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Ausgabe:

1991

Spalte:

394-396

Kategorie:

Kirchenrecht

Titel/Untertitel:

Gesammelte Schriften; 1 und 2 1991

Rezensent:

Stein, Albert

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 5

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*M(Lief. 32)stellen wichtiges Hintergrundmaterial zum Verständnis wich- Heckel, Martin: Gesammelte Schriften. Staat, Kirche, Recht, Geiger
Details christlicher bzw. religiöser Kunst bereit, schichte. Bd. 1 u. 2. Hg. von K. Schlauch. Tübingen: Mohr
A"ch das Gebiet der-meist sehr hintergründig juridisch-theologisch ge- 1989. XXII, XXII, 1265 S. gr. 8°= Jus Ecclesiasticum, 38. Lw.
Prägten - „schönen" Literatur wird berührt. Diesgeschieht in der Behand- zus. DM 198,-.

'"ig des Themas Prozeßdrama (Lief. 25), wo ein anregender Durchblick Martm Heckd Xübinger professor für Kirchenrecht und einer
on den Werken des Nürnbergers Hans Rosenplüt (15. Jh.) bis zum „Pro- elehrtesten und zug,eich einflußreichsten Vertreter dieses
«-u des Pragers Franz Kafka aus dem 20. Jh. gegeben wird. _ ° , ., , , , . ,. „ . Ä
Last but not least berühr, die rechtshistorische Thematik Gebiete der Faches innerhalb der deutschsprachigen Rechtswissenschaft,
theologischen Ethik, der Sozialethik, so etwa in dem Artikel überdies- wird mit dieser voluminösen Aufsatzsammlung zu seinem im
*»"o mentalis (Lief. 28) oder in dem erfrischend klaren und nüchternen vorigen Jahre gefeierten 60. Geburtstag würdig geehrt. Sieben-
Artikel pacem in terris (Lief. 22) aus der Feder des Altmeisters O. v. Neil- undzwanzig Arbeiten aus achtundzwanzig Jahren veranschauli-
Breuning zum Thema der Menschenrechte in Aussagen der Römisch- chen sowohl den imponierenden Tiefgang wissenschaftlicher
a'holischen Kirche. Interessen wie auch die Verbindung mit dem Leben der Kirche,
Zusammenfassend ist nach diesen wenigen, ausgewählten Hin- die Martin Heckel gleichermaßen auszeichnen. Ihre Themen vereisen
noch einmal der interdisziplinäre Wert des HRG zu beto- tej,en sicn auf Fragen der Geschichte des älteren deutschen
"en.Esdürfteauchklarsein.daßbeiderWeitederThematikund Staatskirchenrechtes, auf die gegenwärtige Rechtsstellung der
er reichen Wirkungsgeschichte bestimmter Rechtsvorstellun- Kirchen im Staat des Grundgesetzes und auf Fragen des evangeli-
gen eine erschöpfende und stets ausbalancierte Behandlung der scnen Kirchenrechtes.

Themen durch die Autoren kaum möglich ist. Nach diesen drei G'ruppen geordnet, soll im folgenden auf die

uem stark ostkirchenkundlich interessierten Rez. fiel aus dieser einzelnen Titel kurz eingegangen werden.

*iner speziellen Perspektive auf, daß in vielen Artikeln ver- In den historischen Beiträgen wird mit profilierter Detailarbeit

'andhcherwe.se und auch sachgemäß der engere Rahmen einer ebenso wje scharfsinniger Herausarbeitung des Grundsätzlichen

p utschen Rechtsgeschichte sowohl zeitlich als auch örtlich über- dje Auswirkung der Reformation auf das Staatsrecht des Heili-

ehntten wird zugunsten der umfassenderen europäischen Tradi- g£n Römischen Rdches deutscher Nation herausgestellt. Durch

on des Römischen Reiches und seiner universalen Rechtsüber- ejne Gesamtubersicnt f zur Entwicklung des deutschen Staatskir-

eterung. Dabei genen aber die Autoren se,ten uber den west. chenrechts vQn def Reformation bis zur Schweiie der Weimarer

und mitteleuropäischen Bereich hinaus, bleiben also dem Verfassung" (Bd. I, 366-401) erhärtet Heckel die These, daß das

»Abendland" mehr oder weniger verhaftet, ohne die Parallelen jnnere Vernältnis von Kirchenrecht und Staatskirchenrecht die

und Weiterwirkungen im „oströmischen" Bereich, also in allen Grundrelation von Kirche und Welt, von der Aussonderung der

orthodox geprägten Ländern Ost- und Südosteuropas mitheran- Kirche und ihrer Sen(jung jn dje We„ widerspiegelt (401). In ähn-

p en' liehe Richtung führen die Einzeluntersuchungen zum Augsbur-
■nige wenige Bespiele. Beim Thema Los. Losen (Lief. 17) wird natürlich ReIigionsfrieden ,. Autonomia und Pacis Compositio" (Bd. [,

aas Phänomen in der biblischen Uberlieferung erinnert und Hinweise . „. . ,. . ... , r- ■ j „ /nj •

aufHi»d^ . a i ■ a r- u u. 1Tu • ., u r- '-82), zur „ H istoriographie des Westfälischen Friedens (Bd. I.
uui aie Bedeutung des Losens in der Geschichte der christlichen Gemein- „ " „ _. ,„, , , , ... ...

«haften - wie etwa bei den Herrnhutern - gegeben. Daß aber z. B. der 484-500), zu „Sinn und Wandel der Fre.heits.dee im neuzeitli-

Gang der russischen orthodoxen Kirchengeschichtc im 20. Jh. auch tief chen Kirchenrecht (447-483) und zur „Itio in partes" der

d"rch das Los bestimmt wurde, nämlich durch jenes, das auf den Patriar- Reichsgewalt in Religionssachen (Bd. II, 636-736).
chen Tichon fiel und ihn so auf den Weg des Zeugnisses und des Leidens in Weiteres Thema Heckeis ist die reichsrechtliche Bedeutung des

«Jen ersten Jahren der Macht der Bolschewiki brachte, wird nicht erwähnt. Bekenntnisses (Bd. II, 737ff), durch welche die Freiheit der

Es ist erfreulich, daß in den beiden hier angezeigten Bänden Artikel wie Bekenntnisentfaltung ebenso wie die Wahrung konfessioneller

"Inisches Rechl Prag etc. erscheinen, aber man sucht vergeblich nach Gemeinsamkeit als ungeschriebene Verfassungsvoraussetzung

jnem Artikel w,e Rußlandoder russisches Recht oder entsprechenden Ver- jedem der Tcj,c anvertraut war (772) Auch die umstrittene Kat-

"eisen. Ein Artikel wie halionalkirchentum hätte zumindest am Rande auf , , • . „ . .. ...._... .

die^, n u a a Di.- rs . ac -a . c egone der „Säkularisierung in ihren staatskirchlichen Aspekt

u|e spezitische Ausprägung des Phänomens im Osten und Sudosten Euro- ,„ , .. , . „ ., ......

Pas im orthodoxen Bereich hinweisen können. Es ist ja durchaus für die <Bd in~91 '> arbe,tet vor allem 'deengeschichtl.ch. Seine

Kirchen der Reformation in Deutschland und deren Nationalkirchentum staatskirchenrechtliche Wurzel hat dieser Begriff in den Vorver-

v°n Belang gewesen, daß Luther bereits in der Leipziger Disputation mit handlungen zum Westfälischen Frieden, wo er die Aufhebung

Dr Eck auf die Apostolizität der Ostkirchen außerhalb der Jurisdiktion geistlicher Fürstentümer und die Einziehung von Kirchengut

des römischen Papstes verwies, um die eigene Position zu rechtfertigen. meinte (7730- Erweitert und dadurch mehrdeutig geworden

E'ne angenehme Ausnahme angesichts der vermißten „Osf-Perspektive (787), wird er als Gegensatz- und Kampfbegriff verstanden

ls' die Aussage im Artikel Ordensregel(Lief. 22), daß sich Augustin und Be- (796f) ohnc jedoch in der Rechtswissenschaft zu einem Zentral-

«edikt zum Erbe des ägyptischen, syrischen und kappadozischen Mönch- begriff emporzuwachsen (7890- Kirchenpolitisch führt die Säku-

'ums bekennen und sich in Fortsetzung der Traditionen eines Pachom oder , • • A i__■„ .n ru v n_ «. ..

Ba*;i„ i. r-> -r a. , - ■ . ,___. . . . ... Iansierungsdebatte im 19. Jh. zu Kampfbemuhungen gegen die

"•»siieios sehen. Diese Traditionslinicn sind aber dadurch im Osten nicht ..... . . , , ° °

^gebrochen. Sie sind vielmehr lebendig geblieben und heute deutlich im „Entchr.st.amsierung , was sich in Grundrechtsfremdheit

Aufblühen, wenn man nach Rußland, Georgien und auf andere Länder in ebenso wie in Anlehnung an die Monarchie äußert (800ff): von

°steuropa schaut. der Freidenkerbewegung über den Kulturkampf bis zu national-

Wie bereits von dem oben zitierten Rez. ausgesprochen wurde, sozialistischen Säkularisierungsformen zieht sich der kulturpoli-

kann aber eine grundsätzliche Kritik erst nach Vorliegen des ge- tische Zweig der Säkularisierungsdebatte (822ff). Der Säkulari-

sarnten Werkes vorgenommen,werden, da dann mit Hilfe eines sierung der Staatsziele entspricht insgesamt eine Verweltlichung

Gesamtregisters Vermißtes noch unter anderen Stichwörtern ent- staatlicher Herrschaftsordnung; insofern jedoch die Toleranz zur

deckt werden kann. Das positive Urteil, daß die theologische modernen säkularen Religionsfreiheit konkretisiert wurde, wur-

^issenschaft in ihren verschiedenen Zweigen von dem HRG den die säkularen Formen doch zugleich zur religiösen Wahr-

Profitieren kann, ist abschließend zu bekräftigen. heitssuche offengehalten und damit eine große Freiheit zu den

(Die Redaktion des HRG hat sehr gute Arbeit geleistet. Dem Rez. fiel le- Dingen jenseits dieser Welt fortgeführt (9100. Auch ein späterer,

d'glich auf. daß im Artikel Pranger-Lief. 24, Sp. 1879 - die Zeilen 20 und knapper gehaltener Vortrag über „Weltlichkeit und Säkularisie-

21 miteinander vertauscht sind.) rung" (Bd. II, 912,-933) führt zu dem Ergebnis, daß die Säkulari

Halle (S.) - Genf Hermann Goltz

sierung der Rechtsformen ambivalent säkularen und religiösen
Zielen und Funktionen zu dienen imstande war. Die „Krise der
Religionsverfassung des Reiches und die Anfänge des Dreißig-