Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1991

Spalte:

392-393

Kategorie:

Kirchenrecht

Titel/Untertitel:

List - Protonotar 1991

Rezensent:

Goltz, Hermann

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

391

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 5

392

kommt es auch in für evangelische Leser besonders interessanten
Fragen zu einer nicht nur gründlichen, sondern auch ökumenisch
verständnisvollen Darstellung. So wird nach Bericht über
die engen Einschränkungen einer Laienpredigt bemerkt, daß sich
die Argumente gegen die Predigt der Laien im Rahmen der Eucharistiefeier
„durchaus zumindest teilweise entkräften" lassen
und bei der gegenwärtigen Seelsorgesituation Ausnahmen „theologisch
nicht untragbar" erscheinen (105). Breiter Raum wird
der, für viele Katholiken belastenden Frage gewidmet, ob wiederverheiratete
Geschiedene ausnahmslos zur heiligen Kommunion
nicht zugelassen werden dürfen, weil sie „hartnäckig in einer offenkundigen
schweren Sünde verharren" (can. 915). Die Darlegung
der Vf.n schildert die Entwicklung der Frage, den auch von
der Theologie nicht verkannten Widerspruch zwischen Anspruch
und Wirklichkeit sowie verschiedene kanonistische Lösungsvorschläge
(128-147). Ihr eigener Lösungsversuch läuft darauf hinaus
, daß canon 915 nur „ Eckgrößen " angeben will und kann, also
die Einzelklärung eines konkreten Falles in Anlehnung an das
ostkirchliche Ökonomieprinzip nicht ausschließt; demgemäß
sollte der Bischof aufgrund des Zeugnisses des Pfarrers und einiger
Gemeindeglieder in geeigneten Fällen die Zulassung zur Eucharistie
gewähren und der Gemeinde mitteilen (147). Hilfreich
ist dafür vielleicht auch die von Heribert Heinemann kürzlich
vorgelegte Erwägung, daß die Rechtsstellung des wiederverheirateten
Geschiedenen nicht mehr unter dem Gesichtspunkte des
kirchlichen „Ehrverlustes" betrachtet werden darf, ihm keineswegs
alle kirchlichen Rechte genommen sind und seine Rechtsstellung
stets einer Einzelprüfung bedarf (Geschiedene und wiederverheiratete
Christen. Überlegungen zu ihrer Rechtsstellung,
in: Recht als Heilsdienst, FS Matthäus Kaiser, Hg. Winfried
Schulz, Paderborn 1990, 223-241). Hingewiesen wurde auch auf
die, allerdings in einem pastoraltheologischcn Plädoyer geäußerte
Überlegung des Moraltheologcn Bernhard Häring, daß im
kirchlichen Ehenichtigkeitsprozeß öfters der Beweis für die anfängliche
Nichtigkeit der Ehe nicht zur Überzeugung des Gerichtes
geführt werden kann, obgleich die Partei sich dessen im Gewissen
sicher ist und dies zumindest im Gewissensbereich
respektiert werden muß (Ausweglos? Zur Pastoral bei Scheidung
und Wiederverheiratung, Freiburg u. A.. Herder, 1989, 64ff).

Zu der für die konfessionsverbindenden Ehen wichtigen Frage
der „Eucharistischen Gastfreundschaft" referiert die Vf.n ausführlich
und korrekt die bekannte Rechtslage, wonach das geltende
Kirchenrecht die gemeinsame Kommunion der Eheleute
verschiedener kirchlicher Zugehörigkeit in der katholischen Kirche
mangels der entsprechenden, in can. 844 vorgesehenen Entschließungen
der Bischofskonferenz und des Apostolischen Stuhles
nicht erlaubt (147-156). Den Betroffenen wird ihre an sich
richtige Feststellung ein schwacher Trost sein, daß der geltende
Codex hier lediglich die frühere Rechtslage übernimmt, also keinen
Rückschritt bringt und ökumenische Entwicklungen offenläßt
. In der sonntäglichen Eucharistieverpflichtung nach can.
1247 sieht die Vf.n eine kirchenrechtliche Konkretisierung göttlichen
Rechts ; auf eine gottesdienstliche Feier am Sonntag könne
weder seitens der Gemeinschaft noch seitens des einzelnen verzichtet
werden, auch wenn dies aufgrund der heutigen pastoralen
Situation nicht immer eine Eucharistiefeier sein könne (147—
162, insbes. a. E.). Ob sich nicht auch die Ehegatten einer konfessionsverbindenden
Ehe in ähnlicher Lage sehen dürfen, wenn sie
um ihrer ehelichen Gemeinsamkeit willen je und dann einen
evangelischen Sonntagsgottesdienst gemeinsam besuchen? (Vgl.
Bischof H. J. Spital und A. Ahlbrecht in Deutsches Pfarrerblatt
83, 1983, 346).

Karlsruhe Albert Stein

Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Hg. von A.
Erler u. E. Kaufmann unter philologischer Mitarb. von R-
Schmidt-Wiegand. Mitbegründet von W. Stammler. Redaktion
: D. Werkmüller. Bd. III: List - Protonotar. Bd. IV: Proto-
notarius Apostolicus - Strafprozeßordnung. Berlin: Schmidt
1978-1990. 1046 Sp. 4.

Was bereits durch den Völkerrechtler und Rechtshistoriker
Gottfried Langer [f], Rezensent der ersten beiden Bände des
HRG, vorläufig zusammenfassend festgestellt wurde, bestätigt
sich vollauf auch an dem vielgestaltigen Inhalt der beiden folgenden
, hier angezeigten Bände III und IV: Das HRG ist „ein unentbehrliches
Nachschlagewerk für den Historiker allgemein und für
Rechtshistoriker im besonderen, für Theologen und namentlich
für Kanonisten sowie ... für Germanisten und vorzugsweise für
Etymologen; es ist eingerichtet und geeignet... allen geisteswissenschaftlichen
Disziplinen zu dienen." (ThLZ 104, 1979.
4630

Die Menge der speziell für die Leser der ThLZ bedeutsamen
Artikel in den Bänden III und IV des HRG kann hierbei weitem
nicht vollständig dargestellt werden. So sollen nur wenige Hinweise
auf bestimmte Artikel gegeben werden, um die Bedeutsamkeit
des Nachschlagewerkes für verschiedenste theologische Disziplinen
noch deutlicher zu machen.

Eine nicht geringe Zahl von Artikeln sind gleichsam rechtsgcschichtliche
Kommentare zu zentralen Begriffen der Bibeltheologic und der systematischen
Theologie, wie z. B. die unter Stichworten wie Loskaut Gefangener
(redemptio) in Lief. 17. Misericordia (Lief. 19), Richten nach Gnade (Lief.
29), Los, Losen (Lief. 17).

Auch die Wirkung der Werke bedeutsamer Theologen für Recht und
Rcchtsdcnkcn in Kirche und Staat findet ausreichend Beachtung. z.B. in
den Artikeln zu Luther (Lief. 17) und Melanchlhon (Lief. 18), Nikolaus von
dies (Lief. 20) und Wilhelm Ockham (Lief. 21). Von unmittelbarem kir-
chengeschichtlichcn Interesse sind auch die Hagiographischcs berührenden
Themen wie Marlin von Tours (Lief. 18; dessen zur königlichen Reliquie
avancierter Mantel [capa] auch die Grundlage für das weitverbreitete
Wort capella/Kapelle abgegeben hat), Mauritius (Lief. 18). Nikolaus (Lief.
20) oder Reliquien (Lief. 28). Unter dem allgemeinen Stichwort des miles
erscheint auch der sogenannte miles ehristianus der Kreuzzüge.

In der Menge der biographischen Informationen zu Leben und-Werk von
Rechtshistorikern begegnen auch Artikel zu solchen, protestantische kirchenrechtliche
Positionen prägenden Gestalten wie Rudolf Sohm (Lief.
31), der aber auch durch eine eigenartige Rezeption in der orthodoxen Ek-
klesiologie des 20. Jh.s bis hinein in orthodox vermittelte ekklesiologische
Positionen des II. Vaticanums wirkte. Die rechtshistorische Materie hat
selbstverständlich eine starke Affinität zur allgemeinen Kirchengeschichte
, die besonders anschaulich wird in den großen Artikeln zu Zentren
von kirchlicher und staatlicher Administration wie Rom. Romidee
(Lief. 21) oder Magdeburg (Lief. 17). aber auch in Artikeln zu Zentren mo-
nastisch-bischöflicher Tradition wie St. Gallen (Lief. 30) oder in Artikeln
zu Ereignissen, die gleichermaßen zur Geschichte der Konfessionen und
der Staaten gehören wie etwa die Salzburger Emigration (Lief'. 30) und anderes
.

Signifikative Entwicklungen in der europäischen Kirchenstruktur werden
deutlich in dem Artikel Primas (Lief. 24). Das facettenreiche Thema
Staat und Kirche tritt unter vielen Aspekten vor das Auge in Themen wie
natio, Nationalitätenstaat. Nationalkirchentum (Lief. 20). Nahezu eine
Monographie in Index-Form stellt die Lieferung 27 zum Thema Reich mit
all seinen theologischen und kirchlichen Berührungsflächen dar.

Gegenstand rechtshistorischcr Betrachtungen mit kirchcngeschichtlich-
spirituellcn Implikationen sind nicht zuletzt die Mönchsorden, die Ordensregeln
(Lief. 21) wie auch das eng mit diesen Traditionen verbundene 5p/-
w/(Licf. 31).

Aber auch der auf dem Gebiet kirchlicher Kunst forschende Theologe
stößt nicht selten in diesen Bänden des HRG auf Materialien, die direkt
sein Interessengebiet mitberühren. Besonders wichtig dürften für den Iko-
nologen Verbindungen von Rcchtsvorstellungcn mit bestimmten Themen
der christlichen Ikonographie sein. Das wird deutlich etwa in dem rechtlich
- symbolischen Aspekt des Mantels (Lief. 17) oder in dem juridischen
Begriffspaar Schul: und Schirm (Lief. 30). Auch die Ausführungen zum
Reichsapfel (Lief. 27) oder zum weitverbreiteten Phänomen des Steinkreu-