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Ausgabe:

1991

Spalte:

477-478

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Yu, Suk-Sung

Titel/Untertitel:

Christologische Grundentscheidungen bei Dietrich Bonhoeffer 1991

Rezensent:

Yu, Suk-Sung

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 6

478

aus für den Personbegriff resultierenden Konsequenzen. Dabei den christologischen Ansatz als Grundmotiv der Theologie Bon-

w'rd den Entwürfen besondere Beachtung geschenkt, die im An- hoeffers. Christus ist das Zentrum in Bonhoeffers Leben und

Schlußan K. Rahner von der „Identität "von „immanenter" und Werk. Die Theologie Bonhoeffers ist also von Anfang bis Ende

• ökonomischer" Trinität ausgehen (Pannenberg, Jüngel, Molt- durch und durch christozentrisch und christokratisch.

mann). Die Christologie ist bei Bonhoeffer der Leitfaden und das

Das Verständnis der trinitarischen Personen als „Subjekte" durchgängige zentrale Thema seiner Theologie. Im Zusammen-

muß sich in seiner Tragfähigkeit daran erweisen lassen, ob es die hang mit der Christologie lauten die wichtigsten Begriffe: Stell-

neutestamentlichen Aussagen vom Heiligen Geist aufzunehmen Vertretung Christi, theologia crusis, Nachfolge und Kreuz. Chri-

vermag Desna|b geh( ejn exegetischer Abschnitt kritisch der Be- stuswirklichkeit, Dasein-für-andere.

Gründung der Subjektivität des Geistes bei J. Moltmann und W. Bonhoeffers theologisches Schaffen ist in drei Perioden einzu-

pannenberg nach. teilen. 1. Akademische Zeit von 1927 bis 1931/32, 2. Kirchen-

In Auseinandersetzung mit Aussagen D. Henrichs zum philo- kämpf von 1932/33 bis 1939/40 und 3. Widerstand und Haft von

sophischen Personbegriff wird dann verdeutlicht, daß in diesem 1939/40 bis 1945.

ereich das Gespräch zwischen Philosophie und Theologie uner- Die erste Periode versteht Christus als Offenbarungsrealität

aß'ich ist. Die Theologie darf nicht den modernen Personbegriff der Kirche. In dieser Periode versucht Bonhoeffer durch Unter-

m,t einzelnen seiner Momente verwechseln. Sie muß vielmehr suchung der Kirchensoziologie das Verhältnis von Christus und

Prüfen. welche dieser Momente sich mit ihren Anliegen treffen Kirche zu bestimmen. Bonhoeffer verfaßt in dieser Zeit die be-

Und welche für die trinitätstheologische Begriffsbildung unange- rühmte Formel: „Christus als Gemeinde existierend". In dieser

messen sind. Zeit sind bei Bonhoeffer Christus und Kirche eng miteinander

. 'm Blick auf die Bestreitung des Verständnisses Gottes als verbunden. Aus dieser engen Verknüpfung von Christus und Kirmes
„Subjektes" in der gegenwärtigen Debatte (Moltmann, che ergibt sich die Gefahr, daß eine Identifikation von Christus

annenberg) wird gezeigt, daß die dieser Bestreitung zugrunde- und Kirche erfolgen könnte.

le8ende Annahme der Konvergenz zwischen dem Personbegriff In der zweiten Periode wird Christus als Herr der Kirche ver-

es klassischen trinitätstheologischen Dogmas und dem moder- standen. Hier hängen Kirche und Christus noch zusammen, aber

nen Personbegriff kritisch hinterfragt werden muß. Solche Be- nicht wie in der ersten Periode, wo Christus mit der Kirche iden-

streitung geht mit einer Kritik an dem Personverständnis der tifiziert wird, sondern Kirche ist der Ort, der Ruf. die Nach-

"^estlichen" Trinitätslehre einher, die wesentlich Kritik am Ge- folge Christi, Gehorsam des Glaubens, Kreuz Christi. Kirche ist

pänken der Ursprungsrelationen ist. Die Arbeit versucht diese in Christus „die einzige Vermittlung zu Gott, zum Nächsten und

r°t>lemste!lung zu differenzieren, indem sie zwischen der Be- zur Welt, die allein durch ihn und auf ihn hin erschaffen und um

I^chtigung des Gedankens der Ursprungsrelationen und dem seinetwillen erhalten ist". Ausgangspunkt ist der gekreuzigte

eologumenon von der „simplicitas Dei" unterscheidet. Es Christus. Die Welt ist nachfolgende Kirche, sofern sie den Weg

leh^' S'°^ C'3^ konsequent relationales Denken in der Trinitäts- des Leidens Christi mitgeht.

re das Verständnis Gottes als eines trinitarischen „Subjektes" In der dritten Periode wird Christus nicht nur als der Herr der

lcht ausschließt. Kirche, sondern auch als der Herr der Welt verstanden. Bonhoef-

^ Diese Einsicht bestätigt sich bei genauer Untersuchung des fer hat während dieser Zeit durch Inkarnation und Kreuz Christi

erhältnisses zwischen den Begriffen der „Person" und der „Re- die Wirklichkeit und die Weltlichkeit entdeckt. Bonhoeffer

ion". Die Arbeit plädiert für die Identifikation der trinitari- macht deutlich, daß Christus und Welt untrennbar miteinander

en Personen mit ihren Relationen. Dieses Verständnis muß verbunden sind. Christuswirklichkeit ist Gotteswirklichkeit in

le 'dentifikation von Gottes Wesen und Existenz nach sich zie- der Weltwirklichkeit. In Christus ist es möglich, „Gott und Welt

n- mit der Gottes Sein als Liebe gedacht wird (E. Jüngel). mit demselben Blick" ins Auge zu fassen. In Jesus Christus ver-

^ Abschließend folgen Erörterungen zum relationalen Verständ- söhnt Gott die Welt und begegnen sich Gotteswirklichkeit und

ls Gottes als des einen trinitarischen „Subjektes". Die Bezeich- Weltwirklichkeit,

ng der trinitarischen Personen als „Subjekte" wird als mißver- Christliches Leben ist weltliches Leben, „das Leiden Gottes an

ndlich erkannt, weil sie nichts über die im Personbegriff der gottlosen Welt mitzuleiden". Glaube bezeichnet „das Teil-

'Zudenkende spezifische Einheit Gottes aussagt und somit der nehmen am Leiden Gottes im weltlichen Leben". Zusammenge-

"tpersönlichung des Begriffes des Wesens Gottes nicht hinrei- faßt: In der ersten Periode ist Christus Offenbarungsrealität der

^nd wehrt. Kirche, in der zweiten Periode ist Christus Herr der Kirche und

kö Charakteristika des trinitätstheologischen Personbegriffes in der dritten Periode ist Chrsitus nicht nur Herr der Kirche, son-

tr.nnen die Liebe. Freiheit. Sprachlichkeit und Erkenntnis der dern auch Herr der Welt.

nun'tar'Schen Personen bestimmt werden. Mit der Kennzeich- Was hat sich in Bonhoeffers Christologie durchgehalten, und

n8 dieser Charakteristika sind zugleich Anliegen aufgenom- was hat sich geändert?

n-denen die abgewiesene Bezeichnung der trinitarischen Per- 1. Durchgehalten hat sich der Gedanke der inklusiven Stendals
„Subjekte" Rechnung tragen möchte. Vertretung Christi und ihre soziale Dimension. Weil Christus
^ >e Arbeit zeigt, daß besonders im Bereich der Trinitätslehre „für andere da ist" sind andere schon „in ihm". Damit wird die
s °8üchkeiten zur Intensivierung des Dialogs zwischen briti- Ekklesiologie zu einem integrierten Teil der Christologie. bzw.
gro^r und deutschsprachiger Theologie gegeben sind, da hier ein Christologie ist für Bonhoeffer immer schon ekklesiologische
es Maß an Gemeinsamkeit in der Fragestellung konstatiert Christologie.
er enkann. 2. In der „Ethik" und in „Widerstand und Ergebung" wird

diese Christologie zu einer kosmologischen Christologie und zu
einer kulturkritischen, auf die säkulare Neuzeit angewendeten

l' .suk-Sung: Christologische Grundentscheidungen bei Die- Christologie ausgeweitet. Dabei steht in der „Ethik" die Inkarna-

r,ch Bonhoeffer. Diss. Tübingen 1990. 270 S. tion Gottes und in „Widerstand und Ergebung" das Leiden Got-

jy tes im Zentrum. Bei diesen Universalisierungen gehen die escha-

lu 'e Vor|iegende Arbeit hat sich als Ziel gesteckt, die Entwick- tologischen und apokalyptischen Horizonte der Christologie

h0el?escnr'stologischen Grundgedankens in der Theologie Bon- verloren und mit ihnen die polemischen Widersprüche zwischen

ers zu untersuchen. Darüber hinaus untersucht diese Arbeit der Christuswirklichkeit und der säkularen Weltwirklichkeit.