausgabe der Schriften und Briefe
Müntzers in diesem Umläng hat es bisher noch nicht gegeben. Hoffentlich
findet dieses angenehm und handlich ausgestattete Textbuch
auch noch Leser im Osten, wo man Müntzer bald nicht mehr gelesen
haben muß, und im Westen, wo es den Lesern nicht mehr leichter
gemacht werden könnte, dem Gegenspieler Luthers „selbst" auf ziemlich
authentische Weise zu begegnen.

Hamburg Hans-Jürgen Goertz

Scheid, Stefan: Media Salutis. Zur Hcilsvermittlung bei Calvin. Stuttgart
: Steiner 1989. IX, 274 S. gr. 8" = Veröffentlichungen des [nsti-
tus für Europäische Geschichte Mainz, 125. Abt. f. abendländ.
Religionsgeschichte. Lw. DM 88,-.

Der Schüler und Mitarbeiter des in der Calvin-Forschung sehr verdienten
Alexandre Ganoczy legt hier seine Habilitationsschrift vor,
die an der Katholisch-theologischen Fakultät Würzburg angenommen
worden ist. Wir haben es mit einer systematisch-theologischen
Arbeit zur Lehre von den Heilsmitteln, spezifiziert an dem Quellenbefund
bei Calvin, genauer gesagt an bestimmten Termini des Genfer
Reformators, zu tun.

In der Einleitung gibt Scheid Auskunft über Beweggründe und Ziel
seiner interessanten Studie. Er vermißt die seine Thematik kennzeichnenden
Begriffe in zeitgenössischen dogmatischen Nachschlagewerken
......salus bzw. Heil und Medium bzw. Vermittlung oder deren

Verbindung, media salutis bzw. Hcilsvermittlung" (I) begegnen selten
. J. Ratzinger und O. Semmelroth sind hier die Ausnahmen. Letzterer
weist „auf zwei Grundbedeutungen des Heilsbegriffs" hin, auf
„eine positive, die auf die Ganzheit, Unversehrtheit, Ursprünglichkeit
und Endgestalt des Menschen zielt und als solche Frieden, Freude.
Heiligkeit, Weisheit, Gerechtigkeit, Vollkommenheit, Liebe und