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Ausgabe:

1991

Kategorie:

Praktische Theologie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 7

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geschehen, nicht nur für sie. Es darf keine perfekt organisierte Be-
treuungsdiakonie entsprechend der Versorgungspastoral entstehen
. - „Über die Chancen sozialer Lernprozesse in der Gemeinde
" berichtet Ferdinand Kerstiens auf Grund von Erfahrungen
mit Wohnungslosen. Die diakonische Praxis will die
Armen Subjekte ihres Lebens sein lassen, will individuelle und
strukturelle Ursachen der Not berücksichtigen und entsprechend
politische Dimensionen der Hilfe einbeziehen, sie will die Gemeinde
und ihre Gruppen als Träger der Diakonie aktivieren
sowie Diakonie und Verkündigung verschränken. - Kurt Koch ,
„Solidarität mit den Leiden und Nöten der Menschen", trägt zur
Grundlegung der Diakonie bei. die er als Gottesdienst und glaubwürdigste
Gestalt der Mission bewertet, weil sie Gottes Diakonie
nachvollzieht. Auch ihm geht es um die Verbindung individueller
Caritas und politischer Diakonie. Nachdrücklich weist er auf die
sozialdiakonische Bedeutung des Sonntags hin.

Der Schlußteil thematisiert Koinonia als „Einander finden -
im Vertrauen auf den Geist". Martina Blasberg-Kuhnke erörtert
„das Miteinander in der Gemeinde", indem sie zuerst die Orte
koinonischer Praxis bedenkt: Gottesdienste, Verbände, Gruppen
. Treffpunkte wie das Gemeindecafe, Einrichtungen wie
Pfarrhaus und Pfarrbüro. Kasualien, Hausbesuche und Gespräche
. Als Ebenen koinonischer Praxis unterscheidet sie das Miteinander
sozialer Gruppen, die Gemeinde im Gemeinwesen, die
Ökumene am Ort und weltweit. - „Das Miteinander der Pastoralen
Dienste" bespricht Ernst Spich/ig. Chancen und Probleme
der Zusammenarbeit verschiedener Dienstträger erläutert er anhand
der Leitideen Akzeptanz, Transparenz und Partizipation.
Pastoraltheologische und organisationssoziologische Gesichtspunkte
werden hilfreich verbunden. - Abschließend handelt der
Hg. Leo Karrer über die „Spiritualität gemeindlicher Seelsorge:
mit euch und für euch". „Damit Gemeinde lebt", ist die gemeinsame
Berufung aller Christen zur pneumatischen communio und
ihre gemeinsame Sendung in der Vielfalt der Charismen als
„Strukturprinzip" der Gemeinde zu realisieren. Die sichtbare
Kirche und ihre christliche Tiefendimension sind zu unterscheiden
. „Kirche ist nicht Ziel und Grund des Heils, sondern Weg
zum Heil" (290). „Priorität hat nicht der Erfolg, sondern die
Treue zur Sendung" (303). Karrer übt Seelsorge an Seelsorgern,
und er bringt den pneumatologischen Aspekt zur Geltung, der
sonst im Buch etwas unterbelichtet ist. Das Ziel ist „eine durch
uns und mit uns. und aber auch für uns lebendige und menschenfreundliche
Kirche" (314). Das ganze Buch gibt dazu Hilfen, die
auch von evangelischer Seite dankbar zu begrüßen sind. Die bleibenden
Differenzen im Amts- und Sakramentsverständnis bestimmen
den Gesamteindruck nicht. Wer sich für den Gemeindeaufbau
engagiert, kann dieses in der Konzeption und in der
Ausführung gelungene Werk nur mit Freude und Gewinn zur
Kenntnis nehmen.

Gutenberg bei Halle/s. Eberhard Winklcr

Falcke, Heino: Der Auftrag der Kirche heute. Vortrag zur Friedensdekade
1990 in Erfurt (JK 51. 1990. 677-683).

Feiereis. Konrad: Wird das Wagnis gelingen? Thesen zur Zukunft von
( husten und Kirche (Die Christenlehre 43. 1990, 307-310).

Kreek, Walter: Qou vadis, EKD? Fragen zur Rolle der Kirche im Zuge
der deutschen Einigung (JK 51. 1990. 612-619).

Lottes, Ciünther: Der Sozialstaat in Europa. Nur was erwirtschaftet
wird, kann verteilt werden (Diakonie 16. 1990. 311-315).

Volp, Rainer: Die Kirchen und das kirchliche Bauen (MdKI 41, 1990,
30-33).

Winkler, Eberhard: Ordnung ohne Bevormundung (Die Christenlehre
44. 1991. 12-17).

Ökumenik: Catholica

Marienlexikon-Hg. im Auftrag des Institutum Marianum Re'
gensburg e. V. von R. Bäumer u. L. Schcffczyk. 1: AA - Chagall
. XXXI, 672 S. m. zahlr. Abb. 2: Chaldäer- Greban. 704 S.
m. zahlr. Abb. gr. 8! St. Ottilien: EOS 1988/89. Pp. je DM
148,-.

Wer hätte das gedacht: Vor gut zwanzig Jahren mußte 1967 das
von K. Algermissen, L. Böer und anderen herausgegebene „Lexikon
der Marienkunde" sein Erscheinen einstellen, nachdem es
seit dem Beginn 1957 nur einen Band zum Abschluß gebracht
hatte; und nun erscheint als Nachfolger das auf vier Bände konzipierte
„Maricnlexikon" mit unwahrscheinlich großem wissenschaftlichen
Aufwand zahlreicher in- und ausländischer Autoren
und mit einer gewiß sich lohnenden Bezieherschar!

In den 50er Jahren schien der Höhepunkt eines sogenannten
Marianischen Jh.s erreicht zu sein, das mit zwei neuen Mariendogmen
die Person und Stellung Mariens in der Heilsgeschichte
herausgestellt und die marianische Frömmigkeit in der römischkatholischen
Kirche sehr intensiviert hatte. Das Zweite Vatikanische
Konzil setzte dann einerseits gewisse Grenzen, indem estna-
ximalistische Forderungen nach einem weiteren Mariendogma-
nämlich dem Titel „corredemptrix" (Miterlöserin) oder auch die
Bezeichnung „Mutter der Kirche" nicht approbierte und mim-
malistische Tendenzen, von Maria kaum noch dogmatisch zu
reden, zurückwies. Andererseits bedeutete die Aufnahme der
mariologischen Aussagen in das Schlußkapitel der Kirchenkonstitution
eine ekklesiologisch bedeutsame Entscheidung: Maria
gehört im Heilsplan Gottes auf die Seite der Kirche, sie ist Urbild
der Kirche, und in diesem Sinne ist ihre Zuordnung zu Christus
und ihre bleibende heilsgeschichtliche Bedeutung definiert. Freilich
: Von nun an kann die römisch-katholische Theologie nicht
mehr von Kirche reden, ohne von Maria zu sprechen; als,. Ersterlöste
" (unbefleckte Empfängnis = Befreiung von der Erbsünde'
und als „Vollerlöste" (leibliche Aufnahme in den Himmel) 'sI
Maria Typos der Kirche.

In der ersten nachkonziliaren Phase schienen die Folgen dieser
ekklesiologischen Einbindung Mariens vor allem im mitteleuropäischen
Raum zu einem drastischen Niedergang von Marienlehre
und Marienfrömmigkeit zu führen. Vor allem römischkatholische
Ökumeniker beschwichtigen ihre evangelischen
Gesprächspartner, die Mariendogmen brauchten nun kein kirchentrennendes
Hindernis mehr zu sein, die Mariologie könne
man getrost aus dem ökumenischen Dialog aussparen. Doch ah
Mitte der siebziger Jahre, spätestens mit dem Pontifikat des polnischen
Papstes Johannes Paul II. mit seiner glühenden Marienverehrung
, blühte die Beschäftigung mit Maria wieder auf. m1
Jahre 1984 gaben W. Beinert und H. Petri das „Handbuch der
Marienkunde" (1042 S.) heraus, in welchem in 16 Kapiteln systematisch
gegliedert die römisch-katholische Mariologie und MS'
rianik dargelegt wurden. Und nun ist offensichtlich die Zeit reit
ein altes Sprichwort wieder zu beherzigen: de Maria numquan1
satis (über Maria kann man nicht genug reden).

Die ersten beiden bisher vorliegenden Bände des Marienlexi'
kons vermitteln den Eindruck, daß hier wohl das umfangreichste
und authentischste mariologische Werk im deutschen Sprach'
räum entsteht. Die Stichworte zeigen, daß nahezu Vollständig'
keit angestrebt wird: was die kirchengeschichtliche Entwicklung
der Maricnlehre und Marienfrömmigkeit betrifft, wie die geogra'
phischen Schwerpunkte (fast alle Bistümer werden marianisch
skizziert), die vielfältige Volksfrömmigkeit sowie die Spiritual''
tät von Orden und religiösen Gemeinschaften, bis hin zum Marienbild
bei Künstlern (Dichter, Musiker. Bildhauer. Male'
usw.).

Ein evangelischer Rezensent geht an solch ein Opus nicht nu'