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Ausgabe:

1990

Spalte:

145-146

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Ars moriendi 1990

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 2

146

Soweit ich sehe, wird in der hier dokumentierten Diskussion der Diese Aufgabe sieht auch der Philosoph //. Bblling, der angesichts

Zusammenhang von Taufe und Abendmahl und die daraus sich von SDI und einer zu Tode gerüsteten Welt keine günstige Prognose

ergebende Reihenfolge nicht grundsätzlich bestritten (z. B. 12), auch für eine künftige Ars moriendi stellt („Die Strategie Defense Initiative

wenn die Kirche in ihrer Praxis l, B. beim kinderoffenen Abendmahl, und die Kunst des Sterbens. Über Bedingungen der Abschiedlichkeit

bei Großveranstaltungen (z. B. Kirchentage) und in eher großstädti- der Philosopic und des Menschen", 166-175). - „Ars moriendi als

sehen Situationen sich faktisch mit einer „Zutrittsentscheidung" der Aufgabe und Möglichkeit der Medizin" bedenkt T. Kruse (99-116)

Kommunikanten (bzw. Eltern) begnügt und so die Regel unterläuft unter geschichtlichem Aspekt und im Blick auf Tendenzen in der

(23). Ernst-Heinz Amberg resümiert: „Bezüglich der Taufe ist eine modernen Medizin. Publikationen von 1826 und 1828 zeigen ärzt-

retardierende Tendenz festzustellen (Ablehnung der Säuglings- bzw. liehe Sterbehilfe aus „ersatzpriesterlichem" Arztbewußtsein. Als

Kindertaufe, Taufaufschub)... Im Blick auf das Abendmahl zeigt Möglichkeit heutiger Sterbcbegleitung stellt Kruse die Hospizbewe-

sich eine gänzlich andere Tendenz: Der Empfängerkreis wird erwei- gung nach C. Saunders vor, bei der häusliche und stationäre Versor-

tert, der Zugang zum Abendmahl wird erleichtert... Wir sind auf gung durch haupt- und ehrenamtliche Helfer kombiniert und die

dem Weg zu einer Kirche mit Erwachsenentaufe und Kinderabend- Angehörigen bis über den Todesfall hinaus in die Arbeit einbezogen

mahl" (45)! sind. - H.-R. Zielinski teilt Erfahrungen aus der Kölner Station für

Geht hier die Analyse in eine (nicht unbegründete) Prognose über. Palliative Therapie mit. Voraussetzung der ganzheitlichen Begleitung
so deutet sich in den einzelnen Beiträgen ein Kompromiß an, der sich ist die Schmerzbekämpfung, die es ermöglicht, daß die von E. Küblerarn
Modell von Grundsatz und Ausnahme, Regel und Dispens orien- Ross beschriebene letzte Phase der Annahme als aktive religiöse
tiert (vgl. 31, 36, 38): Die Reihenfolge Taufe - Abendmahl wird Erfahrung erlebt wird. - „Motive für die Ars moriendi in der katho-
grundsätzlich beibehalten, jedoch nicht „kirchenrechtlich festge- lischen Sterbe- und Begräbnisliturgie" untersucht T. Maas-Ewerd
schrieben" (31): „Die Taufe behält ihre entscheidende Bedeutung für (136-155). Die Aussagen der Liturgie über den Tod sind im tiefsten
die Zulassung zum Abendmahl; ein Abweichen von dieser Ordnung Aussagen über das durch Ostern eröffnete Leben. Zentrum der
■n Einzelfällen ist möglich, kann aber nicht generell an die Stelle der Begräbnisfeier ist die Messe, die vor dem Begräbnis gefeiert werden
bisherigen Regelung treten. Abendmahl ohne Taufe (und Unter- müßte. Das gesamte liturgische Leben enthält eine aus den Augen Verweisung
) wäre verändertes Abendmahl und zöge die Veränderung der lorene Dimension christlicher Spiritualität, die als Element einer Ars
Taufe nach sich, ja machte diese schließlich überflüssig" (47). moriendi wirken kann. - Für eine Ars moriendi im Religionsunter-

Diese eher pragmatische Lösung bietet Angriffsflächen genug! Sie rieht gibt //. Wagner Impulse (156-165). Er nennt Themen und Lern-

ündamcntalistischen" Regelungen vorzuziehen sein! ziele für 24 Doppelstunden in der 12. Klasse, die dem Jugendlichen

Darmstadt Karl Dienst helfen soll, die eigene Sterblichkeit präziser zu begreifen, den Stellenwert
des Todes im menschlichen Leben deutlicher zu erkennen und
wahrzunehmen, in welcher Weise die Gesellschaft mit Phänomenen

Wann.,, ii ii -r . u ru i » . .. c ■• . wie Krankheit und Alter umgeht. Es geht darum, „das Zugehen auf

"dKner. Harald, u. Torsten Kruse [Hg.]: Ars Moriendi. Erwägungen ° ° 6

zur Kunst des Sterbens. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1989. den Tod zum '"tegrativen Bestandteil menschlicher Existenz" zu

198 A. 8- = QuaestionesDisputatac, 118. Kart. DM 38,-. machen. - „Über die Bedeutung des Todes in der deutschen Literatur

der achtziger Jahre" berichtet abschließend W. Falk (176-198),

Nach einer Einführung des Herausgebers //. Wagner beschreibt // indem er M. Frisch, W. Schnurre. M. Walser. C. Hein, T. Bernhard,

Golfes die spätmittclalterliche Ars moriendi in ihrem Zusammenhang A. Muschg. L Drewitz. C. Wolf, [. Merkel und P. Süskind mit Rilkes

HH der Ars vivendi als Ansporn zu einem gottgefälligen Leben in der „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" und T. Manns „Tod in

händigen Bereitschaft auf den T od. Als besonders wichtige Texte, die Venedig" vergleicht. Er beobachtet eine Wiederentdeckung der

au' die spätere Sterbebuchtradition Einlluß nahmen, nennt er die Dimension des Jenseits.

Admonitio Ansclmi, die Sterbekunst Gcrsons und die aus ihrentstan- Als roter Faden zieht sich durch das Buch die Zielstellung, den Tod

dene deutsche Ars moriendi Geilcrs von Kaysersberg, ferner die Bil- in das Leben einzubeziehen, um durch eine neue Ars moriendi Hilfen

der-ars der fünf Anfechtungen. Das Interesse konzentrierte sich im für die Lebensbejahung und -erfahrung zu gewinnen, die in der Hoff-

sPatcn Mittelalter auf die letzte Stunde. Rolfes betont die gegenüber nungdes ewigen Lebens sagt: „Mitten im Tod sind wir im Leben."

tZ t1iUdalter verändcrte gesellschaftliche Situation, zu der die Reli- Ha)|c ^ Eberhard Winkler

nskritik gehört. Eine moderne Ars moriendi setzt voraus, Gesell-

5cQaft uri(j Geschichte im Horizont befristeter Zeit wahrzunehmen, _ T. . _.

"m sie als (iegenentWUlf zur Utopie vom natürlichen Tod und vom HraKtlSCIie I neOlOgie:

^erben als friedlichem Verlöschen wirksam werden zu lassen. - Liturgiewissenschaft

~M Harth reflektiert „Brechungen der spätmittelalterlichen ,ars

oncndi-in der Theologie Martin Luthers" (45-66). indem er beson- Ehrensperger. Alfred: Gottesdienst. Visionen - Erfahrungen -

j^den frühen „Sermon von der Bereitung zum Sterben", die Schrift Schmerzstellen. Zürich: TVZ 1988. 195 S. gr. 8*. Kart. sFr 30.-.
'' nian vor dem Sterben fliehen möge" (1527) und die Auslegung

es 90. Psalms (1534/35) untersucht. „Die Frage nach dem rechten Autor und Titel des Buches wecken Interesse. E.s Dissertation „Die

b cn wird, ansatzweise bereits 1519, mehr und mehr von der Ster- Theorie des Gottesdienstes in der späten deutschen Aufklärung"

stunde gelöst und dem Leben zugewiesen." Das Sterben-Können ist (1971) gehörte seinerzeit zu den bahnbrechenden Arbeiten, die eine

. ",c besondere Kunst neben dem Leben-Können, sondern es wird neue Sicht der vielgescholtenen und oft mißverstandenen Auf-

(i'auben als dessen selbstverständliche andere Seite erfaßt". - klärungshturgik eröffnet haben. Die Untersuchung ist ein Standard-

J tu zum Freunile hat, dem kann's nicht fehlen", schreibt werk liturgiegeschichtlicher Forschung. Wenn der Vf. nach langjähri-

^anser über seinen „Versuch einer spirituellen Theologie zur Ars ger Praxis als Pfarrer einer reformierten Gemeinde in der Schweiz sich

"r|endi heute" (67-98). Wer mitten im Leben dem Tod begegnet, jetzt zu Wort meldet, darf man gespannt sein. Und auch der Titel

n^ jW und Tod als untrennbares Ganzes betrachtet, gewinnt eine weckt Hoffnungen: Wir brauchen Visionen, wenn es um die Zukunft

cj Uc Lebensqualität, denn „erst der Tod gibt dem Leben den ihm des Gottesdienstes geht. Bestandsaufnahmen gibt es genug. Aber eine

lbrd!Cn VVcrt des erlügen Augenblicks". Eine moderne Ars moriendi Vision, die aus den Erfahrungen lebendiger Gemeinden erwächst und

atc m ZUgleich »ngeiichtl der Bedrohung alles Lebens durch den in der die Schmerzstellen bewußt bleiben, an denen wir leiden - das

Ua>"larcn Holocaust zur konkreten Entscheidung für das Üben und wäre etwas! Die .liturgische Lage' ist ja gegenwärtig fast überall

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