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Ausgabe:

1991

Spalte:

429-431

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Miller, Dale

Titel/Untertitel:

The gospel of Mark as midrash on earlier Jewish and New Testament literature 1991

Rezensent:

Schmithals, Walter

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 6

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nung sind, daß diese fünf Beiträge, gerade in ihrem Zusammen- sehe Gesetz befreit und aus der Synagoge hinausführt. Mit dieser

sP>el. eine vorzügliche Einführung in die Problematik und Be- nicht ungewöhnlichen Sicht verbinden sie ein hervorragendes

deutung von TestHiob darstellen. Dies alles wird von den Her- christologisches Interesse. Nach ihrer Überzeugung will Markus

ausgebern van der Horst und Knibb in ihrer Introduction (1-6) demonstrieren, daß Jesus nicht der Sohn Gottes, sondern ein

dargelegt und ausgeführt: "The volume will, it is hoped, provide Kind Gottes ist, Exempcl aller Gotteskinder, die sich durch ihre

a comprehensive introduction to the study of this writing and Ergebung in Gottes Willen mit Gott versöhnen. Diese vom Mar-

Serve to make it more accessible toscholars. Mattersofa biblio- kusevangelium nicht eben offen zur Schau getragene Sicht gewin-

graphical, text-critical, literary-critical, exegetical and theologi- nen die Autoren dem Evangelium durch eine Fülle sehr eigenwil-

eal nature are all discussed in this volume" (1). Der Zweck dieses liger Deutungen ab.

Buches ist also auch ein „missionarischer". Der markinische Jesus steht seit seiner Taufe in der Versu-

„ °ic betreffenden fünf Beiträge sind nun der Reihe nach die folgenden: chung, sich als den Sohn Gottes schlechthin, als den einziggelieb-

Ru»cll p. spittler: The Testament ofJob: A Historyof Research and Intcr- ten Sohn zu verstehen. Diese Versuchung geht von dem Satan

pr«ation (7-32: dieser Beitrag enthält übrigens am Schluß [23-32] eine und von den Dämonen aus, die Jesus als den Heiligen Gottes an-

^nr instruktive und nützliche "Annotated Bibliography in Chronological reden und denen Jesus deshalb Schweigen gebietet, auf solche

rder"); Cornelia Römer und Heinz J. Thissen: P. Köln Inv. Nr. 3221: Weise seine innere Versuchung überwindend. Jesus nennt sich

^as Testament des Hiob in koptischer Sprache. Ein Vorbericht (33-45); betont „Menschensohn", um einem Mißverständnis seiner Ho-

(46^' Schaller: Zur Komposition und Konzeption des Testaments Hiobs neit zu begegnen. Berufung und Aussendung der Jünger dienen

Joh PlC,er W- va" dcr Horst: Imagcs of Women in ,he Testamenl of dazu, die Hoheit des einzigartigen Gottessohnes zu „demokrati-

,. <v->-ll6); Cees Haas: Job's Perseverancc in the Testament of Job „ , ,.__r„n„„i,;„jo™ „i„:„u„ ... r~, ■

1 '7-154). Der Gebrauchswert der Aufsa.zsammlung wird noch wesent- f«eren un<! allc" Gotteskindern die gleiche Versohnungsfah.g-

l,ch dadurch erhöht, daß ihr am Ende noch ein Stellenregistcr (155-166) >«it zuzuschre.ben. Indessen mißverstehen die Junger d.e Ab-

ein kombiniertes Autoren- und Sachregister (167-172) beigegeben Sicht Jesu und ihre eigene Rolle. Das zeigt auch das Petrus-

Slnd. bekenntnis von Cäsarea Philippi, das Jesus mit einem Schweige-

^ach Lage der Dinge verständlich, aber trotzdem zu bedauern, gebot belegt, weil es geeignet ist. ihn wie die Dämonen zu versu-

k°mmt nun gerade die aufregendste Neuheit für die Erforschung chen. Jesu Selbstbekenntnis vor dem Syncdrium besagt: Ja. ich

v°n TestHiob als einer Schrift, die ja wohl selbst nicht gerade ein bin der Messias, ein Gotteskind; aber ihr möchtet gerne, daß ich

-Thriller" ist. am wenigsten ausführlich zur Sprache, nämlich mich als übernatürlicher Menschensohn bezeichne, der mit den

d,e Existenz umfangreicher Reste eines einlagigen, aus dem 5. Jh. Wolken des Himmels kommt, damit ihr mich wegen Gottesläste-

chr. stammenden Papyruskodex, der unter anderem das Test- rung verurteilen könnt.
H'ob in koptischer Sprache (genauer gesagt in einer Art Sahi- Das Fehlen der österlichen Erscheinungsberichte deuten die
d'sch) enthält. Dieser Textzeuge ist zudem nicht weniger als ein Autoren dahingehend, daß Jesus als exemplarischer Gottes-
ha'bes Jahnausend älter als die älteste der erhaltenen griechi- knecht ohne Hoffnungauf Auferstehung, dem Vater gehorsam, in
*chen Handschriften. Nach einer kurzen Beschreibung des neuen den Tod ging. Seine eigene Rede von der Auferstehung am dritten
Zeugen gibt das jetzt an der Vorbereitung seiner Edition arbei- Tag bezieht sich metaphorisch auf die Bedeutung seines Werkes,
•ende Gespann als Kostprobe den Text des Abschnitts 30,4-33,2 Das Lösegeld-Wort Mk 10,45 blickt nicht auf Jesu Passion, sonnst
deutscher Übersetzung. Daß sie einen solchen Vorbericht dem auf sein vorhergehendes opfervollcs irdisches Wirken,
■"■skieren. ist übrigens auch schon deswegen gut, weil sie sich nun Der Titel des Buches verweist auf die literarischen Entscheiden
rechtzeitig bitten lassen können, für den „Ernstfall" unbe- düngen, die Vater und Tochter Miller auf dem Weg zu ihren eini-
d'ngt dafür Sorge zu tragen, daß der Text in den ergänzten Lük- germaßen abenteuerlichen Ergebnissen beschreiten. Das Marken
auch unter grammatisch-syntaktischen Gesichtspunkten un- kusevangelium beruht nach ihrer Meinung nicht auf mündlichen
anfechtbar ist. oder schriftlichen Vorlagen, sondern ist das originale literarische
'm übrigen darf ich bezeugen, daß ich alles, auch die eher lang- Produkt des Evangelisten, der seinen Erzählungen einerseits das
atrn'gen, listen- und aufzählungsreichen oder die von Nacherzäh- hellenistische Schriftenkorpus der Septuaginta, andererseits eine
'Ung bestimmten Partien, mit Interesse und Gewinn gelesen Anzahl urchristlicher Schriften zugrunde legt. Hinsichtlich des
habe. Wenn ich zum Schluß auch noch sagen darf, was mich an Markusevangeliums bezeichnet „Midrasch" demzufolge nicht
den verhandelten Sachen am meisten interessiert hat, so finden die midraschartige Interpretation von Texten des Alten Testa-
s'e sich in den letzten beiden Aufsätzen und betreffen einerseits ments, sondern die Umsetzung theologischer Lehre in Erzählung
das berühmte Ende von TestHiob (Kap. 46-53) mit den magi- mit Hilfe und auf der Basis anerkannter Heiliger Schriften,
sehen Gürteln und der Glossolalie der Hiobtöchter besonders Daß markinische Erzählungen zumal in der Passionsge-
"nter der von van der Horst so eindringend gestellten Frage nach schichte sich an alttestamcntlichen Vorlagen orientieren, wurde
demjenigen Typ v on hellenistischem Judentum, der als Mutter- schon oft beobachtet. Die Anwendung dieses methodischen Prin-
boden solcher Vorstellungen in Frage kommt (vgl. 106-116), an- zipsauf den gesamten markinischen Stoff, oft an Namensetymo-
ererseits die von Haas durchgeführte Analyse der Schilderung logien festgemacht, kann indessen im ganzen wie im einzelnen
des Hiob als eines Typos dafür, daß die Geduld die Krone aller nicht überzeugen. Gänzlich abwegig aber ist, daß der um 70

'"genden (besonders bei einem Proselyten) ist. und zwar unter schreibende Autor des Markusevangeliums nicht nur paulinische

Vergleich mit dem. was es dafür an Vorlagen und Parallelen gibt. Briefe einschließlich des Hebräerbriefs, sondern auch den Jako-

Berlj busbrief, den 1. Johannesbrief und den 1. Petrusbrief als autorita-

Hans-Martin Schenke tive quasj kanonische Schriften voraussetzt, deren Gedanken er

demzufolge „innerkanonisch" in Erzählung umsetzt und nach

Millpr r> i • ■ -••„ ^ . r.« . ...j u denen er unter anderem das Bild derJünger Petrus. Johannesund

"■er, Uale and Patricia Mi er: The Gospe of Mark asMidrash ... ,___. c- ... , . . . . „ „.

on Fari;„ . • . a x, t . . i . i .„„ Jakobus zeichnet. Eine nähere historische Begründung ur dieses

tarher Jewish and New Testamenl Literature. Lewiston- . „ ._ , . f „ „.

Quccnston-Lampctcr: Mellen Press 1990. X, 394 S. gr. 8°= Vorgehen geben Vater und Tochter Miller nicht. Daß im Markus-

StudiesintheBibleandEarlyChristianity, 21. Lw. $ 79.95. evangelium theologische Aussagen und Motive begegnen, die

auch aus der neutestamentlichen Briefliteratur bekannt sind, ist

Vater und Tochter Miller halten das Markusevangelium für das keine neue, wenn auch im einzelnen seit der Zeit der Tübinger

este der synoptischen Evangelien und seinen Vf. für einen Ju- Schule umstrittene Erkenntnis. Der unmittelbare Rekurs auf die

"Christen, der seine Gemeinde von der Bindung an das jüdi- kanonische Briefliteratur selbst, und zwar sogar in den Fällen, in