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Ausgabe:

1991

Spalte:

505-506

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Hansen, G. Walter

Titel/Untertitel:

Abraham in Galatians 1991

Rezensent:

Haufe, Günter

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 7

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eementar pastoral-psychologisches Desiderat. Man vergegen- Gal 1,6, das in zahlreichen Papyrus-Briefen als geläufiger Auswärtige
sich nur die Lebendigkeit und die innere Aufgeschlossen- druck des Tadels (rebuke) begegnet. Der damit eingeleitete erste
eit eines durchschnittlichen heutigen Gemeindechristen in An- Briefteil reicht bis 4,11 und dient als Hintergrund für die Auffor-
etracht der samstäglichen Abend- und Sportschau und seine derung (request) von 4,12, die den zweiten Briefteil mit seinen
^schöpfte Duldermiene im frühen sonntäglichen Gottesdienst, Imperativen bis 6,10 bestimmt. Der Galaterbrief ist daher nicht
H° es doch nicht weniger darum geht, aufgeschlossen und hörbe- mit H.-D. Betz durchgehend als ein "apologetic letter". sondern
re't. wachsam und begeisterungsfähig das Zeugnis der Predigt als ein "rebuke-requcst-letter" zu definieren. Diesem brieflichen
aufzunehmen und das Lob Gottes als Antwort auf die frohe Bot- Anliegen ist nicht nur die autobiographische Argumentation
Schaft zu vollziehen. Wie die Dinge heute liegen und geworden (1,13-2,14), sondern ebenso das Abraham-Argument (3.6-29;
sind, wird die Kirche früher oder später nicht umhinkommen, al- 4,21-31) untergeordnet. Hinsichtlich der rhetorischen Struktur
eir> schon aus seelsorgerlicher Fürsorgepflicht den Samstag ver- überwiegt im ersten von Verteidigung und Anklage geprägten
stärkt in die geistliche Lebensordnung des Christen und der Ge- Briefteil die forensische, im zweiten die deliberative Rhetorik,
feinde einzubeziehen. Es wäre in der gegenwärtigen prekären Den historischen Kontext für die Abraham-Argumentation des
'Nation der schleichenden Aushöhlung sehr wohl praktisch Apostels bildet das Eindringen einer judenchristlichen Theolo-
enkbar und pastoralpsychologisch primär dringlich, den sonn- gie, die ihrerseits die Abraham-Geschichte als Argument für die
a8hchen Hauptgottsdienst in seiner liturgisch und homiletisch Forderung der Beschneidung und der Observanz des Mose-
j'Ollen Gestalt etwa schon am Samstagabend und damit unmittel- Gesetzes benutzt. Im forensischen Briefteil präsentiert Paulus
ar am Übergang zum Sonntag anzubieten. Der traditionelle mit dem Abraham-Argument die biblische Basis seines Evange-
°nntagsgottesdienst wäre natürlich weiterhin in gleicherweise liums, wobei theologisch zwei Nachweise wichtig sind: die Loslö-
arn Sonntagvormittag Ordnung, wenn freilich nun primär für sung der Abraham-Verheißung vom Mosegesetz und die Identifi-
Jg.ne Kirchgänger, denen es leichter fällt, von den televisionären kation der Heidenchristen als Abrahamssöhne. Die Hagar-Sa-
"idrücken und Spannungen des Vorabends abzusehen und rah-Allegorie im deliberativen Briefteil hat ihre Spitze in dem
■ stand zu nehmen. Es kommt schließlich hinzu, daß damit den Imperativ von 4,30, der die Galater zur Absage an die juden-
ragenden Verantwortlichen selbst am ersten gedient wäre, zumal christlichen Eindringlinge auffordert, die ihrerseits die Heiden-
s Positiver Nebeneffekt zu verzeichnen wäre, daß bei solcher Christen als Hagar-Kinderbezeichnen. Die sachlich verwandten
rdnung die ganze Fülle moderner Möglichkeiten und Interes- Imperative 4,12; 4,30; 5,1; 5,13 zielen alle auf die Bewahrung
^en (Gemeindehäuser und Gemeinderäume) zweckmäßiger und der in Christus erlangten Freiheit. Um sie geht es und nicht um
^oneilhafter für einen lebendigen Gemeindeaufbau genützt wer- eine Attacke gegen das Judentum insgesamt. Allerdings führt die
en könnte. Wovon jedoch unter allen Umständen Abstand zu kritische Situation den Apostel zu der in seinen Briefen einmali-
hmen ist, bleibt die durch nichts gestützte Annahme und gen Gleichsetzung von Heidenchristen mit dem „ Israel Gottes"
osttäuschung. der moderne mitteleuropäische Sonntagsgot- (6,16). Das eigentliche Problem ist nicht ein legalistisches, son-
dienst sei im eigentlichen Sinne schon die Erfüllung der Iitur- dem ein nationalistisches, die geforderte Eingliederung der Heimchen
Praxis der ältesten Gemeinde und vielleicht gar allein die denchristen in die jüdische Nation. Paulus widersteht ihr gerade
c»gemäße Umsetzung der neutestamentlichen Erfahrung und so, daß er mit Hilfe der Abraham-Geschichte die Bundesprivile-
^ es biblischen Gebotes. Auch die urchristliche Sonntagsfeier gien und die Bundesverpflichtungen der galatischen Hcidenchri-
„gs'crl in Wahrheit in der Nacht zum Sonntag und nicht erst sten aufzeigt.

arn Sonntagvormittag zwischen 9.30Uhr und 11 Uhr. Kurzum; „Anhänge" behandeln Spezialfragen: den Gebrauch der Abra

er moderne europäische Sonntagsgottesdienst ist weder theolo- ham-Tradition durch die Gegner, das Bild Abrahams in der jüdi

S'sch-biblisch noch praktisch-konkret, geschweige denn pasto- sehen Literatur, Paulus und die jüdische Exegese. Sie erhellen allt

Psychologisch einfühlsam und missionarisch-effektiv. Er ist ein Stück weit die paulinische Abraham-Argumentation, zeiger.

V~6 ,8evvordene Ordnung, aber er ist nicht schon der biblischen aber auch indirekt, daß das Verstehen der Funktion und Struktur

Vf.s

^isheit letzter Schluß. Es bleibt zu hoffen, daß die Arbeit des dieser Argumentation letztlich ohne briefliche und rhetorische
ein Gespräch auslöst, das ebensosehr dem jüdisch-christ- Analysen nicht zu haben ist.

en Dialog wie der eigenen Selbstkritik zum Nutzen gereicht. Insgesamt zeichnet sich die vorgestellte Arbeit durch eine sehr

saubere, nicht einlinig festgelegte Methodik aus, die in die DisJerusalem
August Strobel kussion um den Galaterbrief neue Differenzierungen einbringt.

Ihre Ergebnisse zur historischen Exegese sind natürlich nicht
durchgehend neu. Daß man Gal 4.30 als konkreten Imperativ an
Neues Testament die Galater verstehen kann, hat schon Th. Zahn gesehen. Zur

Briefstruktur bleibt m. E. vor allem die These problematisch, daß

Ha"sen. G. Walter: Abraham in Galatians. Epistolary and Rheto- T Gal 4;12 ei" neuer buefnnU °ie TaLsache' daß hier

"cal Contexts. Sheffield: JSOT 1989. 324 S. 8 - Journal for the der erste ImPeratlv erscheint, rechtfertigt diesen Einschnitt noch

btudy of the New Testament. Suppl. Series 29. Lw. £ 23.50. nicht- Die Fortsetzung 4,13-20 blickt erneut zurück und nicht in

die Zukunft, wie man andernfalls erwarten möchte.

Zahlreiche SpezialStudien in den 80er Jahren haben den Ge- Leider finden sich in dem Buch nicht wenige Druckfehler.
rauch der Abraham-Geschichte im Galaterbrief zu klären ver-

nt-Ihre z.T. sehr divergierenden Ergebnisse waren für die hier Greifswald Günter Haufe
"zeigende, bei R. N. Longenecker in Toronto gearbeitete Dis-
P ation Anlaß genug, auf eine methodisch neuartige Weise die

CS0" dKCS Abraham-The"las im Gesamtrahmen des Galater- Rm Eckhar& Reden ^ Vo||macht Hintergrund. Form und An-
durch h best,mmen- der vf' erhofft slcn den neucn Zu8an8 liegen der Gleichnisse Jesu. Göttingen: Vandenhoeck & Ru-
gan ,e Anal> sederbnenichenundrnetonschenStrukturdes precht 1990. 434 S. gr. 8 = FRLANT.,149. Lw. DM 148,-.
k Briefes (Teil I) und speziell der thematisch wichtigen Abbitte
Gal 3.6-29 und 4.21-31 (Teil II). Die Hamburger Habilitation von 1987 bemüht sich um einen
le Formbestimmung des Briefes gründet sich auf das in kei- neuen Zugang zur Deutung der Gleichnisse Jesu, der bisherige
anderen Paulusbrief vorkommende Wort thaumäzö in Versuche würdigt und im Blick behält. Nachdem Joachim Jere-