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Ausgabe:

1991

Spalte:

285-287

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Zwick, Reinhold

Titel/Untertitel:

Montage im Markusevangelium 1991

Rezensent:

Vogler, Werner

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang Nr. 4

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Der Vf. gelangt zu folgenden Hauptergebnissen: Für die Erfas- Literaturwissenschaftlich orientierte Untersuchungen biblischer
sung des Hintergrundes und der Entstehungssituation der Past sei es Texte machen seit geraumer Zeit auf sich aufmerksam. Die hier
^sonders wichtig, die Irrlehre zu beachten, welche die Gemeinde vorliegende, von der Kath.-Theolog. Fakultät der Universität Rebedrohe
(21; 247). Die Irrlehre lasse sich im Unterschied zu den gensburg 1988 angenommene Dissertation wendet sich dem von
Auffassungen von Dibelius, Conzelmann, Trümmer, Koester u. a. der Textlinguistik bisher vernachlässigten MkEv zu. In Abweisung
durchaus als eine historisch real vorhandene synkretistische Strö- der formalen Rolle, die die Formgeschichte dem 2. Evangelisten zu-
mung beschreiben, die aufgrund einer "over-realized- eschatology" erkannte, im Gegensatz aber auch zu dem von der Redaktionsge-
(33 u. ö.) judaisierende, pneumatische und gnostisierende Tenden- schichte gewiesenen Weg, Mk als Theologen zu begreifen, geht es
zen hatte (42-45; 247). Im Mittelpunkt der Theologie stehe "the Zwick um den Nachweis, „daß das MkEv, so wie es uns überkom-
reality 0f salvation in the present age" (139; vgl. 249). Es bleibe aber men ist, ein in sich stimmiges literarisches Ganzes darstellt" (188).
d'e noch ausstehende Vollendung im Blick, weshalb es sich nicht Von seiner literarischen Einheitlichkeit her aber sei dann auch die
empfehle, von einer „frühkatholischen" Position (140; 250) und theologische Einheit dieses Werkes und mit ihr die theologische
»christlicher Bürgerlichkeit" zu sprechen (141; 198 u. ö.). Dem Zen- Leistung seines Autors zu begreifen.

tralthema Soteriologie seien alle anderen theologischen und ekkle- Die Zuverlässigkeit dieser These sucht Zwick durch eine Analyse
siologischen Themen zu- und untergeordnet. Das Grundverständnis der „Erzählperspektive" des 2. Evangeliums sowie durch die Rechristlicher
Existenz stelle sich in den Past als Leben aus dem Glau- konstruktion seiner „szenisch-räumlichen Konstellationen" und der
ben. als Theologie und Ethik (17), als dynamische Einheit von Glau- „mit ihnen verbundene(n) Logik der Erzählung" (ebd) zu erweisen,
be und Liebe dar (167; 251). Wenn die ethischen Einzelanweisun- Das geschieht in drei großangelegten Arbeitsgängen.
Ben zum Großteil in Anlehnung an die Form des Haustafelschemas Der 1. Hauptteil - „Methodologische Grundlegung" (24-186) -
ergehen, so seien dabei weniger eine unreflektierte Angleichung an enthält eine ausführliche Erörterung des Problemkreises „Erzählte
Patriarchalischen Sozialverhältnisse der Umwelt und nicht ein Perspektive". Ausgehend von der Erkenntnis P. Dschulniggs, daß
Streben nach „christlicher Bürgerlichkeit" federführend als vielmehr eine literarkritische Analyse des MkEvs unter Zuhilfenahme von
m'ssionarische Absichten (172; 196-199; 244; 252; 256). Im Gan- nur sprachlich-stilistischen Mitteln nicht möglich ist, kommt Zwick
zen zeige sich eine größere Nähe "to that of the earlier Paul than of- - vor allem im Anschluß an die Arbeiten von S. Chatman, J. M.
ten allowed" (256). Lotman und B. A. Uspenskij - zu der Einsicht, daß ein „filmisch
Die Bedeutung der Studie sehe ich in dem berechtigten Bemühen, verwurzelter Verstehensrahmen" an das MkEv anzulegen sei (133).
d'e Aussagen der Past möglichst ihrer eigenen Situation gemäß zu Zu diesem Vorhaben wird er zudem durch die Feststellung veran-
ertieben und bewußt auf das seit Jahrzehnten etablierte Vorver- laßt, daß in den bisherigen literaturwissenschaftlichen Untersu-
standnis „christlicher Bürgerlichkeit" zu verzichten. Dabei zeigt sich chungen biblischer Texte die Dimension des Raumes weitgehend
eine Existenzform des Christentum, bei der die Ethik tiefer und un- unberücksichtigt blieb. Versteht der Vf. aber - wie er weiter zu er-
mittelbarer mit dem christlichen Glauben und dessen Zentrum, der kennen gibt - „die ursprünglich filmanalytische Größe .Einstellung"
cteriologie. verbunden ist. als es weithin angenommen wird. Um als dasjenige Segment eines Erzähltextes, das, gegebenenfalls von
der Eigengestalt der Past noch mehr gerecht zu werden, wäre es Schnitten begrenzt, durch eine bestimmte Einstellungsgröße, einen
m- E. sachgemäß, sie zeitlich und inhaltlich mehr von Paulus abzu- bestimmten Standort und eine bestimmte Blickrichtung markiert
eben, als es in der Studie geschieht. Es erscheint mir z. B. zwar ist" (123), so ergibt sich für ihn von hier aus zunächst die Aufgabe
nchtig. daß die mulier-taceat- Anweisung in IKor 14 und lTim 2 einer „Segmentierung" des Mk- Textes, die sich - entgegen seiner
der gleichen "ethical tradition" (40) entstammt; aber wenn man be- sonst üblichen Einteilung - „aufgrund von Änderungen in der Perächtet
, daß sie in IKor 14 eine Interpolation ist, unterscheidet sich spektivierung auf der Ebene der Raumcharakteristik" erschließt
die IKo r-Situation doch erheblich von der der Past. Ahnliches gilt (115).

T.s Annahme, die Frauen- und Sklavenprobleme seien in der Diesem Unternehmen kommt Zwick im 2. Hauptteil - „Die

Gemeinde von Ephesus "closely parallel the Situation reflected in Morpheme der markinischen Erzählung" (187-486) - nach. Hier

•Corinthians" (172). Dabei ist der große Unterschied nicht beach- analysiert er zwei „repräsentative" Abschnitte des MkEvs: 1,1-4,9

tet, daß in den PI-Briefen kein Haustafelschema zum Umgehen mit und 14,1-16,8. Zugleich beschreibt er sie erzählwissenschaftlich.

den Problemen verwendet wird. Das Verständnis und die Bedeu- Als Ergebnis seiner mit Blick auf das „System der Perspektivie-

'ung des Hl.- Geistes wird von T. "fairly consistent with ... that rung" vorgenommenen Zerlegung von 1,1-4,9 und 14,1-16,8 in

°und in the indisputed Paul" (58) gesehen. In Anbetracht der pneu- dessen kleinste „Segmente" stellt er mehrere „erstaunliche Relatio-

Hatologischen Engführung in den Past hin auf die Dienstämter nen" (487) zwischen beiden Textkomplexen fest. Diese - von ihm

nfft diese Beurteilung m. E. nicht zu. Die zeitliche Ansetzung der auch als Konvergenzen bezeichneten - Beziehungen betreffen die

Past 60-70 n. Chr. erscheint mir überdies zu früh. Für die Erfas- Anzahl der in ihnen eruierten „Einstellungen", ihre „Einstellungs-

sung der Entstehungssituation hätten m. E. außer den Gegner-Posi- große", den Wechsel ihres „szenische(n) Hintergrund(es)" sowie

lionen auch die weiterentwickelten Gemeindeordnungen stärker be- „Verschiebungen im Inventar der in den Einstellungen in den Ge-

riicksichtigt werden müssen. Ob man zwischen einer Situation in sichtskreis des Lesers gerückten Figuren" (488). Seine - auch tabel-

^eta und Ephesus unterscheiden kann (38), erscheint mir ange- larisch dargebotenen - Beobachtungen veranlassen den Autor

Vichts des einheitlich pseudepigraphischen Charakters der Briefe schließlich (mit Th. E. Boomershine) zu der Frage nach der „Exi-

raglich. Trotz dieser Einzeleinwände erachte ich die von T. einge- Stenz eines .rhetorischen', also Sinn- und Wirkungseinheit stiften-

schlagene Richtung angemessen für die weitere Erforschung der den Zusammenhangs der vielen Perspektiven-Segmente untereinan-

Past und in vielen ihrer Ergebnisse als sehr bedeutsam. der, durch den das MkEv zunächst als literarische und von daher

dann auch als theologische Einheit begreifbar wird" (490f).

Vallendar Alfons Weiser Ihr geht Zwick im 3. Hauptteil - „Die Syntax der markinischen

Erzählung" (487-616) - nach. Hier kommt nun auch der vom
Buchtitel her bekannte Begriff „Montage" in den Blick, der - als
„Organisationsprinzip der narrativen Syntax in Film und Literatur"

^w'ck. Reinhold: Montage im Markusevangelium. Studien zur nar- verstanden - von dem Autor als „das planmäßige Zusammenfügen

rativen Organisation der ältesten Jesuserzählung. Stuttgart: Kath. von Segmenten zu Einheiten höherer Ordnung" (493) erklärt wird.

Bibelwerk 1989. XVI, 652 S. gr. 8 = Stuttgarter biblische Beiträ- Obwohl im Anschluß an diese Begriffsbestimmung - nach Ausfiih-

8e. 18. Kart. DM 39.-. rangen zu einer „Typologie von Montage-Formen" sowie generellen