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Ausgabe: | 1991 |
Kategorie: | Praktische Theologie |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 3
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Liebe selbst: der Dialog" (151). Unter Bezugnahme auf die bekannten
Traditionen des dialogischen Denkens werden eine Fülle von Einsichten
deutlich, die jedem seelsorgerlichen Gespräch zur sach- und situationsgerechten
Ausrichtung verhelfen können. Im Rekurs auf E. Levi-
nas wird für W. Sprache im Dialog zur „Für-Sprache". (164), zu
„antwortende(m) und verantwortliche(m) Sprechen zum andern für
den andern" (168). Jesus Christus ist ihm gerade von daher „Erfüllung
jedes seelsorgerlichen Gesprächs" als der „Dialogik der Liebe".
Das freilich verlangt keineswegs, „daß bei jeder Gelegenheit ausdrücklich
von Jesus Christus gesprochen werden müßte" (189). W.
unterscheidet hier sorgfältig zwischen „Glaubensgrund" und „Glaubensweg
". Die Kirche selbst muß zu einer „Dialoggröße" werden
(192), zu einem „Gleichnis der ,Sache Jesu"' (233). Sie kann die
„Menschwerdung durch die Liebe" nicht vermitteln, wenn sie im
„Monolog eines Großwahrheitsbesitzers" (Zitat Schillebeeckx 217)
redet. Was für die Kirche gilt, trifft auf den Seelsorger selbst zu. Die
Kompetenz zur Seelsorge beruht letztlich auf der „Wort- und Liebesfähigkeit
" (241) des Seelsorgers selbst.
Jeder Seelsorger und jede Seelsorgerin, die ernsthaft um eine theoretische
Grundlegung ihrer Arbeit ringen, werden dieses Buch mit
großem Gewinn durcharbeiten. W. s Darlegungen lassen einen theologisch
verantworteten Weg für die Seelsorge finden, bei dem eine
Reduzierung des helfenden Gesprächs auf die Anwendung von Techniken
ebenso vermieden wird wie seine missionarische Verzweckung.
Allerdings fordert das Buch ein hohes Maß von Anstrengung. W.
macht es dem Leser nicht leicht. Manchmal hätte man sich anstelle
der fundamentaltheologischen Ausweitung eine eher praktischtheologische
Konzentration des Textes gewünscht. Der evangelische
Leser muß sich freilich bewußtmachen, daß im katholischen Sprachgebrauch
der Begriff der Seelsorge immer sehr viel weiter gefaßt ist.
Und so geht es in diesem Buch im Grunde auch um eine theologische
Grundlegung für die gesamte pastorale Praxis.
Den Grundanliegen dieser Untersuchung kann man nur weite Verbreitung
wünschen. Offen bleibt für mich nur, wie von dem hier vorgestellten
Ansatz her die soziale und psychologische Beratungsarbeit
der Kirchen zu verantworten wäre. Sie kann ja wohl schwerlich auch
nur intentional als Hinführung zum Christusglauben verstanden werden
. Dabei wäre es aber doch wichtig, gerade die Beratungshilfe in
Lebensfragen für Menschen, die keine Christen sind, als integralen
Bestandteil der Seelsorgearbeit zu begreifen.
Leipzig Jürgen Ziemer
Boeckler, Richard, u. Klaus Dirschauer [Hg.]: Emanzipiertes Alter. 1:
Sachbuch. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1990. 206 S. m. 6
z. T. färb. Abb. 8°.
„Das Altern will gelernt sein". Die zwölf Beiträge dieses Bandes
helfen bei dem Weg ins mündige Alter, indem sie dazu anregen, „beizeiten
den Aiternsprozeß in der eigenen Lebensgeschichte zu entdecken
und akzeptieren zu können". Sie gehen davon aus, daß das
Alter erheblich durch frühe Weichenstellungen in der Lebensgeschichte
vorgeprägt wird. Das Buch endet deshalb folgerichtig mit
einer instruktiven Einführung in religionspädagogische Entwürfe zum
Thema. Sachbuch ist der Band genannt, weil er aus theologischer,
gerontologischer, pädagogischer und philologischer Sicht über die
Probleme des Alterns informiert. Die Informationen über Sachthemen
von der Statistik bis zur Sexualität im Alter sind in ansprechender
Weise mit Erfahrungsberichten und anderen narrativen
Stücken verbunden. So schildert ein invalidisierter Pfarrer seinen Abschied
vom Beruf, eine Journalistin deutet erzählend die These, daß
jeder altert, wie er oder sie gelebt hat. Der erzählende und dialogische
Stil macht das Buch nicht nur gut lesbar, sondern er dient auch dem
emanzipatorischen Ziel. Dem Leser wird nicht vorgeschrieben, wie er
sich auf sein Altern einzustellen hat, sondern ihm werden Hilfen angeboten
, in Zustimmung und Widerspruch seine eigenen Lebensressourcen
zu entdecken. Damit ist das Buch eine Hilfe auch für die
Gemeindepraxis. Außerdem soll noch in diesem Jahr ein Werkbuch
erscheinen, das praktische Anregungen zum Thema für die Gemeindearbeit
gibt.
E.W.
Bamberg, Corona: Gläubige Sinn- und Selbstfindung (GuL 63, 1990,
16-30).
Hagenmaier, Martin: Ratlosigkeit in der Seelsorge? Beispiele aus der
Psychiatrie-Seelsorge (PTh 79,1990,193-207).
Hoch, Lothar Carlos: Seelsorge und Befreiung. Problemanzeige aus lateinamerikanischer
Sicht (WzM 42,1990,132-144).
Kiessmann, Michael: Zum Problem der Identität des Paulus. Psychologische
Aspekte zu theologischen und biographischen Fragen (WzM 41, 1989,
156-172).
Martin, Gerhard Marcel: Glaubenserfahrung - Lebenserfahrung (EvTh 50,
1990,103-116).
Masamba roa Mpolo: Spiritualität und Seelsorge im Dienst der Befreiung.
Kontext und Praxis einer afrikanischen Seelsorge (WzM 42,1990,144-158).
Morgcnthaier. Christoph: Grenzen des Helfens in der Seelsorge (WzM 41,
1989,204-218).
Müller, Wunibald: Erkennen - Unterscheiden - Begegnen. Das Seelsorgerliche
Gespräch. Mit einem Beitrag von I. K. Müller. Mainz: Grünewald 1990.
116 S. 8* = Heilende Seelsorge. Kart. DM 19,80.
Nossol, Alfons: Ort der Familie im Mysterium Salutis (CoTh 58, 1989,
3-19).
Psychologische Beratung in der Kirche. Mit Beiträgen des Dozententeams des
Evangelischen Zentralinstituts (WzM 42, 1990,1-46).
Riediger, Günter: Das Glück, dich zu lieben. Für ein Leben zu zweit. Gütersloh
: Mohn 1989.68 S. m. 25 Farbfotos 8'. geb. DM 19,80.
Ringel, Erwin: Selbstmord. Appell an die anderen. 4. Aufl. München: Kaiser
1989. 98 S. 8' = Kaiser-Taschenbücher, 68. Kart. DM 8,80. (1. Aufl. bespr. von
E. Hertzsch 1977,128).
Schmidt-Rost, Reinhard: Arzt und Seelsorger. Sinn und Grenze der Profes-
sionalisierung zweier alter Berufe (PTh 79,1990,208-222).
Schweidtmann, Werner: Bewältigung von .tödlichen' Wahrheiten. Ergebnisse
einer empirischen Befragung über die Auseinandersetzung mit dem nahen Tod
(WzM41, 1989, 193-204).
Seitz, Manfred: Begründung, Probleme und Praxis der Seelsorge (ThR 54,
1989,335-379).
Turre, Reinhard: Der Griff nach dem Leben (ZdZ 44,1990,11-16).
Walach, Harald: ... so wird Gott in dir geboren. Christliche Glaubenserfahrung
und Transpersonale Psychologie. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1990.
126 S. kl. 8' = Herder Taschenbuch, 1710. Kart. DM 9,90.
Weger, Karl-Heinz: „Wozu sind wir auf Erden?" Sinnerfahrung im Glauben.
Freiburg-Basel-Wien: Herder 1989. 127 S. kl. 8' = Herder Taschenbuch, 1590.
Kart. DM 9,90.
Ziemer, Jürgen: In Freiheit helfen. Zur psychologischen und theologischen
Problematik der helfenden Berufe (ZdZ 44,1990,6-11).
Ökumenik: Missionswissenschaft
Gilliland, Dean S. [Ed.]: The Word Among Us. Contextualizing Theo-
logy for Mission Today. Dallas-London-Sydney-Singapore:
Word Publishing 1989. VIII, 344 S. 8 Kart. $ 15.99.
Die Hochburg evangelikal-bibeltreuer Missionstheologie in Pasa-
dena/USA legt hier einen Sammelband der Fakultät zum Thema
Kontextualisierung vor! Das ist schon in sich ein Ereignis, und der
Gehalt des Werkes birgt dann weitere Überraschungen.
Vierzehn Beiträge, sechs zur Grundlegung: „Das Wort und die
Welt", acht zur „Transformation durch das Wort". Schade, daß vermutlich
nur einem Teil der Leser überhaupt einige der Autoren
bekannt sein werden - vielleicht Arthur F. Glasser, C. Peter Wagner,
Charles H. Kraft?
Das Buch ist ein Dokument für einen Prozeß: Die evangelikale
Missionsbewegung versucht hier, sich nicht nur den Begriff der Kontextualisierung
, sondern auch, was damit verbunden war, theologisch
verantwortet anzueignen.