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Ausgabe:

1991

Spalte:

35-36

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Paulus an die Korinther, I 1991

Rezensent:

Heintze, Gerhard

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 1

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Wandercharismatikers und Apostels Paulus und auf entsprechende
Lokaltraditionen" gestützt (Exkurs 1110- Zum Beispiel versucht der
Autor, für Paphos eine Wundergeschichte (97) zu rekonstruieren; die
Philippigeschichte sei (nach Haenchen) aus „unterschiedlichen Bausteinen
" zusammengefügt (113). Kurz: der radikal redaktionsgeschichtliche
Standort ist noch kaum überwunden. Ganz selten (so
im Exkurs „Brüder Jesu" auf S. 37) werden divergierende Auslegungstraditionen
nebeneinander aufgeführt, hier die katholische, die
orthodoxe und die protestantische. Man kann die Verknappung ohne
weiteres auf das Programm der Reihe zurückführen. So empfangen die
katholischen Benutzer durch das Büchlein eine brauchbare Hilfestellung
.

Borsdorf Gottfried Schillc

Voigt, Gottfried: Paulus an die Korinther I. Bibelauslegung für die
Gemeinde. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1989. 128 S. 8°. Kart.
DM 7,80.

Voigt, Gottfried: Gemeinsam glauben, hoffen, lieben. Paulus an die
Korinther 1. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (Lizenzausgabe
der Evang. Verlagsanstalt, Berlin) 1989. 167 S. 8' = Biblischtheologische
Schwerpunkte, 4. Kart. DM 22,-.

Wie Gottfried Voigts sechsbändige homiletische Auslegung der Predigttexte
nach der Predigttextordnung von 1978 ist nun auch seine
kurzgefaßte Auslegung des 1. Korintherbriefs zuerst in der Evangelischen
Verlagsanstalt Berlin und danach als Lizenzausgabe im Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen erschienen. Nur der Titel ist in
der westdeutschen Ausgabe erweitert, offenbar in Anlehnung an
1. Kor. 13. Während die homiletische Auslegung der Predigttexte als
Benutzer vor allem die Prediger im Auge hat, will die Arbeit über den
1. Korintherbrief Bibelauslegung für die Gemeinde sein. Zugrunde
gelegt ist der revidierte Luthertext vom Jahr 1984, dem der Vf. in
seiner Auslegung nur gelegentlich eine abweichende Übersetzung zur
Seite stellt.

Dem Vf. geht es nach seinem eigenen Vorwort darum, Zugänge zum
heutigen praktischen Gebrauch der Bibel zu erschließen. Auf
historisch-exegetische Spezialfragen läßt er sich nur im Vorübergehen
ein, etwa was die Diskussion der ursprünglichen Einheitlichkeit des
Briefes betrifft. Der schwierige und heute in der Pastorinnenfrage umstrittene
Abschnitt 14,33b—36 wird als vermutlich späterer Einschub
behandelt. Voigt betont dabei, daß es im gesamten Kapitel 14 nicht
um das „Amt der Kirche", sondern um die „Geistesgaben" gehe, und
deshalb der Abschnitt zur Pastorinnenfrage nichts beitrage.

Voigt möchte den Benutzern den eigentlichen Sinn der von Paulus
gemachten Aussagen erschließen. Er ist gewiß, daß denk- und lernbereite
Leser auch heute noch von den im Brief verhandelten Sachen
unmittelbar angesprochen werden könnn, so daß gar keine künstliche
Anwendung auf die heutige Situation erforderlich ist, so sehr sich
diese in vieler Beziehung auch von der ursprünglichen historischen
Situation des Briefes unterscheidet. Wiederholt wird ausdrücklich
festgestellt, daß das im Text Verhandelte die Kirche aller Zeiten
betrifft. So heißt es z. B. im Abschnitt über den „kleinlauten Prediger"
(2,1-5): „Die Kirche ist zu allen Zeiten in der Gefahr gewesen, die
harte, schockierende Predigt vom Kreuz zu mildern, zu dämpfen, mit
einleuchtenden Aussagen zu polstern ... Paulus hat viel dazu getan,
daß die Leser begreifen konnten, worum es ging. Aber in der Sache hat
er ihnen nichts erlassen." Gelegentlich wird auch auf die notwendige
Beachtung der unterschiedlichen Situation hingewiesen, aber zugleich
deutlich gemacht, weshalb die paulinischen Aussagen auch heute
relevant bleiben. So heißt es z. B. im Abschnitt „Wer wir sind"
(6,9-1 1): „Die angesprochenen Laster können nur beispielhaft stehen
für alles, was der Christ verabscheuen und vermeiden muß . . ." (zur
hier genannten Homosexualität): „Wir werden differenzierter denken
müssen als Paulus. Anthropologische Forschung läßt uns konstitutionelle
Gegebenheiten und damit im Einzelfall die Schicksalhaftigkeit
gleichgeschlechtlicher Anziehung wahrnehmen . . . Aber Paulus

denkt - wie Jesus (Mk 10,6) - vom Ursprung her. Das ist eine andere
Argumentationsebene als die immanent-anthropologische." Ähnlich
argumentiert Voigt zur Frage des Götzenopferfleischgenusses
(Kap. 81T): „Götzenopferfleisch - das ist für uns kein Problem
mehr . . . Immerhin könnte die besondere Frage der Korinther für uns
der Aufhänger sein für die viel grundsätzlichere Frage, wie Christen
sich überhaupt in nichtchristlicher Umgebung bewegen ... Es kann
innere Konflikte und Anfechtungen geben, da nämlich, wo es nicht
bei. .. Säkularität und Neutralität bleibt, sondern Dinge und Größen
dieser Welt einen religiösen oder quasi-religiösen Nimbus bekommen
."

In seiner Auslegung folgt Voigt den sich aus dem Brief selber unmittelbar
ergebenden Abschnitten. Er setzt dabei über die einzelnen
Abschnitte und Unterabschnitte präzise und ansprechende Überschriften
, z. B. „Kleine Leute" (1,26-31), „Der kleinlaute Prediger"
(2,1-5), „Einer wie der andere" (3,5-1 1), „Konflikte unter Christen"'
(6,1-8), „Die Gefährdung der Sicheren" (10,1-13), „Jeder, wie ihm
aufgetragen ist" (12,27-31 a). Wie auch für viele andere Ausleger des
1. Korintherbriefs ist auch für Voigt das Auferstehungskapitel 15 der
eigentliche Höhe- und Zielpunkt des ganzen Briefes. „Der ganze bisherige
Brief drängt geradezu dahin. Die meisten seiner Erörterungen
wurden darum nötig, weil die Auffassungen, Überzeugungen und
Lehren der Korinther gerade an diesem Punkt irrig oder mindestens
strittig waren . . . Daß die Grenze zum Eschaton, zum .Letzten', zur
Vollendung noch vor uns liegt. . . daß wir also Wartende und Hoffende
sind: das ließen sie nicht gelten. Die rauhe Wirklichkeit des bis
auf weiteres noch fortbestehenden Lebens diesseits der Todcslinie
wollten sie geflissentlich übersehen oder verächtlich überspielen.
Darum wollten sie auch nichts vom gekreuzigten Jesus wissen . . .
Kreuz und Auferstehung gehören zusammen. Wer das eine vernachlässigt
oder gar leugnet, verdirbt auch das andere. Das .Noch nicht'
muß ertragen und - in Glaube, Hoffnung und Zuversicht - ausgehalten
werden. Das .Dann' erwarten wir. In diesem Interim lebt die
Kirche, leben die Christen."

Zu wünschen wäre, daß Gottfried Voigt auch eine Bibelauslegung
für die Gemeinde über den 2. Korintherbrief nachfolgen ließe. Da für
1992 die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen in ihrem
Jahresplan für die tägliche Bibellese beide Korintherbriefe angesetzt
hat, würden die praktischen Auslegungen, wie Voigt sie zum I. Korintherbrief
schon geliefert hat, für die Bibelleser in ganz Deutschland
bestimmt eine große Verstehenshilfe darstellen.

Stuttgart Gerhard Heintze

Volf, Judith M. Gundry: Paul and Perseverance. Staying in and Fal-
ling Away. Tübingen: Mohr 1990. IX, 325 S. gr. 8" = WUNT,
2. Reihe, 37. Kart. DM 69,-.

This doctoral dissertation, directed by Otfried Hofius at Tübingen,
sets out to expound and defend a single-minded thesis in the area of Pauline
soteriology. It is the author's claim that Paufs pastoral and keryg-
matic theology both allows for the (theoretical) possibility of 'Talling
away" and yet, when the issues are judged sub specie aeterniteUis, liiere
is no room for indefcctibility on the divine side. No ethical failure on the
converts' part is an obstacle to the fulfillment of God's saving plan. Yet.
as we see the issues, any presumed lapse from faith posits a conclusion
that saving faith was not a reality from the beginning and Paufs
admonitions and threats which seem to imply a danger of "losing
salvation" turn out to be hortatory and minatory as part of his pasto-
ralia. As Paul construets an ordo salulis, it is claimed, no room is
permitted for any doubt that God is pledged to bring to final fruition the
work ofgracc onee begun and matched, on the human side. by a genuine
response of faith and determination to "stay in".

The case is argued by Volf on the exegetical level, as the pertinent
texts are passed under review and subjected to interrogation in the
light of scholarly opinion, mainly from the modern period of the last