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Ausgabe:

1991

Spalte:

510-512

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Stimpfle, Alois

Titel/Untertitel:

Blinde sehen 1991

Rezensent:

Vollenweider, Samuel

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 7

510

Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf Kap. 3,13-4.6, in dem fiktiven Autor des Briefes gelte ihm als Märtyrerapostel,

em Paränetische. katechetische und liturgische Traditionen ver- doch hätte dies Interesse ebensogut auch zu einem Paulus-

arbeitet würden (8; 10), wobei sich der Verfasser besonders in Pseudonym führen können (554). Auf Paulus als fiktiven Autor

en °°en genannten Versen auf die problematische Situation der werde verzichtet und Petrus statt dessen deshalb gewählt, weil er

dressaten einlasse (11). Bei ihrer Analyse setzt sich die Vfn. sehr römischer Märtyrer war und die Adressaten ebenfalls bedroht

ausführlich mit der Forschungsgeschichte seit der Tübinger seien und mit Leiden zu rechnen gehabt hätten (556)

Schule

des 19. Jh.s auseinander (Das Literaturverzeichnis um- Insgesamt ist das Buch eine interessant zu lesende Arbeit, die

aßt insgesamt 45 Seiten!). Hinsichtlich der Verfasserschaft auf viel Zustimmung stoßen wird. Nur ist sie etwas zu umfang-

°mmt sie zu dem Urteil, daß es zwar Anklänge an die paulini- reich geraten. Es ist zumindest zu fragen, ob ihr Ergebnis nicht

sehe und deuteropaulinische Literatur gebe, jedoch stehe das auch zu erzielen gewesen wäre ohne den gewaltigen terminologi-

cnreiben dennoch unter der Autorität des Petrus (17), wobei sehen Aufwand der synchronen und diachronen Analyse, der von

aber diese Fiktion der Verfasserschaft im Brief weder abgesichert S. 179-565 reicht. Hier wäre nach Meinung des Rezensenten

noch ausgebaut werde (13). doch wohl eine kürzere Fassung möglich gewesen, ohne daß das

^ Die verschiedenen in der Forschung aufgestellten Thesen zum Ergebnis der Arbeit dadurch weniger einsichtig ausgefallen wäre.
^Petrusbrief, z.B. die Interpretationshypothese von Harnack,

"idisch/Preisker und Marxsen werden diskutiert, aber nicht Berlin Joachim Rohde
zeptiert. Gegenüber der sekundären Erweiterungshypothese

lm Kommentar von Windisch/Preisker, daß eine ältere Taufan- _ A1 . _.. .

sPrachp in j .j _ a Stimpfle, Alois: Blinde sehen. Die Eschatologie im traditionsee-

^■aene in einer neuen Situation der Adressaten erweitert worden . . '. , n n , . , °. „ 7

se knrnmu- xre r- ^ . 7 T7 o . . . .. schichthchen Prozeß des Johannesevangeliums. Berlin-New

•Kommt die Vfn. zu dem Ergebnis, daß die Situation in beiden York. de Gruyter 1990 x 324 s gr 8 >_ Beihef( zuf Zeitschn|[

Rieh " "ICht unterschiedllch- also ke,ne Verschärfung in für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der äl-

^ entung von Verfolgungen sichtbar sei. Dennoch sei ein Bild teren Kirche, 57. Lw. DM 112.-.
0n der Situation schwer zu gewinnen, weil der Verfasser Inter-

esj>e daran habe, die Situation zu interpretieren, aber nicht zu be- Die an der Katholisch-Theologischen Fakultät Augsburg eintreiben
. Man könne nicht unterscheiden zwischen hypotheti- gereichte Dissertation widmet sich einem bis heute nicht gelösten
cnen Leidensaussagen für die Zukunft und Leiden als gegen- Problem der Johannesforschung, dem spannungsvollen Verhält-
wärtige Realität. Auch die hinter den Aussagen von Kap. 4,12 nis von präsentischer und zukunftsbezogener Eschatologie. In
Und 5.8f sichtbar werdende Situation erlaube es nicht, hier eine der knappen Einleitung(-5) werden die bisherigen Lösungsmo-
andere empirische Lage erschließen zu können als im übrigen delle für das nahezu beziehungslose Nebeneinander konträrer
r'ef(60f). eschatologischer Aussagen im JohEv vorgestellt und aufgrund
Als Situationsmerkmale bei den Adressaten nimmt die Vfn. ihres „Kompromißcharakters" als unzulänglich qualifiziert: das
IjPannungen zwischen Empfängern und der nichtchristlichen harmonisierende Verständnis, wonach die präsentische nicht
rnwelt an. also Schmähungen und Verfolgungen von Menschen, gegen die traditionelle zukunftsbezogene Eschatologie ausgebe
als Außenseiter empfunden worden seien, die zu Leiden bis spielt werden dürfe (z. B. Blank, Schnackenburg), und das exklu-
ln zu Möglichkeit des Todes auf Grund von gerichtlichen Verur- siv gegenwartseschatologische Verständnis, wonach die zu-
Uungen gegangen seien, jedoch gebe es keine Andeutungen von kunftsbezogenen Aussagen als entweder vor- oder nachjo-
^er'olgungen innerhalb des gesamten römischen Reiches (73). hanneisch (kirchliche Redaktion) problematisiert werden (z.B.
"gleich sieht die Vfn. in der Traditionsverarbeitung durch den Bultmann. Becker). Der Vf. will gegenüber diesen „sowohl - als
utoreinc kritische Auseinandersetzung mit theologischen Fehl- auch" - Lösungen eine neue Hypothese in das Gespräch einbrin-
^ntw'cklungen in der Zeit nach Paulus (515ff). Zeitlich möchte gen, um den gesamten Johannestext (d. h. seine literarische End-
le vfn. den Brief in die Zeit Trajans einordnen, als bereits ein stufe) uneingeschränkt von der präsentischen Eschatologie her zu
^"seinanderdriften zwischen Christentum und nichtchristlicher verstehen (insofern empfinde ich die Arbeit als primär .redak-
mgebung deutlich wurde, das dem römischen Staat insofern ge- tionsgeschichtlich'. während eine Traditionsgeschichte i.e.S.
""'ich gewesen sei, als Trajan an der Stabilität und Einheit des kaum geboten wird). Die Kritik an den beiden herkömmlichen
'ches stark interessiert war (95). Modellen fällt dabei leider erstaunlich knapp aus.
n dem Abschnitt Kap. 3,13-4,6 sieht die Vfn. einen Schlüssel- So ist es denn der zweite ausführliche Teil, auf dem das Haupt-
* xt für die Theologie des 1. Petrusbriefes (144), in dem insge- gewicht der Arbeit ruht: „Analyse der eschatologischen Textse-
Cn secns thematische Linien verbunden seien: Leiden der quenzen und ihres jeweiligen Kontextes" (7-245). Der Vf. legt
nsten und Leiden Christi, Verleumdung durch die Umwelt die folgenden Passagen aus: Joh3 (V.15.16c. 18f.36); 5,24-29;
^nd Verpflichtung auf das Gute, Taufe und Evangeliumsverkün- 11,23-27; 14,2f; 17,24: Nicht behandelt werden die ebenfalls
irn W0De' allerdings die Verkündigung an die Geister kritischen Verse 6,39f.44; 12,48, für welche aber dieselbe Lösung
Un Gefängnis (IPt 3,19) sowie die Anspielung auf die Sintflut wie für die übrigen gelten soll (277 A. 14). Die Bilanz dieser Ex-
die Taufe (1 Pt 3.200 Abschweifungen darstellten (145). Ins- egesen wird kurz und bündig formuliert: „Futurisch-eschatologi-
mt sei Kap. 3,13-18c und 4,1-6 eine Vorbereitung auf ein sehe Aussagen ergänzen in spezifischer Intention die präsentisch-
artyriurn. Zwar sehe der Verfasser die Adressaten nicht pau- eschatologischen Überzeugungen" (2440- Diese spezifische
ü hu d'reKt vorn Martyrium bedroht, doch haiteer die Mög- Intention wird in der literarischen Strategie des gezielten Mißver-
dj Ke>t eines Martyriums für denkbar und halte es für notwen- ständnisses erkannt (hier läßt sich der Vf. von seinem Doktorva-
8^'hnen dafür Orientierungshilfen zu geben (344). ter, H. Leroy, inspirieren): Die zukunftseschatologischen Aussa-
Y r'e ^rsacne dafür, daß Petrus für diesen Brief als der fiktive gen lassen sich als bewußte Irreführung der nicht zum Heil
r asser herangezogen wurde, sieht die Autorin darin, daß es Prädestinierten erklären, die derart wieder auf die Ebene tradi-
tod°n SChf fr"h 'm Urc01"'5161111"11 ein Wissen um den Märtyrer- tionell christlichen Glaubenswissens (bzw. der gnostischen An-
de hdCS Petrus Rom ße8eben nabe- Der Märtyrerapostel sei schauung) absinken, statt sich wie die Erwählten zur Sphäre prä-
der a'b rur einen Rundbrief, den der I. Petrusbrief ja darstelle, sentisch-eschatologischer Wahrheit zu erheben - um mit
des fCe'gnete Vei"fasser, weil er sich sehr intensiv mit der Frage Stimpfles Bild zu reden: die Erwählten stoßen zur semantischen
des rodens der Christen beschäftige und auch mit dem Problem Tiefenstruktur der johanneischen Texte durch, während die Ver-
rodesleidens befaßt sei (5390- Das Interesse an Petrus als worfenen durch die syntaktische Oberflächenstruktur irregeleitet