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Ausgabe:

1991

Spalte:

497-499

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Patrick, Dale

Titel/Untertitel:

Rhetoric and biblical interpretation 1991

Rezensent:

Herrmann, Wolfram

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 7

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hat. der den seit 1614 hier befindlichen Marmortaufstein krönte Die Autoren betonen weiterhin, die Nachfolger Muilenburgs
und seit der Völkerschlacht immer mehr zerbrach und verloren hätten sich auf den uns überkommenen Text konzentriert und
8'ng- Nicht nur er. sondern auch ein Vorbesitzer und Mitglieder nicht die ihn aufbauenden Teile in den Blick genommen, weil
semer Familie haben ihre Namen in diese Bibel eingetragen. Quellen-. Form- und Traditionskritik oftmals nur analytisch ge-
Erwähnt muß werden, daß der Grundstock der Stuttgarter Bi- handhabt worden seien. Dadurch sei das Gespür für die Hörerbebelsammlung
auf die des Pfarrers an der deutschen Gemeinde in Ziehung im vorliterarischen Stadium verlorengegangen.
Kopenhagen, Josias Lorck. zurückgeht, ein Name, den man auch Zurückgewiesen wird seitens der Verfasser die Ausklammerst
in Büchern des Altbestandes der WLB findet. Herzog Karl rung der subjektiven Beteiligung des Interpreten. Die gelehrte
Eugen von Württemberg erwarb diese Sammlung 1784, zwei Distanz zum biblischen Text wird als nötig zu seiner gründlichen
Jahre später die des Nürnberger Pfarrers Georg Wolfgang Panzer Erforschung anerkannt. Ebenso wesentlich sei jedoch das Begeh-
'dessen fünf Bände Literaturgeschichten der deutschen Bibel ren, die jeweilige Einheit als persönlich ansprechend zu verste-
1777-1781. seit 1968/1971 wieder im Reprint vorliegend, auf hen. Beides müsse einander unterstützen, indem man die Erfor-
der Grundlage seiner Sammlung entstanden sind; Titel: S. dernisse der beiden Aspekte ausbalanciert und integriert.
*XVI). Diese und wertvolle Exemplare von Frühdrucken aus Sä- Es werden dann Beispiele vorgeführt gemäß der Fragestellun-
kularisationsgut sowie aus Ankäufen bilden den Rahmen der gen nach den oben abgesteckten Grundsätzen. Dabei betreffen
Sammlung in Stuttgart. Mit dem vorliegenden Katalog die die Kapitel in einem ersten Teil Fragen, welche die Forschung
Sammlung auch einem weiteren Benutzerkreis erschlossen zu bisher beschäftigten. Das belangt die Erzählung generell an. die
haben, ist das Verdienst der Württembergischen Landesbiblio- Geschichtserzählung einschließlich des Problems der histori-
(hek und vor allem des Bearbeiters S. Strohm und seiner Mitar- sehen Wahrheit und die Sphäre des Rechts mit dem Schuldauf-
beiter. Im übrigen ist der Band verlagstechnisch hervorragend weis in den Erzählungen und den Schriftpropheten. Viele Stücke
ausgestattet und lektoriert; bei einem derartigen Unternehmen des Alten Testaments fallen freilich nicht unter diese Klassifika-
^e>ne einfache Aufgabe! Bisherfiel mir ein Fehler auf: auf S.IL tion.

muß es Georg Wolfgang Panzer heißen. Man muß die Folgebände In einem zweiten Teile befassen sich die Autoren mit der Ge-

mit Spannung erwarten. schichte der Interpretation. Es heißt, wenn man soviel wie möglich
aus einem Text gewinnen wolle, sei es notwendig. Normen

Leipzig Martin Pctzoldt und Kriterien zu haben, um urteilen zu können, ob ein Text das

sagt, was die Interpreten darin finden. Die Erklärung dürfe durch
die Anwendung der eigenen Denkweise nicht dazu führen, daß

AlteS Testament dem biblischen Buch seine Wirkung genommen wird. Im Gegenteil
müsse die Auslegung von persönlicher Betroffenheit getragen

P;itri,-L i j ... , . sein. Das Schriftwort dürfe man nicht dominieren, vielmehr

ainck. Dale and Allen Scult: Rhetonc and Bibhca Interpreta- . . .. , , „ w (a r^, m™ -r . ■■.

tinn ?i,0rr;„i^ ai~ jmrvn ni c o* i ir ,u c. ^ müsse man sich ihm unterstellen. Weiter liest man. ein Text so te

"on. Sheffield: Almond 1990. 171 S. 8 = Journal forthe Study , , . , ,

of the Old Testament. Suppl. Series 82. Bible and Literaturc Sc- als der beste- der er se,n kann' werden- Und dann wird

r'es. 26. Lw. £ 22.50 dargelegt, wodurch ein Text der beste sei, nämlich durch compre-

hensiveness, consistency, cogency, plcnitude und profunditv.

Die Autoren gehen von der Beobachtung aus. daß die Formkri- Das ist wahrhaftig eine anspruchsvolle Liste. Immerhin findet

•j» im Bereich der alttestamentlichen Wissenschaft dahin ten- der Leser den Satz, kein Interpret könne sicher sein, daß der beste

d'erte. zur Schulweisheit zu werden, wodurch der Blick für die in- Text von ihm gefunden wurde (137). Die Verfasser erläutern ihre

d'viduelle Art einer jeden Passage verlorenzugehen drohte. Alle Auffassung am Beispiel des Buches Hiob. Die Kapitelüberschrift

■"scheinungen seien in Traditionen eingepaßt und die Einzeläus- bietet dazu ein Wortspiel, denn sie lautet "Finding the best Job",
serungen formelhaft gedeutet worden, wobei sich alles einer Gat- Um den sogenannten besten Text des Hiobbuches zu erreichen.
tung fügen mußte. Dem stellen sie ihre Weise des Verstehens ent- werden zunächst philologische und einleitungswissenschaftliche
Segen. Die Begrifflichkeit und Erkenntnis gehen auf James Mui- Fragen gestellt, wobei auch auf die Gattungsproblematik einge-
enburg zurück, der die vor ihm geübte Stilkritik als 'rhetorical gangen wird. Dann wendet sich die Erörterung Fragen des Ver-
Cri,icism* bezeichnete. Ein adäquater deutscher Ausdruck läßt ständnisses, das Gesamtwerk angehend, zu, das so viele Unebenen
schwer finden, will man nicht die unschöne Wortbildung heiten aufweist. Der zusammengesetzte Charakter des Buches sei
Kcdekunstkritik' gebrauchen. Sachlich handelt es sich bei dem anzuerkennen. Seine Bedeutung liege aber in der abschließend
s° benannten Interpretationsverfahren um die Beachtung der erreichten Gestalt.

°nkreten Besonderheit jeder textlichen Einheit. Die Autoren zi- Das sechste Kapitel geht auf Gen 1-3 ein. Darin komme deut-

''eren Muilenburg mit den Worten: "Persistent and painstaking lieh der Wille zur Macht zum Ausdruck. J stelle Gottes Macht in

attention to the modesof Hebrewliterary composition will reveal der Beziehung zum Menschen dar durch den Konflikt zwischen

3t the pericopes exhibit linguistic patterns, word formationsor- Jahwes Autorität und dem freien Willen des Menschen. P die

ered and arranged in particular ways, verbal sequences which Macht der Urheberschaft, weniger die Schöpfung selbst. Beide

'fiove in fixed struetures from beginning to end". Freilich dürfe Quellcnstücke ergänzten einander. Sie bildeten im Hegeischen

J^an die Methode nicht auf Stileigentümlichkeiten beschränken. Sinne eine Einheit in Opposition. Das Kapitel endet in herme-

as Entscheidende liege vielmehr in der Vermittlung eines Tex- neutischen Überlegungen. In Gen 1-3 spiegele sich einerseits die

s an die Hörer, um ein Ziel zu erreichen. Sei es auch schon mit Erfahrung jedes werdenden Menschenwesens und zum anderen

per Frage nach dem Sitz im Leben sowie der Unterscheidung von leiteten sich von da soziale und politische Machtverhältnisse ab.

°rm und Funktion gegeben gewesen, so habe man das Typische Im letzten Kapitel werden Fragen der Theologie des Alten Te-
h°ch generalisiert. Wichtig sei aber die Sprecher-Hörer-Bezie- staments behandelt, dabei die Tatsache der Vielgestaltigkeit der
"ig und die Erkenntnis dessen, wie eine Äußerung wirksam Stimmen. Der Kanonisierungsprozcß habe deren Ausgleich hererden
solle. Das Formale sei lediglich das Instrument, das der gestellt, einsetzend sehr früh im Zuge der Überlieferung. Dazu
^Precher benutzt, um zu seinem Ziel zu gelangen. Die Gattung heißt es, die Träger der alttestamentlichen Traditionen form-
s jeweiligen Abschnittes sei der Schlüssel für das darin enthal- ten sie so, damit sie als eine in sich geschlossene Botschaft von
ene Wort, das notwendigerweise erhoben werden müsse, ohne Gott gelesen werden sollte. Die Autoren der Werke hätten die
ein auf die Beschreibung der Gattung beschränkt zu bleiben. Autorität der Tradition über ihre individuellen Werke