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Ausgabe:

1991

Spalte:

178-180

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Chafin, Kenneth

Titel/Untertitel:

1, 2 Samuel 1991

Rezensent:

Stoebe, Hans Joachim

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 3

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Am 9,4b findet einen Nachhall in Jer21,10a; 24,6aa; 39,16a und Die Argumentation der anregenden Untersuchung ist von unter-

44,27a. Sämtliche einschlägigen Jer-Texte sind nachjeremianisch und schiedlicher Überzeugungskraft. Am einleuchtendsten ist die Abhän-

redaktionell, stammen jedoch nicht aus einer Hand. gigkeit der oben genannten Texte von Am 9,4b,3 denn hier liegen

Zum einzelnen: Jer21,4, dessen kürzerer LXX-Text von B. für klare sprachliche Übereinstimmungen vor, und auch die Veränderun-

ursprünglich gehalten wird,2 weist dieselbe Vorstellung wie Am 7,7f gen des vorgegebenen Wortlauts sind erklärbar. In allen anderen

(m der Interpretation B. s) auf: Jahwe kehrt seine bislang schützende Texten liegt der Fall nicht so auf der Hand. In Jer 21,10 LXX handelt

Macht um und richtet sie gegen sein Volk. Diesen Gedanken gibt es es sich um eine gedankliche Analogie - noch dazu auf der Interpreta-

nur an diesen beiden Stellen. Jer 21,4 aktualisiert die vorgegebene tionsebene - mit nur minimalen sprachlichen Berührungen. 15,20

Uberlieferung und bezieht sie auf Jerusalem. In Jer 15,20 wie in 1,18 und 1,18 enthalten eine bloße Motivparallele zu Am 7,7f, die gut

gemahnt das Bild der bronzenen (also auch Zinn enthaltenden) Mauer unabhängig entstanden sein kann, zudem es sich, wie B. selbst betont,

an Am 7,7f, nur wird es auf den Propheten (und in 1,18 auch auf die- um einen geläufigen altorientalischen (vor allem wohl ägyptischen)

Jenigen, die sich an ihn halten) bezogen. Den Vers 15,20 beurteilt B. Topos handelt.4 Das Bild „Korb mit Erntefrüchten" scheint mir trotz

als einen redaktionellen Zusatz, da er mit seiner Unbedingtheit von des spärlichen Vorkommens ein so alltägliches Phänomen zu sein,

der bedingten Zusage in V. 19 absticht (daß die Konditionalpartikel daß man es in Jer 24 nicht unbedingt aus Am 8,1 f herleiten muß.

von V. 19 in y. 20 nicht mehr weiterwirken, wird allerdings einfach Davon, daß Jer 1,11-14 wegen der Formentsprechung eine redaktio-

vorausgesetzt). Von derselben Hand stammt auch im wesentlichen nelle Bildung nach dem Vorbild von Am 7,7f; 8,1 f darstellt, hat mich

die Erweiterung 1,17-19. Da B. den Primärtext 1,4-10 in die Exilszeit auch B. s Argumentation nicht überzeugt. Weder die formgeschicht-

datiert, können die redaktionellen Zusätze in 15,20 und 1,17-19 liehe Erklärung noch der Rekurs auf einen „innerprophetischen

ruhestens aus der spätexilischen, wahrscheinlicher aber aus der früh- Überlieferungsprozeß" (W. Zimmerli) scheint mir wirklich widerlegt

nachexilischen Zeit stammen. zu sein. Schließlich berührt es merkwürdig, daß ein und derselbe

D'e Visionen Jer 1,11 -14 stimmen in der Form und in der paarwei- Textkomplex mehreren Redaktionen zum Vorbild gedient haben soll.

sen Anordnung mit Am 7,7f; 8,1 f überein. Für die Annahme einer Vielleicht hätten einleuchtendere Gesichtspunkte gewonnen werden

gemeinsamen Gattung sind die Belege zu spärlich, so daß an Abhän- können, wenn sich die Interpretation nicht so konsequent der

g'gkeit gedacht werden muß. Zudem läßt die Veränderung am Anfang Beobachtung schichtenspezifischer Indizien im Jer-Buch versagt

Wonereignisformel statt Visionseinleitung) an die Existenz einer und auf die Konstatierung literarischer Abhängigkeiten beschränkt

schriftlichen Vorlage denken. Auch wenn hier möglicherweise Erin- hätte.

nerungen Jeremias verarbeitet sind, dürfte der Text redaktioneller ... „ .... e. ,

Herkunft • jr-u j r • • Marburg(Lahn) Winfried Thiel
*untt sein und frühestens der Exilszeit entstammen.

Kap. 24 bezieht das Bildmotiv vom Korb mit den geernteten Früch- _

ten aus Am 8,1 f und entspricht in der Erzählsequenz der dritten und

Vierten Am„- Xr: ■ j n j- »i i__si j- l. W. Beyerlin, Bleilot, Brecheisen oder was sonst? Revision einer Amos-

wlen Arnos-Vision, nur daß die Unheilsansage in die gruppenbezo- :„ „ ' „ ., ,„ ^ - ■ ,„„„ ,

genen AnHi^^- u -i j.tui . , Vision (OBO 81 , Freiburg/Schweiz - Gottingen 1988 vgl. ThLZ 114, 1989,

= "cn Ankündigungen von Heil und Unheil gesplittet ist. Das Vor- 2^

d°rmRmen der Wortereignisformel neben der Visionseinleitung sowie > überzeugend j„ diese Entscheidung nicht. Der Wortlaut der LXX kann

^ Kuckgnff von V. 6 auf 1,10 zeigen, daß auch Jer 1,4-10 + 11 -14 ebensogut auf einer Kürzung zwecks Erleichterung der schwierigen Satzstruk-

reUs vorlag. Die gedankliche Nähe zu Esra 4,1 ff und Sacharja legt tur beruhen (bei Jer 1,18f entscheidet B. auch gegen LXX, 360. Die Anzeichen

^achexilische Entstehung nahe. Ein auf Jeremia zurückgehender für einen Parallelismus membrorum kann man auf diese Weise nicht aus dem

^■ern ist nicht auszumachen. Vers entfernen.

-kr 21,10a; 24,6aa; 39,16a; 44,27a nehmen eine Wendung aus der ' V8L dazu schon w- Thiel- Die deuteronomistische Redaktion von Jeremia

"jnften Vision, nämlich Am 9,4b. in unterschiedlich genauer Entspre- 26"45 (WMANT 52). Neukirchen-Vluyn 1981, 56, 77 und bes. 96. Wären B.

^ng auf. In Jer 24,5ff bewirkt die Aufteilung in Heil und Unheil, die* e"tgB"ge"-wäre ^Uch ^ ™rkwürdige Mißverständnis

daß Hj„ u/„ . . . u , , , ■ ■ . , nicht entstanden, von dem S. 78f mit Anm. 182 zeugt. Von Am 9,4b scheint

aie Wendung mit der Heilszusage verbunden wird (V. 6aa), . . ,, .„:„«„„, „„ • , n »7. . ,, ,' . ,

w»h,-„ j ,. . mir auch Jer 44,11 beeinflußt zu sein (a. a. O., 73, 96), ein Vers, den B. n cht

. anrend die Unheilsankündigung in V. 9 folgt. In Jer 21,9f kann eine diskutiert.

J^rernianische Aussage im Hintergrund stehen, aber die Formulie- ' Dazu vgl. zuletzt S. Herrmann, Die Herkunft der „ehernen Mauer". Eine
ng ist nachjeremianisch. Die Abwandlungen der vorgegebenen Miszelle zu Jeremia 1,18 und 15,20, in: Altes Testament und christliche Ver-
endung verweisen auf Ezechiel und eine spätere Schicht des Heilig- kündigung. FS für A. H. J. Gunneweg, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1987,
^'tsgesetzes (K. Elligers Ph2), so daß bestenfalls mit spätexilischer 344-352 (zum Verhältnis zu Am 7,7: S. 349 Anm. 21).
tstehung gerechnet werden kann. Nachjeremianisch sind auch
■16 und 44,27. Der Gebrauch der Wendung erfolgt hier nicht direkt,
sondern vermittelt, in 39,16 durch 2 l,9f, in 44,27, einem Text, der auf chafin Kenneth L.: 1, 2 Samuel. Dallas, TX: Word Books 1989.
' 131,28 und24,8fTzurückschaut, durch Kap. 24. 404 S. gr. 8* = TheCommunicator'sCommentary, 8.
^Abgesehen von möglichen Reminiszenzen an die Verkündigung
■"emias im Inhalt von 11.11-4 und 21,9f stammen die betreffenden Im Vorwort skizziert der Herausgeber Lloyd J. Ogilvie Ziel und
xte aus verschiedenen Redaktionsstufen, die aufeinander Bezug Voraussetzungen der Communicator's Commentaries. Für die Genehmen
und in die spätexilische bis nachexilische Zeit gehören. Mit meindearbeit bestimmt, sollen sie Predigern wie Lehrern zu vertief-
er Aufnahme der Arnos-Visionen verfolgen sie dieselbe Grundinten- tem Verstehen der Schrift und zur besseren Weitergabe des Erkannten
n- „im Durcheinander der Diskontiuität neue Kontinuität zuwege helfen. Darum halten sie sich ebenso von lebensfernen Spekulationen
u bringen - Kontinuität des Glaubens und Verstehens, auch und wie von vordergründigen Erbaulichkeiten fern. Übrigens gilt das auch
gerade in der Deutung und Bewältigung erschütternd erlebter von jeder wissenschaftlichen Exegese. Ist sie sachgemäß, muß sie die
Schichte-, Kontinuität nicht zuletzt, die legitimiert und autorisiert im Blick behalten, für die sie letztlich getrieben wird. Ich freue mich
erscheint." (101) über das Urteil der Studenten, die das in meinen Seminaren bestätigt
chließlich ergeben sich Konsequenzen für den historischen Jere- fanden. Was S. 11, zunächst wohl von den Schriften des Neuen Testa-
ne'3' ^a sich die von Arnos beeinflußten Texte durchweg als redaktio- ments über unity und onyness der Schrift gesagt ist, gilt natürlich auch
^e herausstellen, ist Jeremia weniger von Vorbildern abhängig, als vom Alten und Neuen Testament im Blick auf die gemeinsamen
. angenommen wird. Da sich damit auch die wenigen Visionsbe- Strukturlinien des Handelns Gottes, der auch der Vater Jesu Christi
'e als redaktionell erweisen, war Jeremia ein Prophet ohne visio- ist. Doch ist dieser Hinweis auf Christus mit Vorsicht zu verwenden
re Schau. und darf nicht zu einer Flucht in die Waldgebirge werden. Ebensowe-