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Ausgabe:

1991

Spalte:

233-234

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Zitzmann, Kerstin

Titel/Untertitel:

Leben und Werk Otto Haendlers unter besonderer Berücksichtigung seines Seelsorgeverständnisses 1991

Rezensent:

Zitzmann, Kerstin

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 3

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licheren und zugleich einen genügend großen Zeitraum umfassenden aus dem Sprachgebrauch Haendlers wird dann dessen Verhältnis zur

Untersuchung der Quellen zu dieser Frage, welche doch auch und Tiefenpsychologie dargestellt. Haendler hat sich frühzeitig intensiv um

gerade in der lutherischen Kirche von Interesse sein sollte. die Rezeption der Tiefenpsychologie in der Theologie bemüht und

Nach einem chronologischen Durchgang durch die Quellen (unter herausgearbeitet, wie die Tiefenpsychologie für die Theologie fruchtbar

Einbeziehung auch von „apokryphen" und gnostischen Schriften), in gemacht werden kann. Seine Forschungen waren Grundlage für eine

welchem die Texte jeweils für sich sprechen sollen und in ihrem neue Verhältnisbestimmung von Seelsorge und Tiefenpsychologie

eigenen Kontext interpretiert werden, kommt die Arbeit zu folgenden überhaupt. Haendler hat mitgeholfen, den Boden für ein Seelsorge-

Ergebnissen: konzept vorzubereiten, für das die pastoralpsychologische Arbeit ein

Ab Ende des zweiten Jh. läßt sich für den Sonntagsgottesdienst wesentlicher Faktor ist.

uberall die gleiche Grundstruktur aus Wortteil und eucharistischem Im 3. Teil der Arbeit (Die Bedeutung und der Beitrag Otto Haend-

Teil nachweisen (Justin, Syrische Didaskalie, „Apostolische Tradi- lers für die Seelsorge) werden die Grundzüge seines Seelsorgeverständ-

tion" des Hippolyt, Tertullian; einige der apokryphen Apostelakten, nisses dargestellt und in ihrer Entwicklung verfolgt. Haendler vertritt

spätere Quellen). Zu Schriftlesung und Predigt waren auch die Kate- das Konzept einer personorientierten Seelsorge. Dazu bedarf es

ehumenen als Hörer zugelassen, zum Fürbittengebet der Gemeinde theologischer und psychologischer Anthropologie. Die notwendige

und zur Eucharistiefeier aber nicht mehr. „seelsorgerliche Kompetenz" wird erlangt durch die Gestaltung der

Diesem späteren, zweiteiligen Gottesdienst stehen in der frühesten Person, durch Reifung, die die bewußte Wahrnehmung eigener PerZeit
die abendliche Mahlfeier mit Eucharistie und ein frühmorgend- sönlichkeitsstruktur, ständige Reflexion des eigenen Erlebens und
Hcher Wortgottesdienst gegenüber (Act 2,42 ff; IKor 11 und 14; Gegenwärtigsein in der Zeitsituation vom Seelsorger verlangt.
P'inius d. J., ep. X,96; Ignatius von Antiochien). Die Wortversamm- Der 4. Teil (Meditation im Verständnis von Otto Haendler) be-
'ungen lassen sich dabei, auch in den heidenchristlichen Gemeinden, inhaltet die Darstellung seiner im Rahmen der Evangelischen
am ehesten als,.Synagogengottesdienste" der Christen begreifen. Michaelsbruderschaft gestalteten Art von Meditationsübungen* (be-

Die Entwicklung zum einheitlichen Sonntagsgottesdienst hatte ver- wußte und methodisch angelegte, gegenständliche Meditation),
schiedene Gründe; wichtig ist z. B., daß hier die Möglichkeit zu einer Haendler hat die Bedeutung der Meditation für die Persönlichkeits-
Feier der ganzen Gemeinde lag, die einer Aufsplitterung in Haus- bildung neu erkannt, da sie sowohl Lebens- als auch Glaubenshilfe
gemeinden entgegenzuwirken vermochte. gibt. Neben der Beschreibung seiner Art zu meditieren werden die Ge-

Regelmäßige Schriftlesungen sind auch für die frühen, eher charis- schichte der Evangelischen Michaelsbruderschaft aufgearbeitet und

matisch geprägten Wortgottesdienste anzunehmen. Ein engerer Bezug Haendlers Veröffentlichungen zur Meditation analysiert,
tischen Schriftlesung und Predigt läßt sich aber erst ab der Mitte des
zweiten Jh. nachweisen (noch nicht im Zweiten Clemensbrief, wohl
aber bei Justin, Melito und dann v. a. bei Hippolyt von Rom und
Origenes; in jeder Beziehung schwierig ist die Auswertung der An-

Von Personen

gaben des Clemens von Alexandrien). Am eindeutigsten waren die Ingetraut Ludolphy zum 70. Geburtstag

redigten des Origenes als Auslegung jeweils eines Bibeltextes konzi-

P'ert. Die Gefahr, daß der „Wortgottesdienst" nach seiner Zusam- Am 2. März 1991 begeht Frau Prof. Dr. Ingetraut Ludolphy - die

Anlegung mit der Eucharistiefeier zum Katechumenunterricht ver- international bekannte Forscherin auf dem Gebiet der Reformations-

kürnmerte, wurde durch große Prediger wie ihn immer wieder geschichte und der Konfessionskunde - ihren 70. Geburtstag. Die

äbgewendet. Jubilarin, aus Dresden gebürtig, war zunächst im höheren Schuldienst

tätig (Biologie, Mathematik, Chemie), sattelte im Jahr 1951 auf
Theologie um, promovierte 1956 bei Franz Lau in Leipzig mit einer

'tzmann, Kerstin: Üben und Werk Otto Haendlers unter besonderer Arbei, über den romantischen Naturphilosophen Heinrich Steffens

Berücksichtigung seines Seelsorgeverständnisses. Bd. I u. II. Diss. , • „ . .... ■ „ ,i__. , , ..... . , ....

Jena 1988 ""OS S u 94 S Verhältnis zum Altluthertum und habilitierte sich 1961

daselbst für das Fach Kirchengeschichte mit einer Abhandlung über
Das Hauptanliegen der Arbeit besteht darin, Otto Haendlers Seel- „Die Natur bei Luther". Seit ihrer Emeritierung als Hochschul-
s°rgeverständnis auf den Hintergrund seiner Biographie und seines dozentin an der Universität Leipzig i. J. 1981 lebt und arbeitet sie in
Gesamtwerkes darzustellen und transparent zu machen. Dazu wird Erlangen und hat sowohl hier als auch in Tübingen und Neuendet-
^s umfangreiche und z. T. unveröffentlichte Material seines Lebens- telsau über Jahre hinweg kirchengeschichtliche Ordinariate verWerkes
zusammengetragen und analysiert. Dabei konnte die Aktuali- tretungsweise wahrgenommen. Unter ihren zahlreichen wissenschaft-
lät seiner Gedanken für die heutige Poimenik, Homiletik und Prak- liehen Veröffentlichungen ragt die monumentale Standard-
l|sche Theologie insgesamt nachgewiesen und gewürdigt werden. Monographie über „Kurfürst Friedrich den Weisen" (Göttingen
Otto Haendler (1890-1981), zuletzt o. Professor an der Humboldt- 1984) besonders hervor. Frau Ludolphy ist Ehrendoktor des Augu-
Universität Berlin, ist einer der Bahnbrecher der modernen Seelsorge- stana-College Rock-Island (III., USA) und war mehrfach Mitglied von
bewegung im deutschen Sprachraum, einer der Väter der Pastoral- Kommissionen des Lutherischen Weltbundes zur Führung interPsychologie
und einer der wichtigsten Theologen unseres Jahr- konfessioneller Gespräche im In-und Ausland.

Erlangen Karlmann Beyschlag

"underts.

'm I .Teil der Arbeit (Der Lebensweg Otto Haendlers) wird ein umfassendes
Bild der Person, Entwicklung und Gedankenwelt Otto
Haendlers vorgelegt, das sowohl für die theologische Zeitgeschichte

a|s auch für die Geschichte der Praktischen Theologie als eigen- Bibliographie Ingetraut Ludolphy

ständiger Disziplin von erheblicher Bedeutung ist. (Diese Biographie - (zusammengestellt von Gerhard Müller, Wolfenbüttel)

""t Fotos ergänzt - findet sich zusammen mit einer Bibliographie ^

sowie einem Vorlesungsverzeichnis in Band II.)

Im i t i j »j. «-w u ji ii u- i. ts r u ' Henrich Steffens. Sein Verhältnis zu den Lutheranern und sein Anteil an

lm 2. Teil der Arbeit (Otto Haendlers Verhältnis zur Tiefenpsycho- _ . . „ .. , . . ,, . . , „ .,.

. , , „ , _ , _ .,.„,„ . . Entstehung und Schicksal der altluthenschen Gemeinde in Breslau. Berlin:

"Sie, insbesondere zur „Komplexen Psychologie Carl Gustav Jungs) EVA [962

w<rd zunächst das Verhältnis von Seelsorge und Tiefenpsychologie in 2 DieNaturbei Luther. Maschschr. Habilitationsschr. 1960.

ausgewählten Seelsorgekonzeptionen des 20. Jh.s im deutschen Sprach- j Die Hintergründe der Religionspolitik Karls V. Berlin: EVA in Ko-

^Um bestimmt. Anhand von Veröffentlichungen und Schlüssel worten Produktion m. Calwer Verl., Stuttgart 1965.