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Ausgabe:

1991

Spalte:

515-516

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Altaner, Bertold und Alfred Stuiber

Titel/Untertitel:

Patrologia 1991

Rezensent:

Rohde, Joachim

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515

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 7

516

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Altaner, Berthold, u. Alfred Stuiber: Patrologia. Zycie, pisma i
nauka O. Kosciola. Przelozyt P. Pachciarek. Warszawa: Insty-
tut Wydawniczy Pax 1990. 733 S. gr. S.

Das hier anzuzeigende Werk ist die Übersetzung der 8. Aufl.
der Patrologie von Berthold Altaner in der Bearbeitung von Alfred
Stuiber vom Jahre 1978 in die polnische Sprache. Die Übersetzung
und die redaktionelle Bearbeitung der fremdsprachigen
Bibliographie führte Pawel Pachciarek durch. Wissenschaftliche
Konsultanten waren Wincenty Myszor und Emil Stanula, von
denen ersterer die fremdsprachige Bibliographie der Jahre 1978-
1987 zusammengestellt hat. Beide arbeiten seit langem an der
Herausgabe von Kirchenvätertexten in die polnische Sprache
mit (siehe dazu meine Rezension polnischer Publikationen aus
den Reihen Studia Antiquitatis Christianae und Schriften der altchristlichen
Schriftstellerin derThLZ von 1982, 1983, 1987 und
1988). Die Redaktion lag in den Händen von Henryk Bednarek.

Der eigentliche Text aus der 8. Aufl. der „Patrologie" ist in der
Übersetzung nur ganz vereinzelt verändert worden. Die wenigen
kleinen Ergänzungen stehen in eckigen Klammern. Jedoch sind
sehr tiefgreifende Eingriffe in die Bibliographie vorgenommen
worden. Die deutschsprachige 8. Aufl. enthielt bekanntlich einen
sehr umfangreichen Anhang von Literatur, die seit der 7. Aufl.
von 1966 erschienen war (535-662). Dieser bibliographische Anhang
ist an den betr. Stellen der eigentlichen Darstellung in die
dort bereits vorhandenen Literaturverzeichnisse eingearbeitet
und durch weitere Literatur aus den Jahren 1978-1987 ergänzt
worden. Letztere ist allerdings nur eine Auswahlbibliographie
und erfaßt nur einen relativ kleinen Teil derpatristischen Studien
der letzten Jahre, begrenzt durch die geringen Möglichkeiten der
polnischen Bibliotheken. Während in der deutschsprachigen
Ausgabe die Literatur jeweils nach dem Alphabeth der Verfasser
angeordnet ist, hat die polnische Ausgabe einen chronologischen
Aufbau der bibliographischen Angaben. Das bot in der
Zeit ihrer Vorbereitung vor dem endgültigen Redaktionsschluß
die Möglichkeit, neu bekannt gewordene Literatur noch mühelos
nachtragen zu können. Infolge der umfangreichen bibliographischen
Ergänzungen mußte auch das Abkürzungsverzeichnis von
9 S. in der deutschsprachigen Ausgabe auf 23 S. in der polnischen
Ausgabe erweitert werden.

In der Reihenfolge der „systematischen Bibliographie neuerer
Untersuchungen" (§4) wurde eine Reihe von sachlich begründeten
Umstellungen durchgeführt: Während die Reihenfolge der
bibliographischen Zusammenstellung nach Sachgebieten im §4
der deutschsprachigen Ausgabe ausgesprochen zufällig und regellos
ist, haben sich die polnischen Herausgeber um eine mehr systematisierende
Reihenfolge bemüht, z.B. nach der Zusammenstellung
der Literatur zur Bibelwissenschaft bei den Kirchenvätern
folgen Themenkreise aus der systematischen und praktischen
Theologie wie: Gottes- und Trinitätslehre, Christologie
und Erlösung, Taufe und Firmung, Seelsorge, Katechese und Predigt
, Eschatologie. Ethik und Moraltheologie, Eucharistie usw.

Stärker ergänzt wurde in den §§29 und 30 besonders die Bibliographie
zur gnostischen Literatur, speziell zu den Codices der
Bibliothek von Nag Hammadi. weil gerade zu diesen Themen in
der letzten Zeit eine sehr umfangreiche Literatur erschienen ist.

Aufgefallen ist mir, daß in der polnischen Terminologie der Begriff
„Abendland" nicht vorkommt, d.h., während die Überschrift
des zweiten Hauptteils in der deutschen Fassung lautet
„Die abendländischen großen Väter und Schriftsteller" (353),
lautet diese Überschrift in polnischer Wiedergabe „Die großen
Väter und Schriftsteller des Westens" (472).

Eine sehr starke Erweiterung haben in der polnischen Ausgabe
die Indices erfahren. Während die deutsche Fassung nur einen

einzigen Index von Personen, Schriften und einzelnen Sachbegriffen
enthält (663-672), hat die polnische Ausgabe deren vier:

1. Griechische Termini und Titel von Schriften (685-688).

2. Lateinische Termini und Titel von Schriften (689-702),

3. einen Sachindex, der auch die Titel der Kirchenväterwerke
in polnischer Sprache enthält (703-724),

4. einen Personenindex mit den Namen von Kirchenvätern
und anderen Autoren des Altertums (725-729).

Der Verlag gibt am Schluß seiner Einführung zu dieser polnischen
Ausgabe der Hoffnung Ausdruck, daß dieses Werk den polnischen
Lesern dazu helfen möge, sich mit dem Reichtum des
Denkens der Kirchenväter und mit dem Anfang, der Blüte und
dem Ausgang der frühchristlichen Literatur bekannt zu machen,
die bis auf den heutigen Tag eine der Quellen der christlichen
Kultur darstellte. Diesem Zweck wird das angezeigte Werk zweifellos
zu dienen in der Lage sein.

Berlin Joachim Rohdc

Leutzsch, Martin: Die Wahrnehmung sozialer Wirklichkeit im
„Hirten des Hermas". Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1989. 286 S. gr. 8°= FRLANT, 150. Lw. DM 76,-.

Der üblicherweise zu den Schriften der „Apostolischen Väter"
gerechnete „Hirt" des Hermas (Herrn) ist eine für die Sozialgeschichte
des frühen Christentums zumindest in Rom erstrangige
Quelle'. Das zu besprechende Buch, eine von K. Wengst angeregte
, 1986 in Bochum angenommene Dissertation, bemüht sich
um eine Aufhellung der „Wahrnehmung sozialer Wirklichkeit"
in dieser Schrift. L. geht es also nicht primär um den Versuch, aus
Herrn unmittelbar die gegebenen sozialen Fakten zu rekonstruieren
, sondern er macht die Wahrnehmung selbst zu seinem
Thema. „Auf diesem Weg kann die Gefahr vermieden werden,
mitsamt den Informationen, die die Quellen für sozialgeschichtliche
Fragestellungen bieten, auch deren Perspektiven unkritisch
mitübernehmen zu müssen" (9) - ein methodisch wichtiger Gesichtspunkt
, der in „sozialgeschichtlicher Exegese" antikerTexte
häufig unbeachtet bleibt. L. kommt am Ende zu dem Ergebnis-
daß „bei Hermas gute Ansätze zur Entwicklung einer Kirchensoziologie
" vorliegen; zwar begreife Hermas die christliche Gemeinde
„nicht wirklich als Teil der Gesellschaft" und so fehle
„eine gesamtgesellschaftliche Perspektive", aber solche Kritik
treffe auch die „Avantgarde antiker Gesellschaftstheorie", nämlich
Xenophon und Aristoteles; immerhin gelte, „daß die Wahrnehmung
gesellschaftlicher Wirklichkeit im .Hirten' ein für antike
Verhältnisse beachtliches Niveau erreicht" (244).

Methodisch verfährt L. so, daß er nach einer Einleitung, die die
Irritationen moderner Lektüre des Herrn behandelt, und einer
Untersuchung zum Problem des Autobiographischen im Herrn
den Text auf verschiedene soziologische Aspekte hin durchmustert
: Inwieweit spiegelt die Rede des Herrn vom „Haus" römische
Strukturen (Kap. III)? Was läßt Herrn für sein Verständnis
von Gemeindeöffentlichkeit und gemeindlicher Hierarchie erkennen
(Kap. IV)? Welches Bild hat Herrn vom Verhältnis arm
und reich, von der Sklaverei, von der Situation der Frau und von
der nichtchristlichen Gesellschaft Roms (Kap. V-VIII)? Den
Schluß des Buches bilden, vor dem Literaturverzeichnis (Quellen
, 252-255; Sekundärliteratur, 256-278) und einem Register
der Hermasstellen, eine knappe Zusammenfassung (2440 und
ein Anhang, der die methodischen Probleme bei der Ermittlung
der Größe antiker christlicher Gemeinden beleuchtet (246'
251).

L. übernimmt ohne weitere Diskussion (m. E. wohl zu Recht)
die Annahme, Herrn sei zwischen 100 und 150 in Rom verfaß'
worden. Der Verfasser habe aber keinen literarischen Ansprüchen
genügenden, widerspruchsfreien Text produzieren wollen und