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Ausgabe:

1991

Spalte:

289-291

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Wiedemann, Konrad

Titel/Untertitel:

Die Bibliothek Friedrich Heinrich Jacobis 1991

Rezensent:

Koch, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang Nr. 4

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<de gradibus). Vor allem interessiert dabei die Frage, welche philo- Die Beschäftigung mit philosophischen Ansätzen und Versuchen.
S0Phischen Implikate der quarta via zugehören: Kausalitätsprinzip, die an der Wende vom 18. zum 19. Jh. entstanden sind und sich als
Kontingenzgedanke. Partizipation oder Analogie? In einem ersten Widerspruch zu gleichzeitig entwickelten großen Systemen verstan-
Teil (3-59) stellt die Vfn. die verschiedenen divergierenden Mei- den, hat zugenommen. Auch die vorliegende Edition liefert dazu ei-
nungen namhafter Thomas-Interpreten dieses Jh.s zu diesem Prob- nen wichtigen Beitrag. Sie ist von dem 1980 verstorbenen Siegfrid
lem dar (behandelt werden: Leo Laumen, Heinrich Kirfel, Reginald Sudhof angeregt und vorbereitet und an der Jacobi- Forschungsstel-
Garrigou-Lagrance, Rene Arnou, Jean-Paul Planty-Bonjour, Horst le am Lehrstuhl Tür neuere deutsche Literaturwissenschaft der Uni-
Se'dl, Lucien Chambat). Dabei werden jweils die einzelnen Beweis- versität Bamberg zwischen 1978 und 1981 realisiert worden. Die
Anritte und -elemente einerseits und die Beweisstruktur und die Stimme von Siegfrid Sudhof kommt durch den (überarbeiteten)
Philosophische Provenienz der quarta via andererseits getrennt be- Wiederabdruck eines Aufsatzes über die Bibliothek Friedrich Heinhandelt
, rieh Jacobis und ihre Schicksale aus dem Jahre 1977 an der Spitze

In einem zweiten Teil (59-134) beschreibt die Vfn. ihre eigenen der vorliegenden Edition zur Geltung. Peter-Paul Schneider gibt in
Gedanken zu dieser Problematik. Sie stellt dabei die Analogie, der einer Nachbemerkung zu diesem Aufsatz Sudhofs Einblicke in die
freilich die Partizipation und die (eidetische) Exemplarursache (der Arbeitsweise Jacobis mit den Büchern seiner Bibliothek.
-Grund") als weitere bedeutende Implikate der quarta via mit zuge- Den Zeitgenossen war bekannt, daß Jacobis Bibliothek etwa
hören, als Grundprinzip der Argumentation des Stufenbeweises 6000 Bände enthielt. Sie sind nach seinem Tode im Laufe der Zeit
heraus. Das zwingt sie dazu, zunächst einmal den Begriff der An- zerstreut worden, sofern sie nicht bereits Jacobi selbst zu Lebzeiten
a'ogie beim Aquinaten scharf zu klären (59-80). Dieser Abschnitt veräußert hatte, und teilweise wohl auch als endgültig verloren andürfte
auch für einen Leser, der nicht speziell an Thomas interes- zusehen. Konrad Wiedemann hat den Vorgang der Aufteilung von
s,ert ist. wohl aber an Logik und Semantik, von Interesse sein; hier Jacobis Bibliothek rekonstruiert (S. XXXV-XL). Dem Katalog lieferten
im Anschluß an Thomas Begriffe geklärt, die für eine ge- gen, wenn irgend möglich, die durch Exlibris identifizierten Exem-
■"echte Beurteilung der gewöhnlich als problematisch geltenden An- plare zugrunde. Der gegenwärtige bzw. letzte nachweisbare Biblio-
al°gieschlüsse von großer Bedeutung sein dürften. theksstandort wird notiert, vorhandene Anstreichungen und

Sodann (80ff) wird aufgrund dieses den Partizipations- und Kau- Marginalien werden - oft notwendigerweise verkürzend und sum-
^litätsgedanken mit einschließenden Analogieimplikats die quarta marisch - vermerkt. Eine eigene und gesonderte Erfassung finden
v'a interpretiert. Dies geschieht Schritt für Schritt mit großer philo- Broschüren bzw. Zeitschriftensonderdrucke und Karten, die im
'ogischer und denkerischer Sauberkeit. Freilich bleiben die diesbe- Wortlaut des frühesten erhaltenen handschriftlichen Katalogs der
zuglichen Gedankengänge auf Thomas und die vor ihm zurücklie- Bibliothek aufgelistet werden, der beim Verkauf der Bibliothek zusende
Philosophie beschränkt. Das Ergebnis ist, daß sich für diese sammengestellt worden war und auf Jacobis Freund Friedrich Im-
Arbeit die quarta via als durchaus schlüssig erweist, ja noch mehr: manuel Niethammer zurückgeht.

»Ob die quarta via der .schönste' aller Gottesbeweise ist, mag da- Im strengen Sinne erfaßt der vorliegende Katalog nicht alle Titel,

hingestellt bleiben, die schönste und ausgereifteste Fassung des Stu- die irgendwann einmal zur Bibliothek Friedrich Heinrich Jacobis

enbeweises ist sie mit Sicherheit" (132). Besonders lesenswert ist gehört haben, sondern nur solche, die aus dem Nachlaß an den

dabei der Aufweis der Vfn.. daß der Gott der Philosophen und der preußischen Staat verkauft worden sind. Einige der in den überlie-

Griechen und der Gott der Bibel keineswegs auseinanderliegen ferten Listen aufgeführten Titel konnten wegen mangelhafter Spezi-

mussen (112-115). fizierung nicht ermittelt werden, und auch manche der im Brief-

Daneben wird die Frage gestellt, ob die quarta via mehr platoni- Wechsel Jacobis mit zeitgenössischen Verlegern wie auch der größte

Cf>em oder mehr aristotelischem Gedankengut entstamme. Obwohl Teil der in einer Titelkladde zwischen 1790 und 1797 von Jacobi

ar'stotelische Einflüsse - die Thomas ausdrücklich erwähnt - nicht selbst erwähnten Bücher sind nicht in den vorliegenden Katalog

geleugnet werden, gilt aufs ganze: „Die quarta via dürfte demnach - eingegangen. Das gleiche gilt für die in Jacobis Familie verbliebe-

tr°tz der ausdrücklichen Berufung auf Aristoteles - ihre gedankli- nen und von Jacobi selbst verkauften und verschenkten Bücher.

chen Wurzeln eher im platonisch-neuplatonischen als im (originär) Um welchen Prozentsatz im Vergleich zu den 3770 durch den Ka-

aristotelischen Denken haben" (128). Hier fragt es sich nun doch, talog identifizierten Exemplare es sich bei dieser gesamten fehlen-

Warum der Gottesbeweis in Anselm von Canterburys „Monolo- den Gruppe handelt, wird von den Editoren nicht angegeben und

&°n", der doch auch „ex gradibus" denkt, so übergangen wird. dürfte z. Z. auch schwer zu schätzen sein.

Könnte nicht hier die Übermittlung platonischen Gedankengutes Der Katalog ist in 27 Sachgruppen aufgeteilt, die in ihrem Inhalt

an Thomas liegen? Oder hat die Vfn. diesen Beweis stillschweigend nicht immer klar voneinander zu trennen sind. Bedenkt man bei-

11111 dem ontologischen Beweis aus Anselms „Proslogion" identifi- spielsweise, wie stark zeitgenössische Theologie und Philosophie

*lert. den Thomas freilich ablehnt? miteinander verflochten waren, so leuchtet die Unmöglichkeit ein,

Aufs ganze ist - unter den eingangs genannten Einschränkungen in jedem Falle klare bibliographische Unterscheidungen zu treffen.

~ eine Doktorarbeit entstanden, die man allen Scholastikfreunden Dennoch spricht doch auch der Umfang der vom Bearbeiter alpha-

Und mit der Scholastik verbundenen Theologen gern empfehlen betisch zusammengestellten Sachgruppen bereits eine eigene Spra-

^■"d- che. An der Titelzahl gemessen steht an der Spitze bei einem Literaten
, der von seiner „unphilosophischen Art zu philosophieren"

Marburg/Lahn Günther Keil sprechen konnte, der Bereich Philosophie/Ästhetik, gefolgt mit

deutlichem Abstand, aber in etwa gleichem Umfang wie Geschich-
te/Archäologie/Militaria von der Gruppe Religion - „ein Heide mit
dem Verstände, mit dem ganzen Gemüte ein Christ", so hatte Jaco-

KirchengeSChichte: Neuzeit bi sich selbst beschrieben. Für den Bereich der Theologie (Religion)

bedeutet das im Spiegel von Jacobis Bibliothek, daß ein zahlenmä-

Jacobi, Friedrich Heinrich: Dokumente zu Leben und Werk. Hg. ßig deutliches Schwergewicht den Titeln zukommt, die aus dem Be-

von M. Brüggen, H. Gockel, P,P Schneider. Bd. 1,1 u. 1,2: Die "der ^T" Erneuerungsbestrebungen zu Beginn des

Bihii^t^b c a „u u • :~u i u- t: v . r D u 19- Jns stammen bzw. im Selbstverstandnis dieser Bestrebungen zu

"iDiiothek Friedrich Heinrich Jacobis. Ein Katalog. Bearb. von ., . 6

K. Wiedemann. unter Mitw. von P.-P. Schneider. Stuttgart-Bad ^"-f'^T, f VOrangehenden Jahrhunderten gehören.

Canstatt: Frommann u. Holzboog 1989. XLIV, VI, 942 S. gr. 8. El" ubeJ d™ Bestand des Berelchs Philosophie/Ästhetik

Lw DM -e 3,0 _ zeigt die Präsenz der Philosophie des 17. und 18. Jh.s sowie des Be-