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Ausgabe:

1991

Spalte:

450-452

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Stallmach, Josef

Titel/Untertitel:

Ineinsfall der Gegensätze und Weisheit des Nichtwissens 1991

Rezensent:

Kandler, Karl-Hermann

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 6

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enke etwa an Umberto Eco. //problema estetico in Tommaso „Aufgabe jeglicher Sicherheit" [...] „die Anerkennung einer
AQuino (Mailand. 1970) oder an das sowohl für die Gewinnung ständigen Neu-Schöpfung in Gott" voraussetzt (375).
j^miotischer Kategorien als Tür die Erarbeitung der Leibnizschen Die produktivsten Stellen in diesem stark reproduktiv-
''osophie grundlegende Werk Hans Burkhardts: Logik und Se- dokumentierenden Buch sind für mich jene, in denen ich - wie es
Otik in der Philosophie von Leibniz (München, 1980). der Aufriß der Arbeit ja eigentlich für die gesamte Studie verglich
unterscheidet sich die Untersuchung des Vf.s nicht spricht - partiell auf elementare semiotische, symboltheoretische
Ur von den beiden eben genannten, sondern auch von anderen, und die Poetik betreffende Argumente stieß. Das betrifft die Einem
Werk Weils gewidmeten Arbeiten, grundlegend. Dies zeigt beziehung des Weilschen Werkes in die Debatte um die Unvoll-
bereits in der äußeren Konzeption der Arbeit. Wer sich vor- endbarkeit jedweder Interpretation (5), die das Verstehen des
^lrnmt. ein philosophisches (und durchaus überschaubares) Menschen gewissermaßen .therapierende' Wirkung der Malaie.

erk zu synthetisieren, und es sich dabei erlaubt, die drei Haupt- die zum Zeichenpotenüal der Wahrnehmung gehört und den

tjjeder Untersuchung (vgl. 42-384: Semiotik-Symbolik-Poe- Glauben an eine unmittelbare Wahrnehmung erschüttert (223,

mit jeweils nur zwei Überschriften zu untergliedern, also vgl. auch 136), ferner die Bemerkungen Weils zum Kunstwerk.

Leser fortlaufende, z.T. kaum eingerückte Textteile bis zu das den Wahrnehmenden lehrt, daß „allesSeinende auf .ästheti-

(!> Seiten ohne jede Disposition, .dafür' aber seitenweise Zi- sehe' Weise angeschaut werden kann" (327). Die seit Mitte der

v e bietet, verwirrt den Kundigen ebenso wie den Interessierten. 80er Jahre neu aufflammende, interdisziplinäre Diskussion um

ersucht man also, die vorgelegte Arbeit als wissenschaftliche die Rolle der Ästhetik (bes. in der Kommunikationstheorie, Phi-

"die zu lesen - und vor allem: sie zu gebrauchen und mit ihr zu losophie, Theologie, Literaturwissenschaft) könnte hier neue Im-

r eilen, setzt man sich einer Zumutung aus, die der Vf. bei einer pulse finden.

unstigeren Aufbereitung seines Stoffes dem Leser ohne weiteres Insgesamt jedoch hinterläßt das Buch bei mir den Eindruck,
,e ersparen können. daß es dem Vf. nicht gelungen ist, die philosophische Dynamik
mmerhin - und das sollte man der Arbeit als nicht unerhebli- des Werkes Simone Weils zu „bändigen" bzw. - den Vorsatz R.
en Gewinn zugute halten: Ihr.Stoff ist in der Tat Simone Weil; Kuhns zitierend - eine „Synthese" ihrer Schriften zu erstellen.
'st es, die dem Leserauf den 457 Seiten des Buches auf unge- Ich habe die vorgelegte Studie in ihrer äußerst grobmaschigen
D nte Weise und mit ungewohnten Argumenten entgegentritt. Struktur bei fortschreitendem Lesen mehr und mehr als eine Art
ern Vf. standen bislang unveröffentlichte Manuskripte zur Ver- Weil-Brevier empfunden - ein Lektüre-Gewinn besonderer Art.
gung. die m. E. über kurz oder lang dazu nötigen, z. B. die lapi- Freilich enthält das Buch ein sehr ausführliches „ Personen-
ren Festlegungen einschlägiger Lexikon-Artikel zu den „The- und Sachverzeichnis", auf das der Leser dankbar zurückgreifen
j™sn Weils (vgl. u.a. LThK, 1965, Bd. 10) zu revidieren. Das wird, um die aus der Disposition der Studie resultierende Des-
e nfft besonders den Stellenwert des Todes im Verhältnis zur Orientierung ein wenig wettzumachen.
zur'ttenen* Macnt (vgl- bes- ,67f)' des Unglücks im Verhältnis Überhaupt keinen Gewinn aber hat es m.E. gebracht, die im
gUr L'ebe Gottes (vgl. bes. 381), des persönlichen, historischen Französischen erarbeitete Dissertation ins Deutsche „zu überset-
"gagements im Verhältnis zur Findung bzw. Verleugnung der zen". Denn was ist da eigentlich übersetzt worden? Die fortlau-
* senen Identität (vgl. 423) und nicht zuletzt den Zusammenhang fend in den Text eingeschobenen, ausgiebigen Zitate sind (vergehen
der vollkommenen Schöpferliebe Gottes und seinem ständlicherweise) alle originalsprachig angeführt (vgl. pars pro
ckzug „vor der geschaffenen UnVollkommenheit [...], damit toto 44-51), und es gibt kaum einen wichtigen Satz, der ohne
'ese überhaupt eine Möglichkeit zur Existenz außerhalb von französische Wendungen auskommt oder nicht französisch zu
m besitzt, denn Unvollkommenes kann nicht im Vollkomme- Ende geführt wird. Angesichts der ohnehin schon Konzentration
ng" Se'n' ^on und We,t Iber Sind Demnach hat sich Gott in sei- fordernden Materie des Buches wird ein Leser ohne exzellente
er Liebe verleugnet. Alles zu sein." So gesehen werden selbst Kenntnisse des Französischen mit Sicherheit bereits nach weni-
j" id und Sünde zum Zeichen seiner sich zurückziehenden gen Seiten aufgeben müssen. Wenn der Vf. also Leser voraussetzt.
e (361). denen auch anspruchsvollere französische Literatur keine Mühe
er rote Faden', den der Vf. mit fast allen loci der Weilschen macht - wozu dann diese „ Übersetzung"?
1 osophie verknüpft, ist das Beieinander von interpretieren-
de|TI"Deuten"(lecture)und„Entwerden"(decreation),genauer, Greifswald Wilfried Engemann
p/ 0rgang des Deutens als Entwerden. Unter diesem Gesichts-
t trägt der Vf. eine Fülle von Zitaten und ganzen Textteilen

sieSindTMaZ bLr ^hT Tlf^ 'h^'T^T Stal,mach' Josef: ,neinsfa" der Gegensätze und Weisheit des
lrn entw h bestat,gende Flx'erungen „.dolatnscher Worte Nichtwissens. Grundzüge der Philosophie des Nikolaus von
vgl a h en Akt der Deutung „deontologisiert werden" (7, Kues Münster/W.: Aschendorff 1989. IX. 208 S. 8°= Buchin
h '87'' mwiefern bei diesem Akt „Gottes Verzichtsweise reihe der Cusanus-Gesellschaft.
Sc() er Schöpfung" (36) nachgeahmt wird (s.o.) oder weshalb

ß leßl'ch das als „Opfer" gedachte „Hineingehen" in Gott ein Es ist wohl die Zeit gekommen, über die Lehre des Nikolaus

nich Ble'ben" darstellt- konne doch der Mensch (auch) von Kues (NvK) eine systematische Zusammenfassung zu schrei-

1 bei sich bleiben, sondern sei hineingerufen in die ihm vor- ben. Seit sechs Jahrzehnten werden seine Werke mustergültig

gehende Liebesbewegung - berufen zum Entwerden(362). ediert, eine Fülle von Studien und Aufsätzen zu seinem Werk

/■h empfinde es als Mangel, daß der Vf. so gut wie keine Be- liegt vor. Wenn auch eine große wissenschaftliche Biographie

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8e zu dem mjt dem Werk unrnitte|bar verflochtenen, es in ge- noch längere Zeit auf sich warten lassen muß, weil die Arbeit an

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Lebe

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, ,SSer weise kommentierenden, nur etwa 34 Jahre zählenden den Acta Cusana noch nicht abgeschlossen ist. so kann doch seine
e" S. Weils herstellt. Immerhin war sie eine Denkerin, die Lehre dargestellt werden. Sicher - einige Texte sind noch nicht

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(,)rsuctlte. ihre Philosophie weitestgehend - eben bis in den Tod ediert, vor allem nicht die Mehrzahl seiner Predigten, deren Be-

gen ZU 'eben' Um so bemerkenswerter erscheinen mir jene Passa- deutung vor allem für die Theologie außer Frage steht, aber We-

läßt denen diese verquickung wenigstens anklingt und ahnen sentliches ist an Arbeit geleistet.

de ^as es ne'"1- daß s'ch die „ Ent-werdung" als eine „ Deutung Nun legt Stallmach „Grundzüge" der cusanischen Philosophie

der ottesliebe durch das Unglück hindurch" ereignet, daß sie vor. Kaum ein anderer dürfte dazu berufener sein als der Vf., der

-'etzten dunklen Nacht" geradezu bedarf und in solcher sich seit Jahrzehnten um die Erforschung und Durchdringung