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Ausgabe: | 1991 |
Spalte: | 442-445 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Neuzeit |
Titel/Untertitel: | 1933 bis 1935 1991 |
Rezensent: | Wolgast, Eike |
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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 6
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Maser, Peter: Hans Ernst von Kottwitz. Studien zur Erweckungs- verdient eine eigene Würdigung Im Gespräch mit der übrigen
bewegung des frühen 19. Jahrhunderts in Schlesien und Berlin. Forschung ist mit der Uberschrift bereits se.ne These angepeilt:
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1990. 288 S. m. 1 Abb. „Immer dann, wenn diese Angst erneut allgemein bewußt wird.
gr. 8 = Kirche im Osten. 21. Kart. DM 74,-. ein „Zeitalter der Angst" im Leben des einzelnen oder ganzer
Gruppen anbricht, geschieht Erweckung als Antwort des Glau-
r.. _ , , _ c , „„ Y„it™,ty hens " (242) Er möchte „das Problem .Christentum und Angst'
«Die Gestalt des schlesischen Barons Hans Ernst von Kottwitz Dens. er muuiw »™ »
rührt in der wissenschaftlichen Forschung ein eigentümliches als Epochenproblem begreifen und als „zukunft.ge Aufgabe der
Schattendasein." (9) Maser hat mit großer Energie Archive und Kirchengeschichte" ansehen (236 Anm 67). Der Begriff wird
LitP^, r ••_ ♦ . rw c-nohni* ist Haß er von Eric R. Dodd übernommen, der ihn für die Einschätzung des
Literatur aufgespurt und ausgewertet. Das Ergebnis ist, aau er ,U"L11VIX' r
dennoch keine Biographie, sondern „biographische Streifl.ch- 3.Jh.s benutzt hatte (227). Die Verbindungslinien der Erwek-
ter" (61-81) vorleg,. Er trägt damit der Tatsache Rechnung, daß kungsbewegung zu der, Freiheitskriegen (1381T 225) zur restau-
wir sehr wenige Quellen direkter Art haben (das früheste Auto- rativen preußischen Politik nach 1815^ zu Industrialisierung
graph stammt aus dem Jahr 1788 - eine Eintragung in ein usw. wird von Maser zwar ebenfalls gesehen, aber mit dem Zeit-
Stammbuch: da ist Kottwitz bereits 31 Jahre alt!). Besonders in- alter der Angst wird ein gemeinsamer Nenner artikuliert der sich
tensiv hat Maser Briefe von Kottwitz gesucht. 281 Briefe des Ba- meiner Ansicht nach geschichtlicher Verifikation weitgehend
rons listet er auf (264-276). Masers Hoffnung, aus diesen Briefen entzieht. Angst ist eine: psychologische Kategone. Wenn damit
hi„„ .. . . . , , j„ „,,s„„hi nicht nur eesast sein so . daß Menschen und Gruppen Angst geographische
Nachrichten zu entnehmen, wurde enttauscht. nicni nui gesagt =c .,..,„ .... , .
v„.. r.. j • ^ ... „„ „^iictänHio hahthaben sondern eine historische Spezifik begründet werden
-Kottwitz war für das jeweilige Gegenuber immer so vollständig naoi naucn, »unuci f &
aufgeschlossen, daß die eigene Persönlichkeit in den Hintergrund soll, taugt diese Kategone nicht. Wann gab es denn die Epoche
treten mußte. Über Dinge die ihn persönlich betrafen, hat er sich des Mutes oder der Freude? Wenn ich also schon aus grundsätzlich
in seinen Briefen entweder gänzlich ausgeschwiegen oder chen Erwägungen heraus mit einer solchen Etikettierung nicht
diese doch nur so am Rande behandelt, daß sich biographischer viel anzufangen weiß, wird es erst recht schwierig, den Zusam-
Nutzen daraus kaum ziehen läßt." (60) Die bereits zu Kottwitz' menhang von Erweckung und Angst wie oben als Geschieh s ge-
?Pit^ i i -i u'u u u, u™,,.n.ii»h Fr setz" zu Dostu leren. Für den klassischen Pietismus trifft dies
weiten einsetzende Legendenbildung horcht Maser genau ao. er nciz £U H"31"
Icr.™ , . . ° " , . . , ••■,„, j:„ uichp nicht 7u und für die Erwcckungsbewegung hatte der Schock über
K°mmt dabei mitunter zu sehr kritischen Urteilen über die bisne- nicni zu unu iui u.l & 6 &
"ge Literatur. Andrerseits kann Maser bei der Spurensuche von die französische Revolution und deren napoleon.sche Fortset-
Kontakten oft auch nur zu Wahrscheinlichkeitsurtcilcn vordrin- zung eine ca. 20 Jahre früher entstehende Erweckungsbewegung
8en. z.B. zu Gotthilf Samuel Steinbart (19f). zu J. F. Zöllner zur Folge haben müssen. . .____ .
'27-30) oder zu C. H. O. von Tschirsky-Bogendorff (67-69). Im Maser hat mit seinem Buch einen wichtigen Teilbetrag für die
leiten Teil des Buches (83-221) versucht Maser „durch den Erhellung der Geschichte der Erweckungsbewegung gegeben.
Goldhintergrund des legendären Bildes hindurchzustoßen und Darüber hinaus hat er die Diskussion der Bewertung um eine
"ach leitenden Tendenzen und Motiven zu fragen, die Kottwitz weitere Nuance bereichert,
seiner Zeit vermitteln konnte". (82) Er stößt auf die „anima Candida
, einen Frommen schlechthin" (82). Die Analyse von sieben Potsdam Peter Schicketanz
deinen Abhandlungen (83-111) vermittelt am klarsten die theo-
'°gisch-kirchlichen Grundanschauungen des Barons. Die andern
Teile des Buches über die Wurzeln und Verbindungen zur Er- Röhm Eberhard, u. Jörg Thierfelder: Juden, Christen, Deutsche
weckungsbewegung. die Kontakte zu anderen Zweigen und vor 1933-1945. 1: 1933 bis 1935. Stuttgart: Calwer 1990. 451 S.
al|em sein Wirken in Kirche und Öffentlichkeit müssen entspre- m zahlr. Abb. 8°= Calwer Taschenbibliothek, 8. Kart. DM
chend der Quellenlage aus dem Echo erschlossen werden. „ Kott- 24,80.
VVltz" Funktion innerhalb dieser Bewegung war nicht die eines , r^
Lehrers. Der Baron hatte keine „Lehre" weiterzuvermitteln. Die Autoren d.eser auf vier Bande angelegten Darstellung und
Irnrnerwaresdas„Leben".dasder„abgelebteGreis"bezeugte." Dokumentation sind durch Arbeiten zur kirchlichen Ze.tge-
<154) Maser vergleicht ihn mit einem Katalysator (ebenda). schichte und durch ihre berufliche Tätigkeu fiir ihre Aufgabe gut
Das Buch stellt einen „Teildruck" der von der Universität ausgewiesen, Eberhard Rohm als Dozent für Lehrer- und Pfarrer-
Münster 1987 angenommenen Habilitationsschrift dar. „Aus fortbildung in Württemberg. Jorg Th.erfelder als Professor für
Gründen, die nicht vom Autor zu vertreten sind" (11) wird der evangelische Theologie und Relig.onspadagog.k an der Padago-
andere Teil der Arbeit über soziale Anschauungen und Akt.vitä- gischen Hochschule Heidelberg Ihre Zusammenarbeit hat sich
ten des Barons weggelassen. Es kann nur bedauert werden, daß schon 1981 bewährt, als sie .m Auftrag der EKD die Ausstellung
dieser Teil fehlt Maser urteilt: „Kottwitz hat in der Armut eines „Evangelische Kirche zwischen Kreuz und Hakenkreuz" erar-
der Haupthindernisse für die Gestaltung wahren Lebens gesehen beiteten und ein informatives Begleitheft zusammenstellten.
u"d deshalb alles in seinen Kräften Stehende unternommen, um Die neue Arbeit könnte auf den ersten Blick überflüss.g er-
dem Pauperismus durch persönlichen Einsatz und die Mobilisie- scheinen, liegt doch zur Judenverfolgung im Dritten Reich eine
^ng geeigneter behördlicher Maßnahmen entgegenzuwirken." Anzahl vorzüglicher Quellensammlungen und Untersuchungen
Q26) Hoffentlich kann der zweite Teil der Arbeit auch gedruckt vor; genannt seien die Standardwerke von J. Walk (Hg.). Das
Verden. Es würde dann noch besser verständlich, wie die Jugend- Sonderrecht Tür die Juden im NS-Staat (Heidelberg 1981) und U.
1,chen Freunde des Barons J. H. Wichern und J. E. Goßner ihre D. Adam, Judenpolit.k im Dritten Reich (Düsseldorf 1972). au-
^ege eingeschlagen haben ßerdem die von K. Pätzold herausgegebene Sammlung ,. Verfol-
Der Mangel an biographischen Fakten bringt es mit sich, daß gung - Vertreibung - Vernichtung" (Leipzig 1984) oder von W.
der Untertitel des Buches voll gerechtfertigt ist: für sehr viele Be- Benz (Hg.). Die Juden in Deutschland 1933-1945 (München
^'che der Erweckungsbewegungen in verschiedenen Provinzen 1988). Auch zum Verhalten der Kirchen fehlt es nicht an Arbei-
br'ngt Maser einzelne Nachrichten zusammen, so daß hier jeder, ten, neben den großen Kirchenkampfdarstellungen jetzt vor
der über diese Epoche arbeitet. Entdeckungen machen kann. Bei allem von W. Gerlach. Als die Zeugen schwiegen. Bekennende
al,er Treue zum Detail hat Maser aber auch den Mut, die Diskus- Kirche und die Juden (Berlin 1987).
s,0r> um die Erweckungsbewegung insgesamt anzuregen. Der Ab- Dennoch ist das Vorhaben von Röhm und Th.erfelder s.nnvoll
Schnitt C „Erweckung in einem Zeitalter der Angst" (222-242) und faßt im vorliegenden ersten Band auch keineswegs nur Be-