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Ausgabe:

1991

Kategorie:

Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

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Neuerscheinungen

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371

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 5

372

Der Begriff „Volksreformation" (9), hier auf das Reformationswerk
in Berlin-Brandenburg bezogen, gehört für viele Menschen
in der früheren DDR in den Zusammenhang Thomas Müntzers,
über den wir einst von dem sowjetischen Reformationshistoriker
M. M. Smirin (Die Volksreformation des Thomas Müntzer ...)
belehrt worden sind. Der Begriff erscheint als besetzt. Vielleicht
wären einige Zusätze, Akzentsetzungen, Datenangaben noch anders
ausgefallen, wenn bei der sonst glänzend geschriebenen Einleitung
auf den letzten Seiten ein langjähriger Kenner der Entwicklung
in der DDR mitgewirkt hätte (35-38). Welche
Aussagekraft vom ganzen Thema des Bandes und des ins Auge
gefaßten Territoriums her hat es, wenn lediglich für Berlin (West)
die Mitgliederzahl des Bundes Evangelisch-freikirchlicher Gemeinden
mit 3450 angegeben wird? Einige Bemerkungen zur
Entwicklung des freikirchlichen Elements in ganz Berlin-
Brandenburg wären durchaus aufschlußreich gewesen.

Der einzige Beitrag zur Entwicklung des Synodalwesens (277-
285) läßt in seiner aufschlußreichen Datenmitteilung gerade vermissen
, daß im ganzen Band der große Komplex „Theologie und
Kirchenleitung" etwas sparsam bedacht ist. Unser heutiges Kirchenwesen
hat durch die Synodalentwicklung, durch die Einführung
der Zivilstandsgesetzgebung in den siebziger Jahren des vergangenen
Jahrhunderts, durch die Kämpfe in und um Staat und
Kirche (Gründung des Evangelischen Oberkirchenrates 1850)
starke Impulse erfahren, denen theologische und kirchenpolitische
Prämissen jahrzehntelang notvoll ventiliert, den Weg bereitet
haben. Künftige Geschichtsschreibung wird diesem allen
nachgehen.

Wenn der Band im genannten reichen Umfang viele Fragen beantwortet
und andere neu auslöst, ist sein Erscheinen aus gegebenem
„Anlaß der 450-Jahr-Feier der Reformation in Berlin-
Brandenburg" (Umschlagtext) eine Freude. Man wird ihn bei
jeder Weiterarbeit an einer kontinuierlich dargestellten Verlaufsgeschichte
heranzuziehen haben.

Görlitz Joachim Rogge

Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte. Neue Folge: Band
67/1988. Unter Mitarb. von J. Grünewald, U. Hutter, R. Hausmann
, L. Petry, C.-E. Schott, hg. von D. Meyer. Sigmaringen:
Thorbecke 1989. 240 S. m. 10 Abb. 8*. Kart. DM 38,-.

Neue Quellen bringt Ulrich Hutter zum Thema „Die evangelische
Kirche Schlesiens im Kirchenkampf 1933-1945" (117-
163); sie stehen z. T. in einem Quellenanhang (140-163). Vorher
findet sich ein Überblick über die Stellung der schlesischen Pfarrer
im Mai 1940: Zur Bekenntnissynode der Christophori-
Kirche gehörten 184, zur Naumburger Bekenntnissynode 115, zu
den Deutschen Christen aber nur noch 60 Pastoren, während 422
als „Neutrale" eingestuft werden (131). Das Nebeneinander der
beiden Bekenntnissynoden wird als „die Tragik des schlesischen
Kirchenkampfes" bezeichnet. Eine chronologische Fortsetzung
bringt der Beitrag von Hans-Joachim Fränkel „Die Evangelische
Kirche von Schlesien nach 1945" (183-205). Es gab 1945 „Fälle,
in denen die sowjetische Besatzungsmacht vom NS-Staat beschlagnahmte
Kindergärten der Kirche wieder zurückgab " (184).
Das Verhältnis zu den polnischen Lutheranern entwickelte sich
gut (185). Im März 1946 „flammten noch einmal die alten kirchenpolitischen
Gegensätze aus der Zeit des Kirchenkampfes
auf" (187). Auch dieser Beitrag bietet Quellen, zumal Briefe und
Berichte aus der Amtszeit Fränkels als Bischof seit 1964 (197—
204).

Die weiteren Aufsätze: Lothar Hoffmann-Erbrecht: Zahlensymbolik in
Thomas Stoltzers deutschen Psalmmotetten (7-20); Johannes Grünewald:
Beiträge zur Presbyterologie von Liegnitz im 16. Jahrhundert (21-53);
Werner Gerhard: Die Gerhards. Schlesische Pastoren von der Reformation
bis zur Vertreibung (55-95); Christian-Erdmann Schott: M. Valentin
Preibisius - ein evangelisches Pfarrerschicksal im Zeitalter der Gegenreformation
(97-115); Alfred Riemen: Religion und Literatur. Zu Eichen-
dorffs Ansichten und Verfahrensweisen (165-181); Jochen Hoffbauer:
Chronik eines Unterganges. Anmerkungen zu dem Roman „Wintergewitter
" von Kurt Ihlenfeld (207-216).

G. H.

Bauks, Friedrich Wilhelm: Evangelisches Gemeindeleben in Schildesche
seit dem 17. Jahrhundert (JWKG 82, 1989, 186-202).

Eberl, Immo: Vom Kloster zur Klosterschule: die Entwicklung der
„großen Mannsklöster" im Herzogtum Württemberg unter den Herzögen
Ulrich und Christoph (BWKG 89, 1989, 5-26).

Goebel, Karl Gottfried: Johann Philipp Elbert (1621-1699): Superintendent
der Grafschaft Nassau-Idstein. Leben und Werk (JHKGV 40,
1989,279-303).

Kuropka, Joachim, u. Willigis Eckermann: Oldenburger Profile. Cloppenburg
: Runge 1989. 260 S. m. zahlr. Abb. z. T. färb. gr. 8"= Vechtaer Universitätsschriften
, 6. geb. DM 24,80.

Linnemann, Hans-Martin /Hg./: Theologinnen in der Evang. Kirche von
Westfalen. Drei Erfahrungsberichte. Bielefeld: Luther 1990. 80 S. m. 1
Abb., 3 Taf. 8". Kart. DM 6,80.

Müller-Benedict, Otto, u. Hartwig Ammann: Bremer Pfarrerbuch. Die
Pastoren der Bremischen Evangelischen Kirche seit der Reformation. 11
Die Pastoren nach Gemeinden, Ämtern und Einrichtungen. Bremen: Hauschild
1990. 135 S. m 1 Abb. 8*.

Wambach, Walter: Die Kirchenbibliothek Schwabach: Geschichte und
Bestand (ZBKG 58, 1989, 1-49).

Zimmermann, Gunter: Die Theologie der politischen Testamente der
Landgrafen von Hessen-Darmstadt (JHKGV 40, 1989, 239-258).

Philosophie, Religionsphilosophie

[Hamann, Johann Georg:] Johann Georg Hamann Briefe. Ausgewählt
, eingel. und mit Anmerkungen versehen von A. Henkel.
Frankfurt/M.: Insel 1988. XXXI, 472 S. 8°.

Im Jahre 1927 beauftragten die Preußische Akademie der Wissenschaften
und die Königsberger Gelehrte Gesellschaft Josef
Nadler und Walther Ziesemer mit der Herausgabe einer Hamann
-Gesamtausgabe, wobei Nadler die Werke und Ziesemer
die Briefe bearbeiten sollte. Drei Bände dieser Briefausgabe hatte
Ziesemer fertiggestellt, als im Dezember 1943 bei einem Luftangriff
auf Leipzig die ausgedruckte Auflage der ersten beiden
Bände und der Satz der beiden nächsten zerstört wurde. Mit Unterstützung
der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurde 1955
im Insel Verlag die Briefausgabe durch Arthur Henkel wieder begonnen
, bei den ersten drei Bänden auf Grund der Ziesemer-
schen Vorarbeiten. Der letzte, siebente Band der großen Briefausgabe
lag 1979 vor. Für das Gedenkjahr des 200. Todestages
Hamanns 1988 hat Arthur Henkel nun eine Auswahl aus den Hamannbriefen
zusammengestellt.

Von Hamanns Briefen schrieb Josef Nadler: „Der Briefschreiber
Hamann ist eine ganz andere Erscheinung als der Schriftsteller
. Sein Briefstil ist sein organisch weiterentwickelter Jugendstil
... Dieselben Gedankengänge, die er in den Schriften absichtsvoll
verdunkelte und hinter der Spur seines Fußes verschloß, erhellt
und öffnet er in den Briefen mit arglosem Vertrauen. Er besitzt
die Meisterschaft des Briefdialogs, der unterscheidenden
Menschenbehandlung und einer Wahrhaftigkeit, die nicht verletzt
. Seine Briefe galten mit Recht für Leckerbissen, die man sich
auszeichnend weiterreichte, um davon kosten zu lassen" (Die
Hamannausgabe, 1930, S. 31/32). Das Corpus von Hamanns
Briefwechsel hat ungefähr 1500 Briefe umfaßt. Etwa 4/5 davon
sind erhalten, heute meistens in Abschriften und Kopien. Dies