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Ausgabe:

1991

Spalte:

192-193

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lohfink, Gerhard

Titel/Untertitel:

Studien zum Neuen Testament 1991

Rezensent:

Lohse, Eduard

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 3

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dung bedauern oder begrüßen soll, mag wohl von der Art der Interessiertheit
des Benutzers abhängen. Wer sich für die große Linie interessiert
und die Stufen des wissenschaftlichen Fortschritts nacherleben
möchte, wird vielleicht nicht so auf seine Kosten kommen wie einer,
der sich - wie der Rezensent - besonders für die Einzelheiten interessiert
und dem die „Nachschlagbarkeit" eines solchen Werkes ein
Wert an sich ist. Jedenfalls ist diese „Umpolung" für den Autor selbst
Anlaß genug, um die jetzige Anlage des Werkes ausführlich zu
begründen und zu erklären (XI-XIV). Ob aber nun die Kompliziertheit
dieser Einführung (die ihr in meinen Augen wenigstens eigen
ist) nur die Kompliziertheit der Anläge des Werkes selbst sachgemäß
widerspiegelt oder mehr in der Kompliziertheit seiner Vorgeschichte
begründet ist, kann man sich fragen. In der Tat schwierig ist freilich
die Einbeziehung und Einarbeit der Arbeit von Majella Franzmann;
aber die wird gerade in der Einführung nicht hinreichend erklärt. Vielmehr
enthüllt es sich erst „unterwegs" (vgl. 329. 365. 368), daß und
wie hier die B. A. (Hons.)-Arbeit einer Schülerin integriert worden ist;
und zwar ist deren erster bibliographischer Teil aufgespalten und
über die ganze Bibliographie verteilt worden (kenntlich schon an der
englischen Sprache der Anmerkungen, ehe jeweils am Ende die Zeichnung
M. F. erscheint), während der zusammenfassende zweite Teil
als Anhang (= Kap. VI, 371-425) geboten wird.

Der Kern von L. s Bd. III erscheint als Kap. IV „Chronologische
Bibliographie 1910-1984" (57-367). Ihm sind aber noch drei darauf
zuführende kleine (Einführungs-)Kapitel vorangestellt, nämlich: „I.
Die Zeit des Rätselratens über die Oden-Zitate" (1-30); „II. Das Jahr
der syrischen editio princeps von J. R. Harris" (31-47); „III. Der
Anfang der ,Hochflut' mit A. Harnack" (49-56). Es folgen dem Kernstück
unter V. schließlich noch „Ergänzungen und Nachträge"
(368-370).

Nun ist ein Werk wie dieses natürlich nicht zum Lesen, sondern
zum Nachschlagen da. Aber man kann dennoch darin tatsächlich
auch lesen. Besonders die Lektüre der kleinen Eingangsabschnitte
empfand ich als außerordentlich anregend. Jeder Rückblick auf die
allerersten Anfange eines Forschungsbereichs hat ja etwas Faszinierendes
. Daß die Frage nach dem Verhältnis der OdSal zum JohEv von
Anfang an da ist, war mir vorher gar nicht so bewußt. Ebenso interessant
war mir, zu erfahren, daß auch die Möglichkeit der Frühdatierung
(ins 1. Jh. n. Chr.) schon am Beginn der Forschung ergriffen
worden ist.

Was nun sonst die „kritischen Anmerkungen" des Werkes, die
jeweils den eigentlichen bibliographischen Angaben folgen, anbelangt
, die aus Skizzierung (mit vielen wörtlichen Zitaten) und Bewertung
des Inhalts bestehen, so sind sie - nicht gleich im Umfang -
variabel genug, um das Wichtige vom weniger Wichtigen sich abheben
zu lassen. Besonders ausführlich sind z. B. die Bemerkungen zu
„GRIMME OdSal (1911)" (98-107) und „ABBOTT Light (1912)"
(123-129). Gleichwohl ist die Länge nicht unbedingt ein Wertmesser;
denn gerade die allerwichtigsten einschlägigen Werke, diejenigen
nämlich, die L. im Kommentar ständig zu benutzen gedenkt (Zusammenstellung
auf S. XII), werden in der Regel in dieser Bibliographie
nur einer kurzen und allgemeinen „kritischen Anmerkung" gewürdigt
, wodurch Bd. III übrigens ein wenig den Charakter eines For-
schungs-„Museums" (die „toten Gleise") bekommt. Bei Werken, die
die OdSal nicht zum Gegenstand haben, sich vielmehr u. a. nur so
oder so auf sie beziehen, geht es in den „kritischen Anmerkungen"
natürlich nur um diesen OdSal-Bezug.

Alle Notierungen dieses „Zwischengliedes" in L. s Werk über die
OdSal, einschließlich der zur praktischen Handhabung nötigen Verzeichnisse
und Register am Anfang und Ende, sind, soweit ich es beurteilen
kann und zu prüfen vermochte, sorgfältig erarrarbeitet - und auch
sorgfältig von L. selbst „getippt" worden (S. VIII) -, so daß der Kreis
der an den OdSal wissenschaftlich Interessierten hierein Arbeitsmittel
in die Hand bekommen hat, dessen Brauchbarkeit sich ihm wohl erst
bei der konkreten Arbeit damit voll erschließen wird.

Berlin Hans-Martin Schenke

Lohfink, Gerhard: Studien zum Neuen Testament. Stuttgart: Kath.
Bibelwerk 1989. 408 S. 8" = Stuttgarter Biblische Aufsatzbände, 5
(Neues Testament). Kart. DM 39,-.

In den hier vorgelegten Studien zum Neuen Testament hat der ehemalige
Inhaber des Lehrstuhls für Neues Testament an der Katholisch
-Theologischen Fakultät in Tübingen eine Reihe von Aufsätzen
zusammengestellt, die in den Jahren 1965-1989 an verschiedenen
Stellen veröffentlicht worden waren. Er legt damit gleichsam vor sich
selbst wie auch vor der theologischen Öffentlichkeit noch einmal
Rechenschaft ab von einer ihm lieb gewesenen Aufgabe, von der er
aus eigenem Entschluß Abschied genommen hat. Die Studien befassen
sich vorwiegend mit Problemen der Evangelienauslegung und der
Apostelgeschichte sowie der Frage nach dem Verhältnis der pauli-
nischen Theologie zu der der Pastoralbriefe. Obwohl die einzelnen
Abhandlungen bei verschiedenen Anlässen entstanden sind, weisen
sie doch eine sie verbindende Gemeinsamkeit auf. Diese wird einmal
daran sichtbar, daß der Vf. stets mit besonderer Sorgfalt die alttesta-
mentlichen Voraussetzungen neutestamentlicher Aussagen aufzuspüren
bemüht ist, um auf diese Weise den größeren Zusammenhang
einer biblischen Theologie sichtbar werden zu lassen. Sodann aber
sind auch die Erörterungen exegetischer Detailprobleme immer so
gestaltet, daß sie sich nicht in speziellen Einzelheiten verlieren,
sondern im Blick behalten, auf welche Weise das biblische Wort den
heutigen Hörer und mit ihm die ganze Gemeinde anredet.

In den Abhandlungen, die dem Verhältnis der Pastoralbriefe zu den
authentischen paulinischen Dokumenten gelten, wird im Unterschied
zur älteren kritischen Forschung mit Recht hervorgehoben, daß der
Vf. der Pastoralbriefe in eine veränderte Situation die überkommene
Botschaft des Apostels hineinsprechen möchte. Sowohl aus literarischer
Überlieferung, vor allem dem Römerbrief, wie auch aus lebendiger
Gemeindetradition ist ihm die paulinische Theologie zugekommen
, die er nun seinerseits verarbeitet und neu gefaßt hat. Lohfink
sucht darzulegen, daß „die auffälligen Gemeinsamkeiten zwischen
Paulus und den Past keinesfalls übersehen" werden dürfen (315),
läßt dann freilich das Pendel der Beurteilung so weit zur Seite der
Zusammengehörigkeit ausschwingen, daß er hinsichtlich der inneren
Verknüpfung von Evangelium und Tradition keinen grundsätzlichen
Unterschied zwischen Paulus und den Past meint annehmen zu sollen
. An dieser Stelle nimmt er dann jedoch selbst gegen eine zu weit
gehende Annäherung die notwendige Einschränkung vor, daß es bei
Paulus zwar das Evangelium als normative Tradition gebe, für ihn
aber die Sicherung dieser Tradition noch kein wirkliches Problem sei.
„Demgegenüber wird die Tradition in den Past nun ausdrücklich
durch die Bindung an das kirchliche Amt abgesichert, wobei aber völlig
klar ist, daß diese amtliche Absicherung allein und ausschließlich
dem Evangelium zu dienen hat." (324)

Die enge Zusammengehörigkeit von Altem und Neuem Testament
gewinnt durch den eschatologischen Charakter der urchristlichen
Verkündigung an kraftvoller Dringlichkeit. Diese Perspektive läßt
sowohl die geprägte Bedeutung der Johannestaufe und ihrer Fortführung
in der christlichen Taufe erkennen wie auch die Ansage von der
Herrschaft Gottes in ihrer unverwechselbaren Eigenart deutlich hervortreten
. In grundsätzlicher Übereinstimmung mit der neueren kritischen
Exegese erklärt der Vf.: „Das Reich Gottes ist nicht machbar -
sowenig es mit dem Volk Gottes je identisch ist. Es kann nur als Wunder
von Gott in die Welt eingesenkt werden." Er fährt dann jedoch
fort: „Das allerdings ist unabdingbare Voraussetzung: Es muß Menschen
finden, die es annehmen. Es muß ein Volk haben, das es annimmt
. Genau dazu war Israel von Gott auserwählt. Genau dazu ist
auch die Kirche, die nach dem Glauben des gesamten Neuen
Testaments das wahre und endzeitliche Israel ist, von Gott auserdacht
." (90) Alttestamentliche Bezüge sowie Konsequenzen für das
Verständnis der Aufgabe, der gegenwärtige Kirchlichkeit zu dienen
hat, sind in dieser Zusammenfassung exegetischer Bemühungen fest
miteinander verbunden.