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Ausgabe:

1991

Spalte:

28-29

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wright, Benjamin G.

Titel/Untertitel:

No small difference 1991

Rezensent:

Sauer, Georg

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 1

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Zum zweiten ist eine Grundschicht zu identifizieren, die Texte
umfaßt, die zwischen 520 und 515 v.Chr. von Tritojesaja, einem
Schüler des Deuterojesaja, formuliert wurden: 57,14-19*; 58,3-12;
59,1-15a*; 60,1-18*; 61,1-4.5-6.7-9 [?]; 62,1-7.8-9* 10-12;
65,16b—24; 66,1-2.7-9.10—14a. Die brennende Frage nach dem von
Deuterojesaja verheißenen, nun aber scheinbar doch ausbleibenden
Heil beantwortet dieser Prophet mit einer deutlichen Erneuerung der
Heilshoffnungen (vgl. z. B. 60,1-18). Allerdings muß er diese Hoffnungen
radikal von allen jetzt gegebenen Bedingungen absetzen. Er
unterscheidet deshalb Gegenwart und Zukunft in qualitativer Weise.
„Die jetzige Zeit erscheint als Zeit der Finsternis, der Trauer und des
Elends. Die Zukunft hingegen soll eine Zeit des Lichts, der Freude und
des Wohlstands werden" (220). Als Grund der unbefriedigenden Lage
in der Gegenwart benennt der Prophet das Unrecht im sozialen
Bereich (vgl. z. B. 58,3-12). Vielleicht spielen solche Texte auf konkrete
soziale Spannungen in der Gemeinde an. Dabei wird klar, daß
sich der Prophet für die Unterdrückten einsetzt (217). Interessant ist,
daß für Tritojesaja auf dem Weg zum Heil der Tempel keine Rolle
spielt. Im Gegenteil: Ausgehend von schöpfungstheologischen
Erkenntnissen lehnt der Prophet den Tempelbau ab (vgl. 66,1-2):
„Jahwe, dem Gott, der im Himmel thront und dessen Fußschemel die
Erde ist, der alles erschaffen hat und dem folglich alles gehört, ein
Haus zu bauen, wäre Unsinn" (S. 219).

Diese so kurz zu charakterisierende Prophetie, die das Heil von
einer neuen Zeit erwartet, nachdem alles Unrecht beseitigt wurde, ist
wohl gegen Ende des 5. Jh. v. Chr. (223) von einem Redaktor verwendet
worden, um mit eigenen Texten das Tritojesajabuch überhaupt
erst zu schaffen. Dabei hat er kleinere Einheiten verfaßt und eingesetzt
, um das Gesamtwerk zu strukturieren: 51,1; 56,2 + 57,1 f +
57,20f; 58,lf+ 59,15b-20* + 63,1-6; 66,5f+ 66,14b-17*; 57,13b;
60,21; 61,10f; 65,16a. Auf diesem Wege erreicht er eine beeindruckende
Struktur seines Buches: In jedem Hauptteil stehen sich
die beiden Gruppen des Gottesvolkes gegenüber, die der Redaktor
meint erkennen zu können - er selbst und seine Anhänger, sowie seine
Gegner als Gottlose - 56,2-57,21; 58,1 -63,6; 63,7-66,17. Außerdem
hat der Redaktor einzelne längere Texte verfaßt (56,3-8; 57,3— 13a*;

65.1- 7*; 65,8-15*; 66,18-22*), von denen der letzte als Schlußtext
des ganzen Buches gemeint ist (2130- Genau dieser, vom
Redaktor/Verfasser des Tritojesajabuches intendierten Struktur folgt
auch der Vf. bei der Gliederung seiner Interpretation (56,1 -S. 11-15;

56.2- 57,21 - S. 15-58; 58,1-63,6 - S. 59-157; 63,7-66,17 -
S. 157-208; 66,18-24 - S. 208-214). Schließlich stammen vom
Redaktor noch kleinere Zusätze (56,11 a/f.b; 57,17-18aa; 58,13f;
59,13a; 60,6by?.7b.9b.l0b.l3b; (>23&ß.bß 66,30- Mit diesem Buch
will er als „schriftgelehrter Prophet" (233) eine Fortschreibung des
Deuterojesajabuches verfassen. „Während bei Tritojesaja alles um die
Frage nach dem Ausbleiben des Heils kreist, beschäftigt sich der
Redaktor mit der Frage, wer an diesem Heil partizipiert. Seine
Antwort lautet: Das Heil kommt nur zu den Gerechten, die Sünder
wird Jahwe grausam vernichten" (234). Für diese Zeit der
Entscheidung betont der Redaktor vor allem das Unheil, das den
Gegnern Gottes (die auch seine Gegner sind) angekündigt wird (vgl.
65,11-14). Eine besondere Rolle spielt dabei das Verhältnis zu den
Ausländern. Ihre Integration, nicht die Abgrenzung von ihnen,
sollte nach Meinung des Redaktors gelingen (vgl. 66,18-22). Damit
engt der Redaktor die nationalistische Heilserwartung Tritojesajas
einerseits partikularistisch ein, indem er das Heil nur für die gerechten
Israeliten erwartet, weitet sie andererseits aber auch universalistisch
aus, indem er auch für Fremde das Heil gelten läßt (237). Kritische
Positionen können gegen diese konsequent und präzise vorgehende
Arbeit eigentlich nur über die Diskussion ihrer Methodik vorgebracht
werden. Über diese gibt der Vf. gleich zu Beginn in knapper Form
Rechenschaft (7-10): Am Anfang steht die Analyse der Einzeltexte. In
einem zweiten Schritt sind die Ergebnisse dieser Analysen miteinander
in Beziehung zu setzen, so daß Schichten des Textes in den Blick
geraten. „Daß es bei derartigen literarkritischen Fragestellungen keine

objektiven Entscheidungskriterien gibt, muß zugegeben werden. Die
subjektive Ansicht des jeweiligen Exegeten ist... kaum auszuschalten
" (7). Deshalb benennt der Vf. einige Kriterien für seine Arbeit,
von denen besonders die hervorgehoben werden sollen, die für die
Zuordnung verschiedener Texteinheiten zu einem Verfasser erfüllt
sein müssen: Das Kongruenzkriterium schließt deutliche Spannungen
für die Texte desselben Verfassers aus. Das Signifikanzkriterium fordert
ein hohes Maß an Besonderheit und Ausschließlichkeit der für
einen Verfasser behaupteten typischen Formulierungen oder Anschauungen
. Das Explikationskriterium verweist darauf, daß auch signifikante
Parallelität wirklich nur durch die gleiche Verlässerschaft
erklärbar sein darf. (7f).

An einem Beispiel sei hervorgehoben, daß der Vf. diese Kriterien entschieden
anwendet und dann dennoch ein Fehler stehengeblieben ist:
Obwohl auf S. 183-189 wahrscheinlich gemacht werden kann, daß
66,1-2 von Tritojesaja selbst stammt, fehlt auf den S. 207.215.239 bei
den Aufzählungen der Hinweis auf diese Stelle. Dagegen hatte der Vf.
auf S. 187f gerade bei Anwendung des Signifikanzkriteriums den Hinweis
auf Tritojesaja als Verfasser erarbeitet: Das Motiv des Schöpfergottes
, der Leidenden hilft, ist nicht eindeutig genug. Aber die genaue Terminologie
im Zusammenhang der Bezeichnung des Leidenden und die
tempelkritische Spitze des Textes erinnert an Jes 58 und macht so die
Verfasserschaft des Tritojesaja wahrscheinlich.

Hervorzuheben ist der Anhang, der eine nach Schichten gekennzeichnete
Ubersetzung des Textes des Tritojesajabuches bietet (übrigens
noch einmal als Sonderheft, so daß bei der Arbeit der Text leicht
verglichen werden kann) (241-258). Hier ist 66,1-2 als Tritojesajatext
kenntlich gemacht. So allerdings auch 61,7-9, obwohl es nicht eindeutig
Tritojesaja zugeordnet werden konnte (115-118; vgl. 215.239).
Diese Übersetzung gibt außerdem den besten Überblick über die noch
erkennbaren, nach der Hand des Redaktors angefügten Glossen:
57,6b/».19b; 59,5-8.21; 60,12.19.22; 63,7b/?. 19b/?; 64,la.2b;
65,7bj?. 15a/?.25; 66,13b/?. 16 b/?. 19a/?.20a/?.b/?.23-24.

Ein Literaturverzeichnis (259-268) und Register (269-275)
beschließen diese wesentliche Publikation, an der keine Arbeit zu Tritojesaja
mehr wird vorübergehen können.

Leipzig Rainer Stahl

Wright, Benjamin G.: No small difference. Sirach's relationship to its
Hebrew parent text. Atlanta, GA: Scholars 1989. XX, 354 S. 81 =
SBL. Septuagint andCognate Studies,26. Kart. $ 12.95.

Der Titel des Werkes ist aus der vom Enkel des Jesus Sirach
geschriebenen Vorrede zur Übersetzung der hebräischen Vorlage ins
Griechische genommen. Damit zeigt B. G. Wright an. wie ernst er die
Problematik nimmt, der er mit den modernsten Hilfsmitteln des
Computereinsatzes nachgeht. Ohne diese Arbcitshilfsmittel wäre eine
so komprimierte Untersuchung nicht möglich gewesen. Sie gibt das
Resultat einer Ph. D.-Dissertation von der University of Pennsylvania
wieder.

In der „Introduction" (Chapter 1: 1-18) werden einige Daten aus
der hebräischen und griechischen Textgeschichte des Jesus Sirach in
Kürze und korrekt widergegeben. Schon hier wird auf die Intention
vorliegender Untersuchung hingewiesen und der Gang der Darlegungen
erläutert.

So folgt in einem ersten Teil (Chapter 2: 19-118) eine eingehende
Auseinandersetzung mit der Übersetzungstechnik des Enkels:
"Aspects of translation technique in Ben Sira: Freedom, literalncss.
and the reconstruetion of the Hebrew". In vierfacher Weise wird diese
Technik untersucht und statistisch aufgearbeitet: a) bezüglich der
"word order" (35-54), b) bezüglich der "segmentation of Hebrew
words" (55-67), c) bezüglich der "quantitative representation of the
Hebrew parent text" (67-91) und d) bezüglich der "consistency of
lexical representation" (91-112). Die Ergebnisse sind mit viel Material
erarbeitet und mit reichem Tabellenmatcrial belegt. Dabei ist sich