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Ausgabe:

1991

Spalte:

298-300

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Petzoldt, Matthias

Titel/Untertitel:

Gottmensch und Gattung Mensch 1991

Rezensent:

Keil, Günther

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang Nr. 4

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Die Hirschjagd wird häufig als Bedrängnis des Frommen oder sogar
von Christus selbst durch den oder die Bösen gedeutet (56). Auch
die Kombination von Hirsch- und Löwenjagd geschieht häufig mit
d'esen Intentionen. Es ist deshalb zu fragen, ob nicht an solchen
Prägnanten Stellen über die reine Materialbeschreibung hinausge-
Sangen und theologiegeschichtliche Assoziationen erwogen werden
Gilten. Das gilt auch, wenn auf Sarkophagen Hirschtreibjagden und
leutestamentliche Szenen nebeneinander auftauchen (vgl. 81). Deshalb
hätten Kirchenväter wie Ambrosius oder Hippolyt noch etwas
gründlicher befragt werden sollen, da sie Hirsch und Reh als Christusgleichnis
bzw. als Gleichnis Tür die Heilszueignung verwandt
hatten. Die Alte Kirche hat bekanntlich in verschiedenen Bildern
Verkündigt und das sollte deshalb einmal Gegenstand auslegungsge-
Schichtlicher Untersuchungen sein. Freilich muß gerade das differenziert
und unspekulativ geschehen, nicht wie W. von den Steinen
das tut, gegen den sich D. m. E. mit Recht wendet (25-26). Über-
2eugend erläutert D. die Anordnung der Szenen im Mosaikfußboden
von Kasr El-Lebia und korrigiert dabei die Thesen von M. Gu-
arducci. Solche Auseinandersetzungen hätte man sich an
verschiedenen Stellen noch öfter gewünscht, vor allem beim Bild-
Programm im Mausoleum der Galla Placidia oder beim Hirsch am
Kantharus. Gerade letzteres weist auf die Sakramentsfrömmigkeit,
die für die Aufhellung kirchengeschichtlicher Prozesse zunehmend
w'chtiger erscheint.

Die wenigen Kritikpunkte der Rezn. richten sich auf eine stärkere
Einbeziehung ikonologischer Aspekte bei der Untersuchung des
reichen, hier ausgebreiteten Materials. Ansonsten handelt es sich
um eine gute, hilfreiche Arbeit.

Berlin Gerlinde Strohmaier-Wiederanders

■"'scher, Helmut: Die Ikone. Ursprung - Sinn - Gestalt. Freiburg-
Basel- Wien: Herder 1989. 255 S. m. Abb., 16 Farbtaf. 8. geb.
DM 38,-.

Mit eindrucksvoller gedanklicher Konzentration hat der Vf. auf
den 255 S. seines Buches ein Optimum an gediegener Information
uber die Ikone untergebracht. Die „Einführung" (11-19) vermittelt
e"ie Reihe wertvoller Orientierungshilfen mit dem Bemühen, das
*ugleich Fremde und Anziehende der Ikone, jedenfalls für den
^■chtorthodoxen. in die richtigen psychologischen, kirchen- und
kunstgeschichtlichen Zusammenhänge einzuordnen. Abschnitt I
(21-74) beschäftigt sich mit der Geschichte der Ikonenmalerei zuwachst
„vom Bilderverbot zur Bilderverehrung", um in Abschnitt II
^5-128) die Phase „Vom christlichen Bild zur Ikone" zu behandeln
, einschließlich der „Bilderkritik und Bilderverständnis in den
Archen der Reformation und im neuzeitlichen Katholizismus"
7116-128). Abschnitt III: „Die Ikone" (129-197) beschäftigt sich
rnu Begriff und Erscheinungsformen der Ikone, geht ausführlich auf
'hre Gestaltungsprinzipien ein (Maltechniken, Malstil, Farben, Forcen
, Perspektive. Beschriftung), führt die Bildtypen vor (Trinität,
Christus. Engel. Gottesmutter, Szenen. Heilige), um schließlich ei-
nen Uberblick über die „Entwicklung der Tafelmalerei" zu geben
^'97 mit dem „fauxpas", die Altgläubigen mit Patriarch Nikon in
e'ne Reihe zu stellen). Der Vf. läßt nun aber seine Leser mit der
Jkone nicht alleine, sondern kommt mit ihnen zu einem Dialog
uber den „Umgang mit Ikonen" (IV. Abschnitt, 199-220), d. h. ihre
Bedeutung „in der Frömmigkeitspraxis orthodoxer Christen", über
"Interessen und Zugänge des westlichen Menschen" (Ikonen bedachten
, kaufen, malen), um endlich die „Ikonen als ökumenische
brücke" zu verstehen („Wer sich der Ikone ehrlich aussetzt, wird
"•cht zu irgendwelchen geheimnisvollen Kunstschätzen geführt,
sondern geradewegs zu dem einen Wunder des Glaubens, das allen

christlichen Konfessionen gemeinsam ist", 220). Folgende Anhänge
erschließen in hilfreicher Weise den Inhalt des Buches: Glossar, Literaturhinweise
, Synopse der Alphabete (Glagolitisch, rund und ek-
kig; Griechisch, Kyrillisch, heutige Russisch-Kirchenslaw. Tradition
, mit den entsprechenden Zahlenwerten), Übersichtskarte zur
Geschichte und Verbreitung der Ikonen, Register der Bibelstellen,
Register der Namen, Register der Orte und Sachen. 16 Farbtafeln
und 100 Abbildungen im Text unterstützen das Studium vor allem
des III. Abschnittes.

Die Arbeit von Fischer zeichnet sich durch umfassendes Sachwissen
und zugleich durch sympathische Sachlichkeit aus. „Einer
schwärmerischen oder mystifizierenden Huldigung der Ikone kann
ich nicht das Wort reden" (220). Ich wüßte keine ernsthafte Kritik
anzubringen (mit Ausnahme des oben genannten Hinweises). Lediglich
das Literaturverzeichnis erscheint angesichts der Qualität
des Inhaltes zu mager. Da der Vf. Sachinformationen vermitteln
will, sieht er zu Recht ab von schwierigen Problemfeldern, wie etwa
der Ikonensemiotik. Unter den nicht wenigen Ikonenbüchern, die
von ihren Verfassern oder Verlagen als „Handbücher" angeboten
werden, besitzt dieses den Rang eines solchen - gerade auch, weil es
diesen Untertitel vermeidet. Ihm ist unter ernsthaften Ikonensammlern
, aber auch unter Fachkollegen eine weite Verbreitung zu
wünschen.

Halle/Saale Konrad Onasch

Heekeler, Rudolf: Religiöse Motive in georgischer Dichtung. Streifzug
durch Literaturperioden des kaukasischen Kulturkreises (SOrth 1990, 3. 37-
40).

Koch, Traugott: Matthias Claudius' Gedichte vom Tod. Zu seinem Gedächtnis
anläßlich seines 250. Geburtstages (PTh 79, 1990. 285-293).

Rothen, Paula: Auferstanden ist der gute Hirt. Die frühchristliche Darstellung
des guten Hirten als Osterbild (EuA 66, 1990, 129-136).

Schulze, Wilhelm August: Alte Dreikönigsbilder in Westfalen (JWKG 82,
1989,29-115).

Vellev, Jens: Viborgs forste laeger - og deres gravsten (KHS 1989, 123-
156).

Wolff, Uwe: Denn das Leben selbst ist das Gericht. Ernst Jüngers theologischer
Waldgang zur Zeitmauer (LM 29, 1990. 127-130).

Philosophie, Religionsphilosophie

Petzoldt, Matthias: Gottmensch und Gattung Mensch. Studien zur
Christologiekritik Ludwig Feuerbachs. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1989. 184 S. 8 = Theologische Arbeiten, 47. Kart. M 13,50.

„Stoßen wir hier auf einen der Zusammenhänge im Christentum,
die Feuerbach nicht aufzuklären vermochte, so daß es trotz seiner
Kritik bis heute weiterexistiert?" (147) „Das Christentum aber existiert
- wie auch immer - noch heute; Wandlungen und Krisenerscheinungen
im religiösen Bewußtsein und in der institutionellen
Ausprägung desselben unterliegen offensichtlich Zusammenhängen,
die Feuerbach nicht aufzuklären vermochte." (11) In diesen Zitaten
aus Ende und Anfang des Buches von M. Petzoldt faßt sich dessen
entscheidende Frage zusammen: Hat Feuerbach mit seiner Kritik
das Christentum wirklich ins Mark getroffen, oder hat er im wesentlichen
an ihm vorbeigeredet, so daß es bis heute weiterexistiert?
Die Antwort lautet: Feuerbach vergißt die Mitte christlichen Glaubens
, den historischen Jesus Christus, und wendet sich mit seiner
Kritik dem spekulativen christologischen Dogma zu. „Indem Feuerbach
das Christentum als die unter religiöser Verblendung und
theologischer Verzerrung gefangene Wahrheit der Göttlichkeit des
menschlichen Wesens interpretiert und damit das Wesen des Chri-