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Ausgabe:

1991

Spalte:

524-526

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

J. S. Bach and scripture 1991

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 7

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rerseits ist der D.r immer wieder auf die Unterstützung oder das
Verständnis des Theologen angewiesen. Eine gedeihliche Zusammenarbeit
kommt in der Regel beiden zugute. Nicht selten erlebt
man aber von beiden Seiten Unverständnis für die Intentionen
der je anderen Seite. So soll das vorliegende Werk unter dem Gesichtspunkt
betrachtet werden, inwieweit es dem gegenseitigen
Verständnis dienen kann oder es voraussetzt. Nun kann man am
Ende beginnen beim „Berufsbild des D.rs", hier artikuliert sich
naturgemäß das Selbstverständnis des Vf.s. Als Kunsthistoriker
und Architekturwissenschaftlcr nimmt er auf Kirche und Theologie
nur gelegentlich ausdrücklich Bezug. Er rechnet wohl auch
nicht mit Lesern aus diesem Bereich, vielleicht beobachtet er
auch unter Kollegen und Nachwuchs seines Faches keinen Handlungsbedarf
für solch interdisziplinäres Gespräch, das ihm aber
selbst nicht fern liegt. Fragen wir also, was gibt oder nützt er dennoch
- oder gerade deshalb - dem theologischen Leser?

Eine Einführung in sein Fach gibt er wirklich, in der Regel werden
auch Fachkenntnisse nicht vorausgesetzt, daß auch der Laie
auf diesem Gebiet gut folgen kann.

Der historisch berichtende Teil zu Beginn (1) enthält schon
eine ganze Reihe kirchen- und theologicgeschichtlich interessanter
Beobachtungen. Manche der „Probleme der Nachkriegszeit
" (1.5) sind in den östlichen Bundesländern noch keineswegs
erledigt, sondern stellen sich hier gerade mit erneuter Verschärfung
, das gehört dann schon in die 1.6 beschriebenen „gegenwärtigein
) Ziele und Aufgaben". Da hier schon historische Definitionen
des D. begriffs behandelt sind, kann der 2. Teil sich auf den
„D.begriff derGegenwart" in der „Gesetzgebung der Bundesländer
" (2.1) und „Bewertungskriterien" (2.2+3) beschränken. Für
den Mitgestalter am Recht der neuen Länder ist der 3. Teil besonders
hilfreich: „Gesetzliche Grundlagen des D.Schutzes". Nun
haben die beiden letzten Abschnitte (3.5 + 6) traurige Aktualität
gewonnen: Schutz gegen Abwanderung und bei bewaffneten
Konflikten.

Die folgenden vier Teile gehen weiter ins Detail, vom Größeren
zum Kleinen. Wo es hier um „Verträglichkeit der Nutzung"
geht (5.2) oder um „Zielkonfliktc bei der Instandsetzung", wird
sich mancher Pfarrer oder Gemeindekirchenrat besonders angesprochen
fühlen. Hier findet sich eine Fülle praktisch verwertbarer
, hilfreicher Hinweise für den kirchlichen Bauherren. Sie setzen
sich bei der „Restaurierung von Raumfassungen und
Ausstattung" fort (6). Gerade diese Fragen wurden auch in der
kirchlichen Ausbildung gern aufgenommen. „Besondere technische
Probleme der Gegenwart" sind nun stärkerauf bauliche und
Methodenprobleme und fachinterne Konflikte orientiert, gleichfalls
„hilfreich und nützlich zu lesen", aber weniger für den
Theologen. Wenn ihm dabei freilich aufgeht, wie sehr er auf das
Urteil des Fachmannes angewiesen ist, wieviel mehr als die augenfälligen
Faktoren zu berücksichtigen ist. ist schon viel gewonnen
. Ferner kann gerade dem bautechnischen Laien hier einiges
von den Folgen seines Tuns oder Unterlassens einsichtiger werden
. Unter 7.5 „Heizung und Wärmedämmung" werden Kirchen
ausdrücklich angesprochen.

Der 8. Teil informiert über Inventarisation. Zustandsdoku-
mentation, Grabungen als Inhalt der wissenschaftlichen Forschung
. Hier sind die Berührungsflächen für den Kirchenhistoriker
und christlichen Archäologen, deren Ergebnisse auch oft
genug vom D.r in Frage gestellt oder bestätigt werden müßten.

Gerade den 9. Teil wird der Praktiker vor Ort mit Gewinn
lesen, weil es um Geld geht: „Finanzielle und steuerliche Förderungsmöglichkeiten
". Auch unter diesem Gesichtspunkt kann
man den Teil 10: „Öffentlichkeitsarbeit" lesen. Zumindest in unseren
östlichen Landcsteilen erwarten uns da neue Möglichkeiten
, um so wichtiger ist gründliche Information über das Machbare
, schon Erprobte, aber auch die bisherigen Defizite, die im
Verlauf des Buches immer wieder zur Sprache kommen. Wenn es

überhaupt ein Lernen aus den Fehlern anderer gibt, so liefert der
hessische Denkmalpfleger - nicht nur aus seinem Amtsbereich -
Stoff genug zum Nachdenken. Hier ist wohl auch der Platz für
Desiderate: Der Vf. schreibt für Leser der alten Bundesländer,
bezieht sich auf ihre Erfahrungshorizonte. Die D.gesetzgebung
der neuen Länder ist noch im Werden. Möge bald eine Neuautlage
die durch den Anschluß erweiterungsbedürftigen oder überholten
Partien auswechseln, von neuer, besserer D.gesetzgebung
berichten können, die zu entwickeln nun die Chance besteht:
wichtig wäre hier nachzutragen, was sich z. B. an Inventarisation
hier in den vergangenen Jahrzehnten begeben hat, welche Folgen
der Wohlstand hier gebracht hat, die sein Fehlen bisher vermieden
hatte. Möglicherweise wäre überhaupt zu fragen, ob die
kirchlichen Eigeninitiativen, wie die Kirchlichen Bauhütten, eigenen
Werkstätten, eigenen Inventarisationsbemühungen einzelner
Landeskirchen nicht in den historischen Teilen hätten erwähnt
werden sollen. Fernziel könnte es werden, dies erfreuliche
und vielseitige Werk auch für die kirchliche Ausbildung noch
brauchbarer und attraktiver zu machen und der D. in diesem Bereich
einen festen Platz zu sichern.

Erfurt Wilhelm Velten

Leaver, Robin A. [Ed.]: J. S. Bach and Scripture. Glosses from
the Calov Bible Commcntary. Introduction. Annotations. and
Editing. St. Louis: Concordia Publishing House 1985. 191 S.
m. zahlr. Abb.. 1 Taf. 4.

Ein Buch wie das vorliegende wurde unter Kennern lang erwartet
, spielt doch die sogenannte Calov-Bibel in der Frage nach
Bachs Anschauungen und nach seinem Glauben seit den ersten
Äußerungen von Christoph Trautmann (dem der Band gewidmet
ist) über sie in "Musik und Kirche 1969" eine entscheidende
Rolle. Daß die Rezension erst jetzt erfolgt, hat auch seinen
Grund darin, daß das Buch relativ spät der ThLZ zur Rezension
angeboten wurde. Dennoch erscheint eine Besprechung nach wie
vor sinnvoll. Die Tatsache des Aufbewahrungsortes der Bibel in
der Ludwig Fuerbringcr Library of Concordia Seminary, St-
Louis, machte wahrscheinlich, daß eine Veröffentlichung zuerst
von amerikanischer Seite her zu erwarten wäre. Der Vf. ist Professor
in Princeton, N. J., und durch verschiedene Publikationen
zur theologischen Bachforschung und zur Hymnologie bestens
ausgewiesen.

In der Einleitung setzt sich L. u. a. mit der These Friedrich Blu-
mes auseinander, daß Bach sich von seiner Berufung zum Kirchendienst
während seiner Leipziger Amtszeit mehr und mehr
entfernt habe. Dazu mußten Argumente herhalten wie das des
"antagonism and misunderstanding" (15) und der "long and bitter
controversy in the Thomasschule between himself and Rector
Johann August Ernesti, a man who disliked music and who was
developing an un-Lutheran approach to Scripture" (ebd.). Ernesti
aber kann nicht als musikablehnend oder unmusikalisch bezeichnet
werden, wie auch seine Hermeneutik nicht einfach unlutherisch
ist. Daß Bach Ernestis Schriftverständnis nicht teilen
konnte, muß damit noch nicht bestritten sein.

Blumes These "has been widely influential" (16), obwohl sie
sich nicht durchgesetzt hat. Wesentlichen Anteil an der Zerstreuung
der These Blumes hatte gewiß das Bekanntwerden der
Calov-Bibel Bachs mit dessen Eintragungen. Ob freilich die Eintragungen
Bachs in seine Calov-Bibel allein die Gegenthese zu
tragen vermögen, wie der Vf. in der Tendenz seines Buches
meint, muß füglich bezweifelt werden.

Der Abschnitt über das Wiederauftauchen der Bachschen Calov
-Bibel (16-21) trägt in wünschenswerter Ausführlichkeit die
Geschichte ihrer Entdeckung, den erkundbaren Weg der Bibel
nach Bachs Tod vor. So erfährt man z. B.. daß die Bibel zwischen