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Ausgabe:

1991

Spalte:

378-379

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Rostagno, Sergio

Titel/Untertitel:

Teologia e società 1991

Rezensent:

Vercruysse, Jos

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 5

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gedrungen viele Gesichtspunkte jener Entwicklung unerwähnt. theologischen Gedanken, K. als zutreffend (184ff). Diesem Defi-

Während sich der Vf. in den theologiegeschichtlichen Partien der zit aufzuhelfen, ist aber die Theologie in der Aufklärung vieles

Arbeit anerkennenswert umfangreich mit der jeweiligen For- schuldig geblieben, worauf der Vf. in seinen historischen Unter-

schungsliteratur auseinandersetzt, verfährt er an dieser Stelle suchungen nicht mehr eingegangen ist. Er beklagt nur das spä-

recht eklektisch und wird darin der unterschiedlich diskutierten tere, von der Theologie selbst betriebene Hinausdrängen der na-

Entwicklung in der Wissenschaftsgeschichte wenig gerecht. Für türlichen Theologie aus ihrer zentralen Stellung. Was aber hat

reicht ja der Aufweis, daß der Naturbegriff der Nwn. bis hin zu dann der Rückgriff auf die Entwicklung dieses Problemzusam-

Bacon von einem Schöpfungs- und Providentiaglauben be- menhanges an der Schwelle von der Orthodoxie zur Frühaufklä-

stimnit war. der die Allmacht und Freiheit Gottes betonte... und rung wirklich erbracht, wenn der Providentiaglaube in seinem

den Menschen als cooperator Dei im Heilsprozeß sah. „Gerade damaligen Ansatz ein entscheidendes Defizit aufweist? Am Ende

d'ese theologischen Vorstellungen haben die frühneuzeitlichen haben die historischen Studien vielleicht weniger ausgetragen,

Naturforscher motiviert und sie zu einer bestimmten Natursicht als sich der Vf. selber ausgerechnet hat.

angeleitet." (980 Eben diesen Zusammenhang arbeitet K. nach- Erbracht hat aber die Arbeit neben vielen interessanten und
folgend auch bei Newton heraus. In dessen persönlicher Entwick- bedenkenswerten Erkenntnissen en detail mindestens zweierlei:
lung verweist er auf die Prägung durch die luth. Orthodoxie (78 u. 1) Sie konnte „zu einer differenzierenden Betrachtung des Säku-
•20). Und in seiner Theorie gehört Gottes gegenwärtiges Eingrei- larisierungsprozesses beitragen" (10), sosehr man sich eine weifen
notwendig zur wissenschaftlichen Naturerklärung. Die hier tere begriffliche Klärung des thematisierten Terminus „Säkulari-
w'eder bemerkenswert differenzierte Darstellung und Untersu- sierung" sowie eine sachliche Problemvertiefung gewünscht
chung setzt sich auch mit verschiedenen Positionen in der For- hätte: Ist nicht die natürliche Theologie neben ihrer wirkungsge-
schung auseinander, so mit der Diskussion um den angeblichen schichtlichen Bedeutung im Hinblick auf eine Verselbständigung
Deismus Newtons (111 f0 oder mit der These Weizsäckers, New- der Nwn. andererseits in sich ein Phänomen von Sakralisierung
'on habe den Gott der Lücken propagiert (132). Während die gu- und gar Divinisierung vorfindlicher Wirklichkeit? 2) Vor allem
bernatio Dei in Newtons Providentiaauffassung im Vordergrund ist es der Studie gelungen, die diesbezügliche Aufgabenstellung
stand, sieht K. bei Leibniz den Aspekt der conservatio betont für das gegenwärtige theologische Bemühen in aller Deutlichkeit
"310. Im ganzen bleibt nach diesem 2. Kap. von deranspruchs- hervorzuheben: „die Entwicklung einer Konzeption, die provi-
vollen Eingangsthese höchstens die Feststellung übrig, „daß dentia und Versöhnung miteinander verbindet" (186). Dafür sei
durch die Behauptung der Herrschaft Gottes die Naturwissen- dem Vf. gedankt; und da sollte weitergearbeitet werden!
Schaften ... gefördert wurden" (s. o.).

Zentrales Kapitel des Buches ist das dritte zum Werk des Leipzig Matthias Pctzoldt
v'elseitigen Gelehrten und „ Haupt der deutschen Physikotheolo-
8en" (166) im 18. Jh., J. A. Fabricius. Dessen „physikotheologi-

sche Arbeiten sind aus seinen naturwissenschaftlichen Kenntnis- Rostagn0i Sergio: Teo|ogia e Societä. Saggi sull'impegno etico.

sen und den Vorstellungszusammenhängen der theologia Torino: Claudiana 1989. 168 S. 8°= Sola Scriptura. 13. Kart,

naturalis hervorgegangen." (173) Diese Verbindung verleiht sei- Lire 22000.
ncr Physikotheologie zum einen apologetische Züge gegen provi-

dentialcugnende Konsequenzen aus naturwissenschaftlichen Er- Die Sammlung enthält vierzehn Essays von dem Reformierten

Kenntnissen und zum anderen führt sie zu erbaulicher Vertiefung Theologen Sergio Rostagno, der an der Waldenser Fakultät in

der Naturfrömmigkeit (174). Nachdenkenswert sind im Zusam- Rom systematische Theologie lehrt. Außer „II contributo di

menhang dieser Untersuchung sowohl der Versuch des Vf.s, phy- Barth all'ideologia della sinistra" wurden sie schon eher, mei-

sikotheologischc Arbeiten als ein selbständiges Genre im Unter- stens in italienischen Zeitschriften veröffentlicht. Die Verschie-

sehied zu anderen Gattungen theologischer Literatur sowie in denheit der Adressaten erklärt den Unterschied in theologischer

Abgrenzung zu anderen Interpretationen näher zu bestimmen Dichte und Stil der Texte, die von theologisch-systematischen

( '49-156), als auch die Kritik an der vielrezipierten These Phi- Essays bis zu gemeinverständlichen Predigten und Gelegenheits-

'ipps vom kopernikanisch-brunoischen Schock (166-168). Vorträgen reichen. Im ersten Teil findet man Aufsätze, die sich im

Auch die Einlösung der anderen Eingangsthese, „daß die Be- Lichte von Luthers theologia crucis und der Theologie Karl

"auptung der Herrschaft Gottes eine zunehmende Verselbständi- Barths kritisch mit den theologischen Grundlagen, besonders mit

8ung des Bereiches der Natur gegenüber Gottes direktem Han- der Beziehung zwischen Theorie und Praxis, beschäftigen. Die

dein bewirkte" (s. o.), hinterläßt Fragen. K. kann nur auf Arndts Lage der Waldenserkirchc in Italien erklärt auch das besondere

Erbauungsbuch und auf einige Stimmen aus der reformierten Interesse für ein Gespräch mit der laizistischen und marxisti-

dogmatischen Tradition verweisen. Was die von luth. Tradition sehen Ideologie.

beeinflußte Nw. angeht, der der Vf. besondere Aufmerksamkeit Biblische Perspektiven werden im zweiten Teil eröffnet. Neben

Schenkt. schlägt sich nach seiner Beobachtung diese Verselbstän- einem Aufsatz über die Beziehung zwischen Jesusund Paulus fin-

digung in einer Ablösung der Naturphilosophie von der Offenba- den wir zwei Betrachtungen über die Beziehung zwischen Schwa-

rungstheologie nieder., nicht in einer Trennung von der natürli- chen und Starken im Neuen Testament.

chen Theologie (1820- Nun verfolgt der Vf. über das historische Wie die sozial-ethische Perspektive praktisch relevant wird, ist
Interesse seiner Arbeit hinaus auch das „eminent theologische" im dritten Teil dargelegt. Die Beiträge beschäftigen sich mit dem
CO) Anliegen, für die gegenwärtige, durch einen schmerzlichen' christlichen Dienst, mit den Menschenrechten innerhalb der Kir-
» Verlust an Weltbezogenheit in der Theologie" (1 l)gekcnnzcich- chen und mit der Haltung gegenüber Krieg und Frieden,
nete Problemstellung „den Providentiaglauben unter Berück- Wie schon aus der Einführung („Presentazione") deutlich
sichtigung der neueren Entwicklungen in den Naturwissenschaf- wird, liegt diesen unterschiedlichen Beiträgen eine einheitliche
ten aufzuarbeiten." (184) Mit Besonnenheit und Weitblick Perspektive zugrunde. Sic handeln alle von der ethischen Dirnen-
erklärt er. daß diese Aufgabe nicht an der Kritik K. Barths gegen- sion des christlichen Lebens im sozial-politischen Bereich. Ro-
uber der Physikotheologie vorbei erfüllt werden kann. Auch stagno ist sich dabei wohl der tiefen Laizisierung und Säkularisie-
wenn Barths Kritik wiederum an einigen Punkten zu korrigieren rung der Gesellschaft bewußt. In diesem Kontext denkt Rostagno
sei, erscheint sie doch in ihrer zentralen These, in ihrem Vorwurf auf sehr ausgewogene Weise über ein evangelisch-gläubiges Enga-
einer mangelnden christologischen Durchdringung der physiko- gement in der modernen säkularisierten Gesellschaft nach. Sich