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Ausgabe:

1991

Spalte:

180-183

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Engelken, Karen

Titel/Untertitel:

Frauen im alten Israel 1991

Rezensent:

Weiler, Gerda

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 3

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nig sollte das Reden vom Heiligen Geist - so sehr er zu einem lebendigen
Glauben nötig ist - wenn auch ungewollt zu einem heuristischen
Prinzip werden.

Kenneth L. Chafin, als Prediger wie als akademischer Lehrer mit
den Fragen der Evangelisation vertraut, ist von daher für seine Aufgabe
bestens ausgewiesen. Schon das ausgewogene Literaturverzeichnis
- deutsche Literatur nur soweit englische Übersetzungen da sind
(Hertzberg, Keil, von Rad, Rost) - zeigt grundsätzliche Offenheit für
wissenschaftliche Fragen.

Gibt es zu einzelnen Stellen verschiedene Auslegungsmöglichkeiten
, werden sie bisweilen registriert (42: die Frauen am Tempel von
Silo; 66: reading many Commentaries; 249: Sauls Tod; 251: der
Kampf zu Gibeon; 264: Stellung von 2Sam4 im Zusammenhang;
272: Zeitpunkt der Eroberung Jerusalems), doch so, daß der Standpunkt
des Vf.s erkennbar bleibt.

Realien werden knapp, doch ausreichend erklärt (40.183: Ephod;
219: Scheol; 346: Urim und Tummim); uns fremde Verhältnisse
werden als zeitbedingt anerkannt (26: Polygamie; 126: Eindruck von
Barbarei), und darum die Auslegung der Texte zunächst in ihrem
* historischen Kontext allgemein gefordert (126.204).

Zu der hier verwendeten King-James-Version werden, wo nötig,
semasiologische Erläuterungen gegeben (32: Know; 153: Bedeutungsumfang
von skl = klug sein; 182: ad olam = for ever; 89: lSam 10,8,
das neue Herz, nicht neutestamentlich zu verstehen).

In der Einleitung (15-22) gibt der Vf. zu literarkritischen Fragen
den wichtigen Hinweis, daß die hebräischen Geschichtsschreiber
weniger Autoren als Kompilatoren verschiedener Quellen sind, was
Wiederholungen, Stilverschiedenheiten, auch scheinbare Widersprüche
(lSam 7-12) zur Folge hat, ferner zeitraffende Darstellungen
(149.170) erklärt. Der häufige Hinweis darauf, daß viele Erzählungen
nicht historisch, sondern theologisch zu verstehen sind, macht deutlich
, daß die Auslegung nicht den Nachdruck auf die Geschichte als
solche, sondern auf das Wirken Gottes in dieser Geschichte legt. Da
wissenschaftliche Methode nur Hilfe, nie Selbstzweck sein kann, entscheidet
das Ziel, das der Vf. sich setzt, über den Umfang ihrer Anwendung
. Freilich würde ich hier fragen, ob nicht lSam 16,1-13
als spätere Vorwegnahme kommender Ereignisse ausgelegt werden
sollte? Die folgenden Berichte über Davids Krönung und Salbung
brauchten dann nicht so gewunden erklärt zu werden.

Die lebensnahe Darstellung will in der Geschichte Israels/Davids
das Wirken Gottes wie das menschliche Reagieren darauf in Dankbarkeit
, Gehorsam oder Widerstreben als Modellfall für das eigene Leben
durchschaubar machen. Dem dient die Schilderung persönlicher
Erfahrungen, die der Vf. zu verschiedenen Zeiten seines Lebens mit
den Texten machte (etwa 45; 46; 67; 86; 126; 18). Zum Teil sind sie
allgemeingültig und darum von großer Eindrücklichkeit (etwa 84; 90).
Das hat sein gutes Recht, denn eigentlich sollte jede Auslegung etwas
von der inneren Beteiligung des Auslegenden an seinem Gegenstand
erkennen lassen. Manchmal wird man aber doch fragen, ob damit
nicht die Gefahr einer zu starken Einengung auf die private Sphäre
verbunden ist. Indessen ist auch hierüber das Urteil des Vf.s entscheidend
.

Dazu kommt etwas anderes. Zwar sind Phantasie und Psychologie,
kaum voneinander zu trennen, dem Ausleger unentbehrlich, aber er
muß vorsichtig damit umgehen, sich vor Augen halten, daß die Schrift
das selber sagt, was gewußt werden soll. Mag das oft schwer einzusehen
sein, so bewahrt es doch vor Verzeichnungen (46: Ausmalung der
Berufungsgeschichte; 176: David und die Probleme des Volkes; 249.
256: das Verhalten Abners und Davids Verhältnis zu ihm). Aber ich
streite nicht ab, daß die so zu gewinnende Sinndeutung christlicher
Existenz lebensnah und hilfreich sein kann (242: die Anerkennung
des Rechts zur Trauer; 199: Warnung vor geistlicher Selbstüberschätzung
; oder 53. 54; auch 129: toter Buchstabenglaube, am blinden
Vertrauen auf die Lade exemplifiziert). Hierzu würde ich auch die
Erklärung des Charakters eines Wunders (63) rechnen. Dagegen wirkt
das über die Reue Gottes Gesagte (126) gewunden.

Am Anfang der Bibel steht die Geschichte vom Sündenfall. Zu
unserer Existenz vor Gott gehört, daß wir in einer „gefallenen Welt"
leben, und auch in alles rechte Wollen die Fehlbarkeit des Menschen
mit einzustellen ist. Das Wissen darum macht getrost und frei zum
Tun des Möglichen und bewahrt vor falschen Kompromissen. Der
Schritt von enger Gesetzlichkeit zu Libertinismus ist kurz. Verstehe
ich recht, sieht das auch der Vf. (246: wir müssen Frieden mit einer
unvollkommenen Welt machen) und warnt darum auch vor einer
„health and wealth"-Predigt (170), für die christliches Leben problemlos
ist. Es wird zu viel „du sollst" und zu wenig Gnade verkündigt
(43. 131). Liegt vielleicht darin auch ein Grund für die Predigtmüdigkeit
heute?

Zustimmung zu dem über die geschichtlichen Voraussetzungen der
Exegese Gesagten (126. 204), Bejahung nüchterner und guter Situationsbeobachtungen
bedeutet nicht rückhaltlose Zustimmung zu allen
Darlegungen. Ich beschränke mich auf eine, dafür tiefer gehende
Frage, ob die Auslegung die inhaltlichen und literarischen Probleme
des zweiten Buches genügend gewürdigt hat. Die knappe Schilderung
der Regierung Davids in Höhen und Tiefen, Anfeindung und Anerkennung
unterscheidet das zweite Buch so von den lockeren Anekdoten
des ersten, daß man meinen kann, dies sei als eine Art Einführung
jenem hinzugefügt.

Der Vf. übernimmt hier, m. E. zu schnell, geläufige Vorstellungen,
die sich nicht notwendig aus den Texten ergeben, nicht mehr unbestritten
und m. E. nicht einmal wahrscheinlich sind (17: deuterono-
mistische Redaktion, exilische Situation; 225. 281. 313: Thronfolgeüberlieferung
). Das erklärt wohl manches, mir vordergründig scheinendes
Urteil (der skrupellos ehrgeizige Abner; der gewissenlos
machtgierige Absalom - doch Joab hielt mindestens anfangs viel von
ihm [323]), aber auch manches überhöhte Prädikat Davids (153.
261).

Ihre Stellung und Funktion ist an einem Wendepunkt der Geschichte
Israels, dem Übergang von einem stamm- und sippenmäßig
verfaßten Führertums zum Königtum Davids; das ist profan gesehen
eine geschichtliche Notwendigkeit, doch auch als solche ein Plan
Gottes. Das ist freilich etwas so Neues, daß viele diesen Plan nicht
erkennen, das Neue mit Besorgnis sehen, es vielleicht ablehnen (auch
Absalom?). Aber trotz Versagen, Ratlosigkeit, Mord und Gewalt bei
den Menschen, es war Gottes Ratschluß; das ist leicht zu sagen, aber
schwer zu erkennen, es war Gottes Weg, den im Glauben mitzugehen
oft so mühselig ist. Verstehe ich sie recht, will die Botschaft des zweiten
Samuelisbuches da helfen. Gerade die Erfahrungen unserer
Gegenwart, unsere Zaghaftigkeit, die Herausforderung unseres Glaubens
durch Entwicklungen, die wir nicht übersehen, könnte uns
besonders bereit für diese Seite der Botschaft machen.

Gewiß sieht der Vf. all das auch; er weiß, daß das Leben des einzelnen
eingebettet ist in die Geschichte der Welt, die über sich hinausweist
auf die Vollendung. Dennoch meine ich, daß hier zu privat und
nicht weltweit genug geredet ist.

Trotz mancher Einwände, trotz eines anderen Ansatzes meiner
Auslegung, habe ich das Buch gern gelesen, mich an vielem gefreut
und von ihm gelernt.

Basel Hans Joachim Stoebe

Engelken, Karen: Frauen im Alten Israel. Eine begriffsgeschichtliche
und sozialrechtliche Studie zur Stellung der Frau im Alten Testament
. Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1990. IX, 256 S. gr. 8'
= BWANT, 130. Kart. DM 79,-.

Lassen sich aus der hebräischen Bibel Erkenntnisse über die soziale
Stellung von Frauen gewinnen? Karen Engelken kritisiert den Stand
der Forschung: „... die Soziologie Israels wird nach wie vor nicht als
ein Thema für sich behandelt" (173). Ich denke, diese Zurückhaltung
der Theologen ist berechtigt - bietet doch das Buch des Glaubens, die