Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | 1991 |
Spalte: | 26-28 |
Kategorie: | Altes Testament |
Autor/Hrsg.: | Koenen, Klaus |
Titel/Untertitel: | Ethik und Eschatologie im Tritojesajabuch 1991 |
Rezensent: | Stahl, Rainer |
Ansicht Scan: | |
Download Scan: |
25
Theologische Literaturzeitung I 16. Jahrgang 1991 Nr. 1
26
'olgen: .Der Text im Kontext' erzählt meist den Zusammenhang in nur der Jude, der auf die Geburt des .Kindes' noch wartet. . . Auch der
der hebräischen Bibel, Redaktorebene, keine Quellenscheidung! Christ, der in der Geburt .seines' Kindes den Beginn eschatologischcr
Unter .Leitwort des hebräischen Textes' werden Wortbedeutungen Erfüllung erkennt" (ebd. 155). „Wann und in welcher Form alles
erklärt, jüdische Ausleger nebeneinander zitiert, auch evangelische geschieht, weiß Gott allein", (ebd.) Eine analoge Beschreibung des
Theologen, von Rad, Wildberger. Im Abschnitt .Der Text in der Nebeneinanders steht Bd. 3, 151: „Jes 11,1-9 ist bisher nicht
Exegese' wird die Auslegungsgeschichte gegenwärtig (s. u.). Die .Weg- erfüllt. . . Ein Blick in die Tagespresse genügt. . . Der Christ weiß in
Weisung für unsere Zeit' zieht die ethisch verpflichtende Folgerung für seiner Glaubensüberzeugung, daß für ihn das .Reis aus Isais Strunk'
die Gegenwart. Eine .Einführung in die jüdische Bibclexegese' steht hervorgegangen ist. Der Jude weiß durch seinen Glauben nicht min-
voran Bd. I. 22-37. Grundbegriffe werden genannt, der p'schat = der, wie sehr der späte Isai-Sproß auf sich warten läßt." (ebd.) Im
Wortsinn, der stets gültig bleibt, der d'rasch = .Erforschung', gesetz- Nebeneinander sieht Gradwohl Möglichkeiten: „Glücklicherweise ist
''che Erörterung, erzählerische Auslegung, re'mes = Andeutung, sod= die Zeit reif, daß Christen und Juden gemeinsam an dieser hebräi-
Geheimnis. Es folgt „skizzenhaft" (Bd. 1. 10) die Geschichte der Aus- sehen Bibel (dem Tanach der Synagoge) arbeiten können" (Bd. 3.7).
'eger. Eine .Zeittabellc wichtiger Exegeten' in den Bde. 2-4 ruft sie in 6. In dieser Gelassenheit zum Nebeneinander lebt auch jüdisches
Erinnerung. Die Literaturverzeichnisse, in jedem Band 7-15 Seiten. Scndungsbewußtscin. Schlüsseltext ist Jes 49,1-6. „Der Gottesknecht
nennen jüdische Exegeten. Midraschim, Fachliteratur, Judaica aus und mit ihm Israel als Ganzes leuchtet den Völkern voran, indem er
der Hebräischen Universität Jerusalem (Bd. 4,8), in unseren Instituten Gottes Weisung weitergibt und durch sein Tun vorlebt" (Bd. 2. 167).
kaum erreichbar. H. Cohen spricht vom „messianischen Volk" und sieht in 49,6 „die Dif-
4- Auf dem Abschnitt .Der Text in der Exegese' liegt immer das ferenz formuliert. .. zwischen dem nationalen und dem menschheit-
Schwergewicht. Die alten jüdischen Ausleger werden nicht als „Beleg- liehen Berufe des Messias" (ebd.). Was Israel „zuteil geworden ist.. .
niaterial" zur Untermaucrung eigener Meinung zitiert, sondern zur Er- wird Besitz der ganzen Menschheit" (ebd. 1680. Gradwohl trägt diese
Öffnung eines Auslegungsgesprächs, in das man eintritt, das weitergeht. Sendung noch in die Auslegung der Erwählung Dt 7,6-12 ein, mit Zita-
•Die Bibclexegese ist immer im Fluß" (Bd. 1,24). Aus dem Reichtum. ten von H. Cohen und L. Baeck (Bd. 1, 125). Der klassische Text bleibt
der sich auftut, seien wenige Kennzeichen genannt. - Verschiedene Jes 2,1-5 (Bd. 1, 140IT), - doch klingt der Völker-/Menschheitsbezug
Auslegungen bleiben nebeneinander stehen. „Bis zur Gegenwart hat auch sonst an. Die ethischen Folgerungen in der „Wegweisung" sind oll
kein jüdischer Bibelintcrprct behauptet, die einzig richtige . .. Deutung blaß, allgemein, auf moralische Menschheitsfragen bezogen, kaum auf
e|nes Textes gefunden zu haben... Die Wahrheit steht bei Gott." Israel/Palästina (Andeutungen Bd. 1, 149. 196). Das wird respektieren.
(Bd. 3,7). Die Offenheit für Selbstprüfung im Gespräch spiegelt eine Ge- wer bedenkt, daß Gradwohl in Jerusalem für Christen in Deutschland
sehichte, die noch offen ist auf den hin, der die Wahrheit der Schrift ein- schreibt. Bei der Holocaustfrage wird auf E. Berkowitz. Faith after the
losen wird. Beispiele: Jes 25,6 spricht vom Gastmahl für die Völker auf Holocaust. 1973, verwiesen (Bd. 4, 210. 271). - Einmal aber spricht er
m Zion. Eine Traditionslinie (R. D. Kimchi u. a.) sieht ein Gerichts- aus, wie Israel noch heute mit der Last der Vergangenheit ringt, in der
niahl, das die Völker trunken macht und blendet (Bd. 3, 167). Moderne .Wegweisung' zu Jes 53, die von der Erhöhung des leidenden Gottes-
Ansleger. Sch. L. Gordon u. a. sehen ein eschatologisches Völkerfestr knechtes spricht: „Äußerst langsam gewinnt er sein menschliches Auswahl
, das dem Völkerfrieden von Jes 2 nahe kommt (ebd. 168). - sehen wieder, Israel als Nation ringt - und wer vermöchte es im poli-
es 25.8 ..Er tilgt den Tod ewig" bezieht eine Tradition auf das Ende des tischen Alltag zu übersehen! - um dieses Aussehen, diese Rückkehr in
Natürlichen Sterbens, auch Raschi, Maimonides. eine andere Tradition, die ihm von den anderen geraubte Normalität. Das Grauen der Verfol-
rbanel, R- D. Kimchi aber auf den ,bösen Tod', Unglück, Mord, gungen haftet an der Seele des Gottesknechts. Das ungeheure Trauma
ne8 in der Geschichte (Bd. 3, 170.171). Zu Jes 2,1-5 betont Grad- will nicht verheilen. Doch dann keimt wieder die Hoffnung auf: Das
*°N - Vom Messias ist in Jes 2,1-5 nicht die Rede" (Bd. 1, 147), zitiert Leiden ist nicht die letzte Etappe ... (Bd. 4, 281). Man liest das mit
cr dennoch Raschi, Ihn Esra u. a„ die von den „Tagen des Messias" Betroffenheit und der stummen Bitte, daß die Nahostpolitik (Giftgas-
Prechen, „da die .Sammlung der Zerstreuten' stattfindet (ebd. 143). - kriegsdrohung Irak, August 1990!) das Trauma nicht neu beleben möge.
s gibt Auslegungen, die den Textsinn geradezu umarbeiten, Dt 7,10 Man möchte die Bände in die Hände vieler Pfarrer wünschen, ihren
as Sofortgericht über die Hasser (Bd. I, 126) oder den Verstockungs- Gewinn und ihre Anfragen. „Der Jude hält die Christusfrage offen"
L enl Jes 6,9f in provozierende Mahnung. „Kannst du . . . glauben, daß (Bonhoeffer). Diese Auslegungen tun es konkret.
er Heilige... die Umkehr Israels nicht wünschen sollte?" (Bd. 1,161). , . ... . , ktli
Es wäre ■ Magdeburg C nnstopn Hin?
ire noch viel zu nennen. - Natürlich werden solche herausgelösten
^obachtungssplitterauch Entfremdungen. Die eigentliche Belehrungs-
raft der Auslegungen liegt im zusammenhängenden Gang durch ihre „ ... ...... r . . . ,.
4 Abschnitte Koenen, Klaus: Kthik und Lschatologie im rntojesajabuch. Eine lite-
5 r, . ' rarkritische und redaktionsgeschichtliche Studie. Neukirchen-
die , vnristllche Auslegung wird selten erwähnt, explizit an 3 Stellen, v,uyn. Neukirchener 1990. VIII. 275 S. 8' = WMANT, 62. geb.
j traditionell in unserer Kirche als christologische Verheißung gel- DM 58 _
. In Jes 53 wjrc) ,jas Geschick des Gottesknechtes auf das Volk
Sfael bezogen wie generell bei .Jesaja dem Tröster' (Dtj.). Zu Jes 53,5 Diese Veröffentlichung, die 1987/88 als Dissertation in Tübingen
Wlrd jedes stellvertretende Sühneleidcn abgelehnt. „In der christlichen vorgelegt worden war, bietet ein beeindruckendes literatur- und theo-
u°enslehre ist der Text so interpretiert worden" (Bd. 4,272), dem logiegeschichtliches Bild zum Textbereich Jes 56-66. Gerade, weil in
w.ar Schon ,,R Mose ben Nachman (Nachmanides) bei der Religions- der Forschung zum Tritojesajabuch bislang keine einheitliche Theo-
Putation von Barcelona, 1263", entgegengetreten (ebd.). Jes 9,5 riebildung gelang, vielmehr eine Einheitshypothese, eine Fragmen-
,rd als Heroldsansage der Geburt eines Sohnes bestimmt, die bereits tenhypothese und eine Ergänzungshypothese nebeneinander entwik-
y sehenen ist, Hiskia (Bd. 2, 145) juläd 3. Ps. Perf.Pual (Bd. 2, 143). kelt und vertreten wurden (vgl. S. 1-7), stellt diese neue Sicht einen
^°ni grammatisch möglichen perf. proph. distanzieren sich jüdische wirklichen Durchbruch dar. Der Vf. würdigt den durchaus unter-
^Usleger „vermutlich in einer bewußten Abgrenzung von christlichen schiedlichen Charakter der einzelnen Texte des Tritojcsajabuches und
(B(j,n>UngCn "ker den zu erwartenden noch ungeborenen Messias" verbindet deshalb Elemente aus allen drei Hypothesen.
Ii Ii ' ^'Die Auslegung Jes 9 aber schließt mit einer grundsätz- So sind zwei Texte als Einzeltexte im Sinne der Aufnahme von
d,c Ln Verniiltnishestimmung. „Die Enttäuschung über Hiskia, die Fragmenten durch den Redaktor in das Tritojesajabuch gelangt:
n'C Weisen Israels empfanden, führte zur Verlagerung der jesaja- 65,9-12, vom Redaktor selbst mit V. 1 la/J.b deutlich kommentiert,
erien Verheißung auf die eschatologische Ebene" (Bd. 2, 154). „Wir und 63,7-64,11, ein eingeschobener, deuteronomistisch geprägter
en von der Verwirklichung dieser Verheißung weit entfernt. Nicht Psalm.