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Ausgabe:

1991

Spalte:

364-365

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Hagenmaier, Monika

Titel/Untertitel:

Predigt und Policey 1991

Rezensent:

Koch, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 5

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ihrem Umfeld, Texte, die uns ein Stück weit unabhängig machen
von manchen sehr voreiligen Wertungen und Schlußfolgerungen
über den Charakter von Gesangbüchern und ihre ,Autoren',
Kompilatoren und kirchenamtliche Inauguratoren. Gewiß könnten
die äußere Gestaltung (Zeilenzähler bei Textabdrucken
wären immer sehr hilfreich!) und die Sacherläuterungen zu diesen
Texten noch entschlossener vorangetrieben werden; „Sek-
kend. Hist. Luth. p. 644." meint natürlich den berühmten „Com-
mentarius [...] de Lutheranismo" aus der Feder Veit Ludwigs
von Seckendorf (1626-1692): nur ist in der Ausgabe von [1691]
1692 an der angegebenen Stelle [Lin.3] S. 644 das von dem Oberhofprediger
Franz Rudolf Crüger 1731 angestimmte Lob der Lieder
Luthers als „der heiligen Schrift conform" nicht zu finden
(ob die frühere Teilausgabe des „Commentarius ..." oder eine
deutsche Teil-Fassung aus dem 18. Jh. angezogen war? - Zu Erbacher
S. 59 mit A. 30, auf S. 93*). Doch kann mit dem Gebotenen
gut weitergearbeitet werden. Und bleiben wir bei der eingangs genannten
Augusta Maria von Baden-Durlach und Hochberg: sie
kommt S. 41*, 45* und 49*faus den Jahren 1697, 1703 und 1726
zu Wort - jeweils gefolgt von dem Hofprediger bzw. Konsistorial-
präsident (s. Zusammenstellung S. 5* Beilagen 1-3). Man überlese
keinesfalls die Seiten 2* bis 5*, welche die Abbildungen, die
Exkurse, die Beilagen und die Tabellen auflisten - denn ein ,ah-
nungsloser' Blick z. B. auf die Titelabbildung des „Großen" GB
Baden-Durlach (Druck: Basel) 1733 auf S. 22* könnte sonst vergessen
lassen, daß auf Seite 4* zu S. 22* - 24* die nötige Legende
samt Fundort- Signatur zu finden ist; ein leider nicht ganz unproblematisches
, für ,Schnelleser' tückisches Verfahren. Aber es
wird hier bei gründlicher Rezipierung des Gebotenen auch deutlich
, wie die ,Gesangbuch'-Geschichte immer eingebettet sein
wird in die Geschichte des Gottesdienstes, der Kirchenmusik
und der Unterweisung (s. Exkurse 2, 4 und 9). Von tragender Bedeutung
für die weitere Forschung werden gewiß die Tabellen 4
und 7 sein (insgesamt rund 130 Seiten), die den Liederbestand
der Gesangbücher bzw. der drei von 1774/86 nach Rubriken und
alphabetisch mit Nachweisen aus der klassischen hymnologi-
schen Literatur (Wackernagel, Zahn, Fischer-Tümpel) erschließen
. Daß .daneben' auch noch die Liederdichter für die Gesangbücher
1774/86 und ebenso der innere Aufbau der genannten
drei Gesangbücher vorgeführt werden, sei nur noch kurz erwähnt
(Tabellen 5 und 6). Die Tabelle 12 erspart sich nicht die Mühe,
handschriftliche Gebetbücher Magdalena Sibyllens von Württemberg
und Magdalena Wilhelmines Markgräfin von Baden in
einem Umfang von insgesamt weit über 600 Blatt zu durchleuchten
(266*-269*).

Merkwürdig berührt die unheitliche Satzgestaltung: .normaler' Buchdrucksatz
wechselt aus unerfindlichen Gründen mit Typoskript- Satz ab
(z.B. nur 188*/189*!), dies gelegentlich auf jeweils einer Seite selbst
(9.190*-255*). Bei der Fülle von Einzeldaten ist möglichst umstandsarme
Präsentation dringend erforderlich; d. h. die Anmerkungen gehören unbedingt
auf die jeweilige Seite gesetzt, Abkürzungen hätten einheitlich gefaßt
werden müssen (vgl. nur 114* mit 118*; c entspr. III, i entspr. VII; solche
Variationen öfters!) und an einer Stelle zusammengestellt werden sollen (s.
jetzt 18,95*, 99*, 114*, 118* 189*-190*). Dem Hymnologen wäre eine eigene
Zusammenstellung aller herangezogenen Gesangbücher eine große
Hilfe. Das Registerwerk (271 *—324*), das selbstredend die Lieder und Melodien
, Personen (samt „Brüdergemeine") und Orte umfaßt, kann man
sich differenzierter vorstellen; Gesangbuchgeschichte als Druck- und Verlagsgeschichte
darf sich auch in Registern der Drucker, Verleger (Bertram,
Dorner, König) und Verlags-/Druckorte niederschlagen. Namen von Verfassern
wissenschaftlicher Literatur begegnen im Personenregister (z. B.
Kolb, „ Christian " [Christoph!]; Merkel, Fr.), man sollte sie vielleicht (kursiv
?) kennzeichnen. Nicht ganz unterbleiben kann der Hinweis auf die
doch erhebliche Anzahl von Setzfehlern und meist kleineren Versehen
(z.B. nur Saubert, Joh.: d. Ä.! nicht d. J. [so 107*], nicht „Justus" [so
317*]. - Meyfart, Joh. Matth.: nicht Joh. „Friedrich" [315*]; „Meyfahrt"
in der Vorlage so?). Sie sind in einem beigelegten Blatt „Berichtigungen.
Die Gesangs- [!] und Choralbücher der... Markgrafschaft Baden-Durlach "

vom 10. 12. 84 längst nicht alle erfaßt und dort zu S. 133 Z. 19 vo.o. abermals
nicht korrekt berichtigt; es muß lauten „[1]697" („[1)704" war aaO.
nicht irrig!), d. h., es soll der Hinweis erfolgen, daß in einem Auktionskatalog
von 1766/67 bei den Jahresangaben der Bücher - wie oft gebräuchlich -
die Tausender-Ziffer jeweils weggelassen wurde. -

Ein Forschungsinstrument im Vollsinn des Wortes liegt hier
vor. Der Vorstand des badischen Kirchengeschichtsvereins tat
gut daran, auf Textabdrucken zu bestehen. Alles in allem darf
man dies Buch kein .bequemes' Buch nennen, aber ein nötiges,
das bei der derzeitigen .Flaute' in hymnologicis ganz gewiß nicht
so schnell Nachfolger für andere Territorien finden dürfte!

Erlangen Dietrich Blaufuß

Hagenmaier, Monika: Predigt und Policey. Der gesellschaftspolitische
Diskurs zwischen Kirche und Obrigkeit in Ulm
1614-1639. Baden-Baden: Nomos 1989. IV, 380 S., 10 Abb.
gr. 8°= Nomos Universitätsschriften Geschichte, 1. Kart. DM
68,-.

Der vorletzte Satz dieses Buches, einer in Tübingen entstandenen
, durch Hans-Christoph Rublack betreuten geschichtswissenschaftlichen
Dissertation, lautet: „Die vorliegende Arbeit ist als
Pilotstudie ein erstes Korrektiv zu lange allgemein akzeptierten
Forschungspositionen "(318). Daß diesem Satz zuzustimmen ist,
stellt sich bei der Lektüre des Buches sehr bald und zunehmend
heraus. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Untersuchung speziell
des Predigtwerkes des Ulmer Superintendenten Conrad
Dieterich (1575-1639). Hauptquelle dieser Untersuchung sind
die gedruckten Predigten über die alt- und zwischentestamentarischen
Bücher Prediger und Weisheit Salomo. In klarer Disposition
und gut lesbarer Sprache werden neben den verfassungsgeschichtlichen
, biographischen und predigtgeschichtlichen Rahmenbedingungen
die Herrschaftsstrukturen, die Gesellschaftsordnung
, das Leben im Haus, Probleme der Lebensführung und
die Sozialfürsorge im Spiegel der Predigt Dieterichs vorgeführt,
und zwar - das macht zum guten Teil die Brisanz der Arbeit aus -
im Vergleich mit den von den Predigten angesprochenen Verhältnissen
, wie sie sich aus der archivalischen Überlieferung rekonstruieren
lassen. Das bedeutet, daß die Arbeit Predigt als Normaussage
verstehen läßt, die durchaus in Spannung zu den rekonstruierbaren
tatsächlichen Verhältnissen stehen kann. Die Vfn.
macht darauf aufmerksam, daß bei der Interpretation gedruckter
Predigten des 16. und 17. Jh. das Faktum der Zensur nicht vernachlässigt
werden darf (52-59, 140).'

Im einzelnen mahnt die Untersuchung - jedenfalls auf dem
Hintergrund der Ulmer Befunde - nötige Differenzierungen gängiger
Urteile an. Sie betreffen 1. die theologischen Herrschaftsvorstellungen
und die Haltung zur Obrigkeit überhaupt, da die
Kehrseite einer amtstheologischen Legitimation von Herrschaft
die scharfe Grenzziehung gegenüber Herrschaftswillkür ist (besonders
eindrücklich dokumentiert S. 85 und 87) und da nachzuweisen
ist, daß sich in Ulm sozusagen hinter den veröffentlichten
Predigttexten ein erbitterter Kampf der Theologen um die Eindämmung
obrigkeitlicher Machtwillkür vollzog (vgl. 121-137,
245); 2. die antiabsolutistisch tendierende Stützung der Ständegesellschaft
, die jedoch im kirchlichen und schulischen Bereich
im Blick auf die Gleichstellung aller abgelehnt wird (vgl. 170f); 3.
das Verständnis von Ehe als einer Sozietät von Mann und Frau zu
gegenseitiger Hilfe, Schutz und Beistand (184) sowie überraschende
Ansätze zu einem affektiv- zärtlichen Verhältnis von
Müttern zu Kindern (187); 4. das sozial verantwortete Motiv in
einer an sich restriktiven Ehe- und Sexualmoral (202-205); 5.
das am „rechten Maß" orientierte Ethos von Lebenshaltung und
Arbeit (2640, das somit der These von Max Weber von der kapitalistischen
Tendenz protestantischer Ethik nicht entspricht.

Neuland betritt die Arbeit mit der Untersuchung von Bettel