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Ausgabe:

1991

Spalte:

31-33

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Aejmelaeus, Lars

Titel/Untertitel:

Streit und Versöhnung 1991

Rezensent:

Wolff, Christian

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 1

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(444fT), die Gnade der Demut (446fT), die Wirksamkeit des Gebets
(449ff), die Kraft der Sprache (451 ff), aktiver Glaube (459ff), radikale
Religion (461 ff), erwachsenes Christentum (465 IT).

Nennenswert ist auch in II 3 der Abschnitt über den sozio-ökono-
mischen Hintergrund des Briefes (228-258), speziell über das Vorhandensein
von Reichtum auch bei einigen frühen Christen (Namensliste
236); Jakobus selber hat „Affinitäten zur oberen Klasse" (238 mit
Verweis auf 3,1). Der Abschnitt behandelt vor allem die Gruppen
Bauern (5,1-6), Kaufleute (4,13-17) und Financiers (2,60- Jakobus
will keine Revolution, wendet sich jedoch aus sozialer Verantwortung
gegen jede Bedrückung (257).

Man kann A. nur dankbar sein, daß er uns Anteil am reichen Ertrag
seiner Studien gibt. Wertvoll ist allein schon die Detailliertheit verschiedenster
Abschnitte (z. B. zum Kanon, zur Situation in Palästina
oder zu den Berichten über den Herrnbruder). Ebenfalls ist die theologische
Thematik (besonders in Teil III) überaus anregend dargelegt.
Das größte Problem bleibt das Hauptanliegen A.s, nämlich den Brief
aus der Situation der Jerusalemer Gemeinde und aus der Feder ihres
Leiters (um das Jahr 44) herzuleiten und dementsprechend zu deuten
(was viel mehr ist, als ihn lediglich früh zu datieren). So verständlich
A.s Apologie gegenüber den Vorurteilen Luthers usw. ist, so muß er
doch selber auf seine Vorurteile und deren Implikationen befragt
werden. A.s apologetische Darstellung der Überlieferungsgeschichte
des Briefes (Kanon) ersetzt allzu leicht historische Fakten mit psychologischen
Aspekten. Problematisch ist jedoch vor allem die Formel
„ganz einfach = ganz früh". Stimmt das denn historisch, oder regiert
hier nicht eher ein Vorurteil der sancta simplicitas? War denn Jesu
Botschaft so „einfach"? War die theologische Situation nicht gerade
auch im Urchristentum alles andere als einfach, als daß man Kreuz
und Auferstehung (fast) negieren konnte? Wenn das bei Jakobus
geschieht, muß das auf anderen Wegen erklärt werden (vor allem
formgeschichtlich). Daß Jakobus und Paulus theologisch letztlich
einer Meinung sind, ist m. E. zutreffend; aber die im Brief erkennbaren
Debatten wird man schwerlich als noch kaum existent wegräumen
können.

Kurzum: A. läßt sich zu sehr vom apologetischen Anliegen beeinflussen
. Diese kritische Beurteilung darf jedoch nicht im Sinn eines
Pauschalurteils mißverstanden werden; gerade für den Andersdenkenden
bietet A. ein bedeutsames Gegenüber, das man so fundiert
und ausführlich heute kaum ein zweites Mal findet.

Aumühle Wiard Popkes

Aejmelaeus, Lars; Streit und Versöhnung. Das Problem der Zusammensetzung
des 2. Korintherbriefes. Übersetzung aus dem Finnischen
von K.-J. Trabant. Helsinki: Finnische Exegetische Gesellschaft
1987. VL 343 S. 8° = Schriften der Finnischen Exegetischen
Gesellschaft, 46.

Diese literarkritische Studie zum 2. Korintherbrief bemüht sich
um die Bestätigung der von A. Hausrath begründeten These: Kap.
10-13 enthalten im wesentlichen den sog. Tränenbrief, Kap. 1-9
spiegeln dagegen die Versöhnung zwischen Paulus und den Korin-
thern wider.

Nach einer detaillierten Darlegung der unterschiedlichen literarkri-
tischen Hypothesen zum 2. Kor. werden die Nahtstellen in diesem
Brief untersucht. Ausgangspunkt ist der Abschnitt 6,14-7,1, der als
Interpolation bewertet wird und somit die Frage nach weiteren Eingriffen
eines Redaktors aufwirft. Die Annahme einer ehemals eigenständigen
Apologie 2,14-7,4 wird durch den Aufweis enger Kontextbezüge
abgelehnt. Hinsichtlich Kap. 8 und 9 werden die Situationsgleichheit
beider Kapitel - ohne direkte Überschneidung bzw. Doppelungen
- und deren Zugehörigkeit zu Kapitel 1-7 herausgestellt.
Der zwischen Kap. 9 und 10 konstatierte Bruch betrifft zunächst nur
das .Atmosphärische' und die sonst übliche Kompositionstechnik der
paulinischen Briefe.

Ein eigener Hauptteil befaßt sich mit der Frage, ob Kap. 1-9 und
10-13 jeweils dieselbe Abfassungszeit widerspiegeln. Eine eingehende
Untersuchung der Reisepläne für die Korinthbesuche des Apostels
und deren Realisierung läßt den Tränenbrief als „eine Art Vorbereitungsbrief
im Blick auf die bevorstehende Ankunft (des Paulus) in
Korinth"( 156) erscheinen, so daß von 12,Hund 13,1 her Kap. 10-13
als jenes vorbereitende Schreiben gelten können. Solch eine Charakterisierung
des Tränenbriefs läßt sich jedoch aus 2,3f nicht erschließen
, sondern nur, daß der Brief einen weiteren unerfreulichen Besuch
des Paulus ersetzen sollte (vgl. 2,3a!). - Die in 2,3f und 7,11 enthaltenen
Inhaltsangaben zum Tränenbrief werden zu Kap. 10-13, vor
allem zu 12,20f und 13,10, in Beziehung gesetzt. Dabei ist jedoch
nicht berücksichtigt, daß in den letzten vier Kapiteln von lypeo/lype
nie die Rede ist und in 13,10 nichts vom Vertrauen auf gegenseitige
Verbundenheit verlautet. Das Fehlen der Erwähnung des Unrechttäters
(2,5ff; 7,12) in Kap. 10-13 wird daraus erklärt, daß es Paulus
um den Aufweis der Schuld der ganzen Gemeinde gegangen sei, nicht
aber um die Auseinandersetzung mit einer Einzelperson: „Dieser
einzelne Fall ist bei dem großen Vulkanausbruch gleichsam nur eine
Art Nebenkrater" (195). Mit solcher Einschätzung wird das Vorkommnis
jedoch nivelliert; denn Paulus kommt darauf jeweils ausdrücklich
im Zusammenhang der Erwähnung des Tränenbriefs zu
sprechen (2,4-11; 7,8-12). - Der Problemkreis „Titus und die
Kollekte für Jerusalem" dient als weiteres Vergleichsmotiv zwischen
Kap. 1-9 und 10-13. Aus 8,6 wird ein vor der Überbringung des
Tränenbriefs liegender Aufenthalt des Titus in Korinth erschlössen,
vor allem mit der Prämisse: „Das Vorantreiben der Kollekte und die
Schlichtung eines ernsthaften Streites passen nicht zusammen'' (209);
darum enthielt der Tränenbrief auch nichts von der Kollekte.
12,16-18 werden als ein lediglich allgemein auf Unterstützungsverzicht
bezogenes „rhetorisches Gedankenspiel" (218) interpretiert:
Titus und der „Bruder" (12,18) gelten als Überbringer des Tränenbriefs
. Dazu paßt jedoch nicht, daß in 7,5ff Titus allein als Überbringer
jenes Schreibens erscheint; eine Verbindung zu 8,22 legt sich
viel näher, vor allem wenn man die Differenzierung zwischen 8.18f
und 8,22 berücksichtigt.-

Die Beziehungen des Paulus zur korinthischen Gemeinde werden
dahingehend charakterisiert, daß sich in Kap. 10-13 eine unglückliche
, werbende Liebe des Apostels äußert, während in Kap. 1-7 eine
gegenseitige Liebe vorausgesetzt ist; die dazu nicht passenden Äußerungen
6,11-3; 7,2 werden als ein „Widerhall aus einer traurigen
Situation, die kürzlich noch Wirklichkeit war" (225), bewertet. Die
konkreten Imperativformen widersetzen sich jedoch solcher Interpretation
. Immerhin wird eingeräumt, daß auch Kap. 1 -9 „nicht frei von
kritischen Untertönen" und daß „Kritik . . . auch nach der erzielten
Versöhnung noch aktuell ist" (244). Daß die in Kap. 10-13 attackierten
Überapostel in Kap. 1-9 „nur noch gleichsam ein böser Traum
aus der jüngsten Vergangenheit (sind), von der nur noch einige unbestimmte
Reminiszenzen übrig sind" (235), wird man angesichts von
5,12 kaum sagen können. - Gegen die Versuche, Kap. 10-13 später
als Kap. 1-9 zu datieren, wird e silentio argumentiert: Es fehlen
Hinweise auf neue Informationen und auf eine bereits erzielte Aussöhnung
.

Ein Versuch, unter Auseinandersetzung mit neueren Arbeiten zur
paulinischen Chronologie die aus dem 1. und 2. Kor. zu rekonstruierenden
Ereignisse und Korrespondenzen zu datieren, schließt sich an.
Der Vf. ist sich des hypothetischen Charakters solcher Überlegungen
freilich vollauf bewußt. - Im abschließenden Teil wird kurz auf die
Motive bei der vermuteten Redaktionsarbeit am 2. Kor. eingegangen:
Der kurze Brief Kap. 10-13 wurde möglicherweise ganz mechanisch
an den längeren Brief Kap. 1-9 angehängt.

Die Studie entspricht dem gegenwärtigen internationalen Forschungstrend
(vgl. die vom Vf. nicht mehr berücksichtigten Kommentare
von V. P. Furnish; R. P. Martin; H.-J. Klauck und F. Lang), für
den 2. Kor. nur noch eine einfache Teilungshypothese zu vertreten.
Zugunsten der Einheitlichkeit der Kap. 1-9 werden gewichtige Argu-