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Ausgabe:

1991

Spalte:

359-361

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Stuhlmacher, Peter

Titel/Untertitel:

Der Brief an die Römer 1991

Rezensent:

Haacker, Klaus

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Seite 1, Seite 2

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359

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 5

360

L. arbeitet auch am mandäischen Schrifttum, vor allem am
Rechten Ginza und am Johannesbuch, konsequent redaktionsgeschichtlich
und fragt dann traditionsgeschichtlich weiter, um zu
klären, ob Johannes der Täufer im Mandäismus von Anfang an
bedeutsam war. Die tiefschürfenden Analysen der einzelnen
Textstellen, in denen von Yahya-Iuhana die Rede ist, führen u. a.
zu dem Ergebnis, daß der Redaktor des umfangreichen Abschnitts
JB 18-33 in einer durch das Vordringen des Islams verursachten
Krise des Mandäertums Johannes den Täufer unter
Rückgriff auf verschiedene Traditionen als Modell des verfolgten
und zugleich siegreichen mandäischen Frommen, nicht jedoch
als Religionsstifter, darstellte. Das Traditionsgut wird nach detaillierter
Untersuchung als gnostisch gefärbte, christlich- legendarische
Überlieferung bestimmt, die Annahme direkter Beziehungen
zwischen den mandäischen Erzählungen über den Täufer
und der historischen Gestalt oder aber Johannesjüngern wird abgelehnt
. Im Mandäertum manifestiert sich nach L. insgesamt
eine Radikalisierung der christlichen Gnosis, der sich auch die
Bedeutung des Täufers im mandäischen Schrifttum verdankt. -
Die Monographie schließt mit einem Anhang, in dem Einzelprobleme
, z. B. die Einflüsse christlicher Ikonographie auf mandäi-
sche Vorstellungen, erörtert werden.

Die kleinere, in den „Studi Biblici" erschienene Schrift des
Vf.s stimmt inhaltlich weithin mit den in der großen Monographie
gebotenen redaktionsgeschichtlichen Ausführungen zu den
Synoptikern überein, enthält jedoch außerdem eine ausführliche
Darstellung der vom Vf. bevorzugten Lösung des synoptischen
Problems. In Konsens mit P. Parker vermutet L. eine vormarki-
nische Grundschrift, die von Markus und Matthäus bewahrt
wurde, im Lukasevangelium aber nur teilweise Eingang fand. Die
über Markus hinausgehenden Übereinstimmungen zwischen
Matthäus und Lukas werden mit einer Abhängigkeit des Matthäus
von Lukas erklärt, „Q" wird als Quelle nur für Lukas vermutet
. Welche Schwierigkeiten mit dieser von der klassischen
Zweiquellentheorie abweichenden Sicht verbunden sind, zeigen
z. B. die Bemühungen L.s, die matthäische Gestalt der Täuferanfrage
gegenüber der lukanischen als sekundär zu erweisen.

Beide Bücher L.s leisten einen wichtigen, anregenden Beitrag
zur Erforschung der Wirkungsgeschichte Johannes des Täufers
und zum Verständnis seiner Person selbst. Darüber hinaus beleben
sie die Debatte um das synoptische Problem.

Berlin Christian Wölfl"

Stuhlmacher, Peter: Der Brief an die Römer, übers, u. erklärt.
Göttingen-Zürich: Vandenhoeck & Ruprecht 1989. 237 S. gr.
8°= Das Neue Testament Deutsch, 6. Kart. DM 32,-.

Nachdem Peter Stuhlmacher im Jahre 1975 mit der Auslegung
des kleinsten Paulusbriefes (an Philemon) das Musterexemplar
einer neuen Reihe (des Evangelisch-Katholischen Kommentars
zum Neuen Testament) vorgelegt hatte, tritt er mit dieser Auslegung
des wohl bedeutendsten Paulusbriefes in eine ehrwürdige
Tradition ein, freilich auch dies nicht ohne einen Schuß Programmatik
: wenn der Autor eines Kommentars zugleich Hg. der ganzen
Reihe ist, darf auch hier Richtungweisendes und Repräsentatives
erwartet werden. Daß diese Erwartung nicht enttäuscht
wird, kann als erstes festgestellt werden: Es ist Stuhlmacher gelungen
, erkennbare wissenschaftliche Fundierung mit einer auch
für gebildete Laien verständlichen Darstellung zu verbinden. Der
Verzicht des Gesamtwerkes auf Anmerkungen mit Literaturhinweisen
wird durchgehalten: aber wichtige exegetische Meinungsverschiedenheiten
werden immer wieder inhaltlich vermerkt,
und bei nicht ganz selbstverständlichen exegetischen Urteilen

wird häufig wenigstens durch in Klammern genannte Namen auf
Vorarbeiten anderer verwiesen. Was für die Schlüssigkeit der Interpretation
wichtiger ist: Biblische und außerbiblische (vor
allem jüdische, aber auch pagane) Quellenbelege werden in
großer Zahl genannt und häufig auch im Wortlaut zitiert.

Nach einer an Luther und andere bedeutende Kommentatoren
des Römerbriefs anknüpfenden Einleitung zum historischen Ort
und literarischen Charakter des Briefes (7-16) ist die -durch
fünfzehn Exkurse ergänzte - fortlaufende Auslegung so strukturiert
, daß auf die (eng an die Gestalt des Urtextes angelehnte)
Übersetzung (ggf. mit Angabe der Quelle alttestamentlicher Zitate
) zuerst ein Abschnitt A den auszulegenden Text im ganzen
charakterisiert. Dabei geht es selbstverständlich um die Herausstellung
des Gedankengangs sowie um den Hinweis auf anzunehmende
Gegnerpositionen, mit denen sich Paulus auseinandersetzt
. Mit ziemlicher Regelmäßigkeit und Breite werden in
diesem Abschnitt Traditionen skizziert, aus denen heraus der
Apostel selber denkt und die er bei seinen Lesern (nach Stuhlmacher
vor allem ehemalige „Gottesfürchtige" d.h. heidnische
Sympathisanten jüdischer Diasporagemeinden) mehr oder weniger
bewußt voraussetzt. Dabei kann es sich um alttestamentlich-
frühjüdische Traditionen oder um grundlegende urchristliche
Überzeugungen (verdichtet in katechetischen oder liturgischen
Textfragmenten) handeln. Hin und wieder werden in diesen
Einleitungen (A) Einzelfragen verhandelt, die besser innerhalb
der dann folgenden Einzelexegese (B) diskutiert würden, wo
jetzt Rückverweise eine Unterbrechung der fortlaufenden Lektüre
erzwingen oder manches wiederholt wird.

Der Ansatz der Interpretation ist bekannt aus Stuhlmachers
Aufsatz „Der Abfassungszweck des Römerbriefs" in ZNW 77
(1986) 180-193 und wird konsequent durchgeführt: Paulus
schreibt an die Christen von Rom, um seinen geplanten Romaufenthalt
vorzubereiten und um die römischen Gemeinden als
Ausgangsbasis für die ihm vorschwebende Pioniermission in
Spanien zu gewinnen. Dafür kommt es entscheidend darauf an,
bei den Adressaten ein Einverständnis mit der paulinischen Auslegung
des Evangeliums zu erzielen; diesem Ziel dient besonders
der Rekurs auf anerkannte Traditionen, wie sie in den A-Teilen
der Auslegung rekonstruiert werden. Daß der Brief trotz seiner
mehrheitlich heidenchristlichen Leserschaft so stark auf Einwände
von jüdischer bzw. judenchristlicher Seite eingeht (was
andere Ausleger von einer zweiten, „inneren" oder „heimlichen
" Adresse des Briefes in Judäa sprechen ließ), wird von
Stuhlmacher auf die Präsenz judenchristlicher Gegner zurückgeführt
, die dem Apostel in Rom zuvorgekommen sind (vgl. 12
oben: „Paulus schreibt den Römerbrief... in der Hoffnung, mit
seinem Schreiben die in Rom beginnende Agitation seiner judenchristlichen
Gegner noch rechtzeitig abfangen zu können." Desgleichen
S. 90 die Rede von dem Apostel „ von Galatien bis nach
Rom nachspürenden Kritikern" o. ä. passim). Das harte Urteil
über die Verleumder des Apostels in Rom 3,8 bekommt so eine
Schlüsselrolle für das Verständnis der Argumentation (vgl. 50f
u. ö.). Aber kann es in seiner Härte wirklich auf einen Teil der ersten
Leser gemünzt sein? Oder schließt Paulus diese judenchristlichen
Gegner bereits implizit aus dem angeschriebenen Kreis
der „berufenen Heiligen" von Rom aus?

Ebenfalls aus früheren Veröffentlichungen des Autors ist die
außerdordentlich starke Betonung und positive Wertung der kultischen
Kategorien bekannt, mit denen Paulus den Tod Jesu als
Heilsgeschehen deutet (vgl. etwa 54ff zu Rom 3,21-26, dem
„Herzstück des Römerbriefes" oder S. 110 zu Rom 8,3). Hier
zeigt sich eine entschlossene Abkehr von Zugeständnissen an das
Welt- und Menschenbild der Moderne, wie sie von Rudolf Bultmann
zum Programm erhoben worden waren. Andererseits verleugnet
Stuhlmacher nicht seine Schülerschaft gegenüber Ernst
Käsemann, wenn er wie dieser dem Begriff der „Gerech-