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Ausgabe:

1991

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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315

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang Nr. 4

316

— Die Art der Lehrplanentwicklung Tür das Fach Katholische Rcligionslehre
entspricht der Curriculumtheorie, die einem Problemlösungsmodcll verpflichtet
ist.

— Viele Rcligionslehrer(-innen) unterrichten nicht über das Judentum, weil
es in der Aus- und Fortbildung nicht vorkam und in ihre religionspädagogische
Konzeption durchaus nicht paßt.

Erst nach diesen Abklärungen stellt die Vfn. die Ausgangssituation
des innovativen Prozesses der Lehrplanveränderung und die
Entwicklung der Darstellung des Judentums im Religionsunterricht
dem Leser vor Augen.

In allen Teilen der Untersuchung bedient sich Ursula Reck sowohl
hermeneutischer Methoden, wenn es um die Interpretation
von einschlägiger Literatur und von Lehrplänen geht, als auch eines
empirischen Instrumentariums (Interview, Fragebogen), sobald
sie sich darum bemüht, die Realisation der neuen Lehrpläne in der
Praxis zu evaluieren. Den Schluß der Arbeit bildet eine aus- serordentlich
dichte und nichts weniger als interessante Zusammenstellung
der Ergebnisse ihrer Untersuchungen, die sie im Blick auch auf
mögliche Erträge für eine Theorie der Schule und des Lehrplans
diskutiert.

Welches sind die Ergebnisse?

— Im katholischen RU kam das Judentum bis zur Mitte der sechziger
Jahre nicht als eigenständige religiöse Größe zur Sprache,
sondern in einer Form, die sogar antijüdische Einstellungen zu
fördern imstande war.

— Seit der Mitte der sechziger Jahre fanden Inhalte jüdischer Geschichte
und Religion schrittweise Eingang in die Lehrpläne, und
Ende der siebziger Jahre figuriert das Judentum auch als Inhalt
in Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien.

— Heute fehlt das Judentum in keinem Lehrplan und in keinem
Lehrbuch für den Religionsunterricht.

Treibende Kräfte für diese Veränderungen waren die nach 1945
einsetzenden Diskussionen über die Verfolgung der Juden durch
das nationalsozialistische Deutschland, z. B. im Rahmen der Arbeit
der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, nach
1965 die Stornierung des theologisch verbrämten Antisemitismus
durch den Artikel 4 der Erklärung „Über das Verhältnis der Kirche
zu den nichtchristlichen Religionen" und die Veränderung der religionspädagogischen
Theorieansätzc im Zusammenhang mit der
Krise des Religionsunterrichts als Institution im Rahmen des öffentlichen
Schulwesens. Im Unterschied zu einem verkündigungs-
orientierten Religionsunterricht boten die Zielvorgaben der Deutschen
Bischofskonferenz aus dem Jahre 1972 („Verständnis und
Toleranz gegenüber der Entscheidung anderer") Raum für eine eigenständige
Unterrichtung über Geschichte und Religion des Judentums
.

Im übrigen geschah die Einführung des Judentums als Bestandteil
des Lehrplans für den katholischen Religionsunterricht in drei
Schritten: Auf eine Phase der Nichtberücksichtigung folgte eine
Darlegung des Judentums in starker Verklammerung mit der Erschließung
des christlichen Glaubens und seiner Traditionen und
dann eine Behandlung des Judentums als eigenständiger Inhalt -
zuerst als Wahleinheit und dann als Bestandteil des Pflichtteils des
Lehrplans. Zwischen Beginn und vorläufigem Ende der Entwicklung
liegen immerhin 25 Jahre.

Interessant ist, daß die Hypothese, daß Religionslehrer(-innen)
das Judentum deshalb nicht unterrichteten, weil es ihnen aus der
Aus- und Fortbildung nicht bekannt war, durch die Untersuchung
falsifiziert worden ist. Schwierigkeiten, die zur Auslassung des Judentums
führten, sind eher mangelndes Schülerinteresse, unzureichende
Lernmaterialien und Unsicherheit im Blick auf eine Abgrenzung
zwischen Judentum und Christentum gewesen.

Im Rückblick auf das Buch kann gesagt werden, daß die Untersuchung
sowohl etwas für die Einsicht in die Langwierigkeit innovativer
Prozesse im Bereich der Lehrplanentwicklung gebracht hat, als
auch etwas davon erahnen ließ, wie lange Vorurteile sich in einer

Gesellschaft erhalten können, obwohl eigentlich alles, vor allem die
Geschichte der Deutschen mit Israel und dem Judentum, eigentlich
dazu hätte beitragen können, daß sie wie Seifenblasen hätten zerplatzen
müssen.

Das Buch ist ein guter Beitrag für die Lehrplanforschung überhaupt
, aber vor allem für eine Erkenntnis im Blick auf die Lehrplanentwicklung
im Fach Religion. Welches sind die Lehren für neu
zu entwickelnde Lehrpläne für einen Religionsunterricht in der ehemaligen
DDR, sei er nun konfessionell im Sinne des Grundgesetzes
oder anders ausgerichtet?

Bern Klaus Wegenast

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