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Ausgabe:

1991

Spalte:

348-350

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Day, John

Titel/Untertitel:

Molech 1991

Rezensent:

Otto, Eckart

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347

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 5

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chen" 31), 2. die Annahme durchlaufender Redaktionen nach
DtrH; die dennoch beibehaltenen Siglen DtrP und DtrN stehen
vielmehr für unterschiedene Kerygmata im Rahmen einer „ Fortschreibung
des Textes" (34). Immerhin registriert der Vf. heute
steigende Bedenken gegen die Anwendung literarkritischer Analysen
, die er jedoch bei dem infragestehenden Text durch eine
lange Auslegungstradition seit B. Stade' (dessen Vorgaben er
noch immer vielfach als wegweisend betrachtet) für gerechtfertigt
ansieht (34, Anm. 1). Nicht ihm, sondern seinen Lehrern E.
Zenger und P. Weimar muß man die Frage stellen, ob sie die Methode
nicht unangemessen monopolisieren.

Die Untersuchung selbst, die in dem analytischen Hauptteil
(11,38-263) durchgeführt wird, ist besonnen und sorgfältig, geschieht
in ständiger Auseinandersetzung mit der Sekundärliteratur
und formuliert ihre Hypothesen über die Entstehung der untersuchten
Kapitel durchaus im Bewußtsein, daß letzte
Sicherheit über den Werdegang des Textes nicht zu erreichen ist.
Sicherlich wird die Diskussion über das DtrG weitergehen und
vermutlich auch zu neuen Antworten kommen. Auf jeden Fall
wird man auch dann die zahlreichen Einzelbeobachtungen in der
Arbeit dankbar benutzen. Ob freilich alle Kriterien, wie etwa der
Käsemannsche Unableitbarkeitsgrundsatz für das „Urgestein"
der genuinen Tradition (151), nachdem er für die ipsissima verba
Jesu neuerdings starken Zweifeln ausgesetzt ist, über alle Bedenken
erhaben sind, ist eine Frage für sich.

In ihren literarkritisch/redaktionsgeschichtlichen Ergebnissen
ist die Arbeit im übrigen keineswegs revolutionär. Die Grundeinsichten
über den literarischen Aufbau der Kapitel wurden schon
von Stade gewonnen (vgl. 38ff): danach sind in dem Mittelabschnitt
18,17-19,37, auf dem auch in dieser Arbeit der Schwerpunkt
liegt (II.3 und 4, 108-170.184-214), zwei Erzählungen von
der Befreiung Jerusalems (B1 und B2) zu unterscheiden, deren genaue
Abgrenzung und Intentionsbestimmung allerdings umstritten
sind. Sie schließen an einen Abschnitt 18,13b-16* (Quelle A)
an, der in seinem Kern vordeuteronomistisch ist und nach allgemeinem
Urteil zuverlässige Nachrichten über Sanheribs Feldzug
gegen Jerusalem 701 v. Chr. enthält (II.2 c), 95-107). In 18,1-12
können V. 1-2.4*.7b.8* als ebenfalls historisch vertrauenswürdig
angesehen werden (II.2 a-b, 64-95). Hinzu kommt noch
20,12a.l3 (II.6, 241-252). Die Erzählung B', deren Grundbestand
in 18,17*.18-19a.20a.23.24a*.26-28*.31.32aß.36*.37;
19,lab.2*.5.6*.7-9a.36aab.37 zu finden ist (Rekonstruktion des
Wortlauts 2960 wurde zuerst zur Anpassung an B2 und danach
mehrfach überarbeitet. B2 (II.4, 184-214) umfaßte 19.9b-20*.
32-33.36aß und weist ebenfalls Überarbeitungsspuren auf, die
meist einer sukzessiven Fortschreibung des Textes entstammen.
Zuletzt - in spätnachexilischer Zeit - wurde ein geschlossenes
Gedicht (19,21-28) eingefügt. Weitere Bearbeitungsschichten
finden sich in 20,1-7.8-11 (11.5,215-236).

Aus den gewonnenen Ergebnissen werden am Schluß (III, 264-
319) „Hiskija und Hiskijabild" im Spiegel der ältesten, „historischen
" Überlieferung und der verschiedenen, aufeinanderfolgenden
vordeuteronomistischen und deuteronomistischen Schichten
rekonstruiert. Von der „Kultreform" Hiskias bleibt nach
18,4* allein die Beseitigung des Nechustan (zu ihm vgl. 274-283)
aus dem Jerusalemer Tempel übrig. Diese ist aber, wie weitere
antiassyrische Aktivitäten Hiskias (18,7b.8*; 20,12a.l3), eine
rein politische Handlung. 18,13b-16 schildert annalistisch und
zuverlässig den Jerusalem-Feldzug Sanheribs. B1 deutet die Vorgänge
in der vorexilischen Sicht Jahwes als des Nationalgottes
und Jesajas als seines Propheten erstmals theologisch. B2, das in
Kenntnis von B' erarbeitet wurde, ist dagegen eine „eschatologi-
sche Predigt" (vgl. 302), in der die Einzigartigkeit Jahwes gegenüber
anderen Göttern (eine Erkenntnis des Exils) herausgehoben
wird. Es folgen die, jeweils noch zu differenzierenden, dtr Deutungen
von DtrH, DtrP, DtrN.

Manche der Voraussetzungen dieser Untersuchung sind auch zu
hinterfragen. So neigt der Vf. der reduktionistischen Sicht hinsichtlich
der Botschaft Jesajas (O. Kaiser; R. Kilian) zu, welche in
diesem nur noch einen Unheils-(Verstockungs-)Prediger sehen
will (269). Auch unterschätzt eine Sicht, welche den Mythos von
der Unverletztlichkeit des Zions als Folge der historischen Erfahrungen
von 701 oder (mit G. Wanke2) als nachexilische Theorie
erklären will (302), die Bedeutung mythischer Traditionen im altorientalischen
Israel.

Leider ist der Text des Bandes durch nicht wenige Druckversehen entstellt
. Wenn man von Zeilentrennungen mitten in einer Silbe u. ä. absieht,
wäre folgendes zu beanstanden: S. 28, Z. 17: Satz unvollständig. 30, Anm.
1 unvollständig. 60: Anfang der Seite fehlt. 63,Z. 9: Abfall vom König.. ■
109,Z.7: 18,/7. 197/8: gleiche Zeile doppelt. 197,Z. 17: fehlt Jes 44,9-20.
235, Ende des einzeilig gedruckten Abschnittes: Ist hier ein Teil der Argumentation
ausgefallen? 241,Z.21: 20,U; Z.24: 20,15. 282.Z.20: Einarbeitung
Bochum Henning Graf Reventlow

1 B. Stade, Anmerkungen zu 2 Kö. 15-21: ZAW 6 (1886), 156-189.

2 G. Wanke, Die Zionstheologie der Korachiten in ihrem traditionsgeschichtlichen
Zusammenhang. BZAW 97. Berlin 1966.

Day, John: Molech. A god of human sacrifice in the Old Testament
. Cambridge-New York-New Rochelle-Melbourne-Sydney
: Cambridge University 1989. IX, 115 S. 8°= University of
Cambridge Oriental Publications, 41. Pp. £ 20.-.

Obwohl das Molech-Motiv nur viermal im Alten Testament
ausdrücklich erwähnt wird (Lev 18,21; 20,2-5; Jer 32,35; 2Kön
23,10), ist es in deratl. Wissenschaft intensiv und kontrovers diskutiert
worden. Handelt es sich bei Molech um einen Gott oder
einen Opferbegriff? Wenn Molech als Gott verstanden wird, ist er
mit Baal, Mot, dem ammonitischen Milkom oder dem aramäischen
Adad - milki identisch? Leitet sich Molech von einem Gottesepitheton
mlk „König" vokalisiert nach boset „Schande" ab?
Was ist mit dem „Schicken der Kinder durch das Feuer" am To-
phet des Hinnomtales gemeint? Diesen Fragen will der Vf. nachgehen
.

Auch er hält molk im Punischen für einen Opferbegriff, der in
Verbindung mit 'dm für Menschenopfer verwandt wurde, wendet
sich aber gegen Eißfeldts These, auch Molech im Alten Testament
in diesem Sinne zu interpretieren, da Lev 20,5 dieser Deutung
diametral entgegenstehe, wie auch gegen den Versuch, den Befund
in der These zu vermitteln (de Vaux, Cazelles), der Opferbegriff
sei in Israel als Gottesbezeichnung fehlinterpretiert worden.
Wollte Carroll die alttestamentliche Interpretation des Molech-
Opfers als Kinderopfer im Feuer als reine Polemik für unhistorisch
erklären, oder Weinfeld zwischen polemischen Texten der
Denunzierung und Gesetzestexten, die von einem Durchschreiten
des Feuers als Reinigungs- und Weiheritus sprechen, scheiden
, so beharrt der Vf. auf der Deutung von h'bjr*b~smY. als Opferterminologie
. Lev 18,21 ist im Kontext der Sexualdelikte nicht
Hinweis, daß Kinder von Kultprostituierten dem Molech geopfert
wurden (Elliger; Zimmerli), sondern ist in den Kontext eingerückt
worden, weil der Molech-Kult als kultischer Ehebruch gegenüber
JHWH (s. Lev 20,5) galt. Einer kanaanäischen Ableitung
der Molech-Verehrung steht die Ableitung der mit dem Molech-
Opfer verbundenen Bezeichnung Tophet für den Opferplatz (2
Kön 23,10; Jer_7,31f; 19,6.11-14 [Jes] 30,33) als Lehnwort von
aramäisch tapja „Feuerplatz" (arab. 'utfija „Backstein") entgegen
. Da aber eine Verbindung zwischen spt und Tophet (W.
Roberson Smith) nicht aufweisbar sei, entfalle auch die Möglich-