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Ausgabe:

1991

Spalte:

518-519

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Origenes, Homélies sur Ézéchiel 1991

Rezensent:

Treu, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 7

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können; Spannungen seien daher nicht traditionsgeschichtlich eigentlich gar nicht sein. Hinzu kommt, daß die Texte des Herrn

oder gar literarkritisch aufzulösen, sondern sie hingen damit zu- entsprechend der Zielsetzung der Untersuchung geordnet wer-

sammen, „daß der Autor so schreibt, wie er (und nicht nur er) den und so die Darstellung mit Blick auf ihren Textbezug nicht

reden würde" (17). Die Unmittelbarkeit der Kommunikations- immer übersichtlich ist. Gleichwohl bedeutet das Buch sowohl

Sltuation unterscheide Herrn von den Pseudonymen jüdischen für die Interpretation des Herrn als auch für die Methodendiskus-

°der christlichen Apokalypsen, mit Ausnahme der ApkJoh (104f). sion in der Auslegung frühchristlicher Texte einen wertvollen

m Zuge einer mit reichem Verglcichsmaterial arbeitenden Unter- Beitrag.
Buchung von Herrn VisI l,lf kommt L. zu dem Ergebnis, daß die

0rt'gen autobiographischen Formulierungen keineswegs fiktio- Bethel Andreas Lindemann
"al gemeint, sondern authentisch sind (49). Die Untersuchung

er .Oikos'-Texte führt zu der These, daß das „Haus" für Herrn,

anders als etwa in den Pastoralbriefen, nicht als Modell für die i vgl. R. Staats, Art. Hermas,TRE 15(1986) 100-108 und insbesondere

enieinde zu denken ist, wohl aber als schon weitgehend chri- p. Lampe, Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunder-

st,anisiert: „Die Gemeinde ist auf dem Weg. eine sich ausbrei- tcn. Untersuchungen zur Sozialgeschichte. WUNT 11/18. Tübingen 1987.

tende, alles Nichtchristliche zurückdrängende Gesellschaft zu 71-78. 182-200. Die Studie von Lampe wird von L. erwähnt (S. 9 A 2).

*erden. und dabei gilt das Haus ... als der Ort eines mit Hilfe abcr eine eingehende Auseinandersetzung war offenbar nicht mehr mög-

« nstlicher Tugenden zu gestaltenden Lebens in moralischer licn

einheit" (62). Dazu gehöre dann auch eine gemeindliche Öf-

entllchkejt njcht zu|e(zt mjt dem zid sozia|er Kontrolle (72); 0rigene: Home1ies sur Ezechiel. Texte latin. Introduction, Tra-

" e institutionalisierten Kommunikationsstrukturen der Ge- duetion et Notes. Par M. Borret. Paris: Cerf 1989. 526 S. 8°=

einde [seien], gesamtgesellschaftlich gesehen, Elemente einer Sources Chretiennes, 352. fFr292.-.
^egenöffentlichkeit" (82: es geht m.E. aber vielleicht doch zu

**it, wenn L. den propagierten Sklavenloskauf und die christli- Marcel Borret verdanken wir einen beträchtlichen Teil der Ori-
^"e Gastfreundschaft als Mittel zur Vertiefung solcher sozialen genes-Bände, die bisher in den SC erschienen sind. Von 1967 bis
Kontrolle deutet, 734 A 63: 86 A 141). Das in Simll verwendete 1976 brachte er in fünf Bänden „Contra Celsum" heraus, dann
ild von Ulme und Weinstock deutet L. dahin, daß Herrn hier die 1981 die Homilien zum Leviticus (2 Bände). 1985 die zum Ex-
raxis der römischen clientela in die Gemeinde habe einführen odus. Nun folgen die 14 Predigten zu ausgewählten Abschnitten
°"en; das Bild sei insofern „Krisensymptom und Lösungsver- aus Ezechiel, wie sie in der Übersetzung des Hieronymus erhal-
uch in einem" (126), als hier Reiche gemahnt werden müßten, ten sind. Textgrundlage ist gemäß der Vereinbarung zwischen
1 fen Besitz zugunsten Armer einzusetzen. Das Thema der Skia- GCS und SC wiederum die Edition der Berliner Kirchenväter-
erei spiele im Herrn offenbar deshalb eine relativ geringe Rolle, kommission, hier Band 8 der Origenes-Werke von W. A. Baeh-
. der Autor als Freigelassener die gesamtgesellschaftliche Ge- rens, Leipzig 1925, 318-454. Auf Baehrens fußt der Abschnitt
r'ngschätzung der Sklaverei internalisiert habe (153); überdies über den Text in der kurzen Einleitung, die davor noch die Datieren
Sklaven von den im Herrn verhandelten ethischen Proble- rung der Homilien und die Übersetzungsarbeit des Hieronymus
^en kaum betroffen gewesen, und ohnehin sei denkbar, daß die behandelt.

ahl der Christen aus dem Sklavenstand „vielleicht kleiner Die Leistung Borrets besteht in der französischen Überset-
lvvar]. ais üblicherweise angenommen wird" (155). Bei der Frage zung, die dem lateinischen Text gegenübersteht, und der Kombach
der „Imagination des Weiblichen und der Situation der mentierung. Diese steht in kürzeren oder längeren Anmerkungen
rau - (I56_i9i) untersucht L. zunächst die Sprache des Herrn am Fuß der Seiten sowie in 14 Exkursen („Notes complementai-
m'1 dem durchaus einleuchtenden Ergebnis, daß wahrscheinlich res"), die im Anschluß an bestimmte Stellen Themen zusammen-
(" ,e R°"enbezeichnungen bei Hermas Frauen mit einschlössen" fassend behandeln wie die Häretiker oder Divination, Orakel
'): ebenso sei wahrscheinlich, daß das geschlechtsspezifische und Prophetien. Nützlich sind die den Homilien vorangestellten
Prechverbot (1 Kor 14.34f; 2Tim 2,110 sich in der römischen Zusammenfassungen, in denen die Schwerpunkte der manchmal
emeindenoch nicht durchgesetzt hatte, wie z. B. Vis II 4,3 (Her- breiten Ausführungen des Kommentators deutlich gemacht wer-
as soll eine Abschrift an Clemens und eine an Grapte senden) den,-und die drei Register: Bibelstellen (nebst der einzigen außer-
'8e (172). Die außerchristliche gesellschaftliche Wirklichkeit biblischen Stelle, aus dem Hirten des Hermas). Namen (breit ge-
nirne im Herrn praktisch gar nicht in den Blick und werde je- faßt, umschließt auch Pater, Filius, Scriptura) und Begriffe
ntalls nicht als Objekt möglicher positiver Veränderung wahr- (Index analytique). Die gründliche Vertrautheit Borrets mit dem
nornrnen (214). Im letzten Kapitel stellt L. drei Gemeindeana- Werk des Origenes zeigt sich in den zahlreichen Querverweisen.
- sen vor (VisIII; Sim VIII: Sim IX), in denen Herrn modellhaft Zu den Arbeiten, die er häufiger anführt, gehören die von H.
j^^etische Weisung erteilen wolle: Konformes Verhalten solle Crouzel. H. de Lubac und P. Nautin. Anrührend ist es, wenn Borde
''^S'ert. abweichendes Verhalten benannt und korrigiert wer- ret ein nachdrückliches Urteil artikuliert: „Un grand livre."
. '241). Abschließend stellt L. fest: Daß Herrn „weniger an (459). Er scheut sich aber auch nicht, gelegentlich die Auslegung
fi nr Stab'len a,s an einer integren Kirche interessiert ist, vor- des Origenes zu kritisieren (51, Anm. 5). Ebenso nimmt er zur
'che Wirklichkeit als veränderungsbedürftig auffaßt, sich in Übersetzung des Hieronymus Stellung, der sich seinerseits in
gje als notwendig erkannten Veränderungsprozeß selbst enga- dem aufschlußreichen Vorwort zu seiner Arbeit geäußert hat.

und seine eigene Person in die von ihm vorgetragene Kritik Daß das Französische dem Latein der Vorlage bei allem Abstand

sch eZ'eht' so"te verhindern, in ihm nichts als eine abseitige, be- doch noch nahe steht, zeigt ein Beispiel: Hieronymus will die

We^311^'6 Gestalt zu sehen, die des genaueren Hinsehens nicht simplicitas des Origenes wiedergeben. Das ist bei Borret „simpli-

wäre" (245). cite". Das deutsche Fremdwort Simplizität wäre gesucht und

dje Cr zi,'erte Schlußsatz markiert nun freilich das Problem, das damit unpassend, also müßten wir Schlichtheit oder Einfachheit

dig 8fSarTlte Lektüre des Buches begleitet: Herrn erscheint stän- sagen. Zur Übersetzung als Ganzes sage ich nur, daß sie sich gut

pg" s geradezu aktuelles Zeugnis einer intendierten Kirchenre- liest. Horn. I 12,25 „aedificatio pessima" ist mit „bätiment

Dj 0111 unmittelbarem Vorbildcharakter für die Gegenwart. defectueux" etwas schwach wiedergegeben. Der Bau ist nicht nur

?vv au,ig spezifisch soziologische Sprache des Buches muß fast mangelhaft, sondern ganz schlecht.

angsläufig die Reaktion auslösen, so „modern" könne Herrn Die Homilien gelten nur den Kapiteln 1-2. 13-17. 28 und 44.