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Ausgabe:

1990

Spalte:

118

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Liechty, Daniel

Titel/Untertitel:

Andreas Fischer and the Sabbatarian Anabaptists 1990

Rezensent:

Gäbler, Ulrich

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 2

118

Görlitz Joachim Rogge

suchung, sondern eine über die terminologischen Einzelprobleme In einer „Schlußbemerkung" stellt der Vf. noch einmal das Ergcb-
hinausführende theologische Ortsbestimmung von Zwingiis Reforma- nis seiner Studien vor: „Überhaupt hat sich uns Zwingli... als ein
tion." Und noch auf derselben Seite nennt Hamm das Kriterium: Theologe gezeigt, dessen dominierendes Interesse auf Einheit gerich-
.,Der Ansatzpunkt für alle diese Aspekte der Freiheit ist für Zwingli tet ist: auf die Einheit in Gottes Trinität, auf die Einheit von Gerech-
stets die befreiende Freiheit des Gotteswortes." tigkeit und Barmherzigkeit Gottes, von Gesetz und Evangelium, von
Das ganze Buch dient im Grunde der Explikation oben zitierter Rechtfertigung und Heiligung oder auf die Einheit von kirchlicher
Thesen. Ebenso willkommen wie schwierig ist die einleitend beson- und politischer Gemeinde ..." (121 f) Jeder in reformationsgeschicht-
ders hervorgehobene Akzentuierung „immer wieder" durch den licher Arbeit Bewanderte entnimmt daraus unschwer, welches „Netz-
"Vergleich mit Luther.. ., nicht um den Zürcher Leutpriester am werk vielfältiger reformatorischer Freiheitskonzeptionen" hier the-
Wittenberger Professor zu messen, sondern weil gerade im Vergleich matisch werden muß, wenn „die paradigmatische Rolle und spezifi-
Eigenart und Einheit der Theologie Zwingiis noch deutlicher hervor- sehe Besonderheit von Zwingiis Freiheitsverständnis" in weiterer Fordeten
." (a. a. O.) Alle mit Zwingiis Würdigung Befaßten werden hier schungevaluiert wird.

besonders aufmerksam weitcrlesen. weil die „Luther und"-Frage- Summa: Dieses Buch liest man gern. Es kann wirklich auch Nichtsteilung
in der Vergangenheit viele Fehlerquellen für das Verständnis experten einen guten Zugang zu Zwingiis Lebensleistung allgemein
der anderen Reformatoren gebracht hat. Glücklicherweise präzisiert vermitteln. Deshalb herzliche Gratulation dem Verfasser zu solchem
der Vf. schon im ersten Kapitel, indem er für möglich hält, daß „aus schönen Beitrag zum aktuellen Verständnis der Reformationsge-
einer gewissen Oberflächlichkeit oder Polemik und Apologetik heraus schichte.
"i der Forschung oft Gegensätze zwischen Luther und Zwingli am falschen
Platz behauptet werden." (5f, auch 32f, 51-54, 62, 67, 73,
' 28 pass.)

Die Wirkungsgeschichte des Freiheitsverständnisses Zwingiis, wie Liechty, Daniel: Andreas Fischer and the Sabbatarian Anabaptists.

s'e etwa Peter Winzeier thematisiert hat (Zwingli als Theologe der An Early Reformation Episode in East Central Europe. Scottdale,

Befreiung, Basel 1986). untersucht der Vf. nicht. Dafür ist der begriffs- PA - Kitchener, OT: Herald 1988. 167 S. gr. 8" = Studies in

analytische Befund in dem literarischen Werk Zwingiis selbst um so Anabaptists and Mennonite History, 29. Lw. $ 29.95.
Präziser erhoben. Der „Reichtum" des Freiheitsverständnisses muß

nach Ho™_ ii ■ j k Ii iu . j • u. _ a Die Quellen zu Andreas Fischers Leben und Werk fließen sehr sparen
Hamms Meinungausden Quellen selbst und nicht vom „moder- v K

nen Pro;k ■• u •«>. i. ,Vm tu j -r r lieh. Erstmals nachweisbar ist Fischer um die Jahreswende
cn rreiheitsbegrifr her (XII) erhoben werden, wenn man Zwingli

ßerprK. „ j .11 n . . ... , • n. .. .. ... 1527/1528, als er im Schatten des kaum viel besser bekannten Oswald

serecht werden will. Dem ist vorbehaltlos beizupflichten. Hamm will ' .

sein Ar,i;„ ■ u. r. r i ii Glaidt in Liegnitz (Legmca) auftauchte, und der Schwencklelder
3C|n Anliegen nicht nur „Reformationsexperten , sondern allen ver- . 6 v 6 ' ' „
miitpln a- , .i ■ ■ i i.i i i r> r ■ . Valentin Krautwald Fischers inzwischen verschollene Schrift „Scepa-
'"uein. „die an den theologischen Wurzeln der Reformation interessiert
.;~au i a -r . u■ a . • u u «vi- u ai u- stes Decalogi" literarisch bekämpfte. Herkunft und frühere Lebens-
"•»lert sind . In der Tat verbindet sich wissenschaftliche Akribie - 6 ....

U a a..,-u i u l. u ii a i . jähre Fischers sind unbekannt, möglicherweise stammte er aus dem

auch erkennbar in einem gehaltvollen Anmerkungsapparat J •

vorteilhaft mit einer Allgemeinvcrständlichkeit der Darstellung. Eine süddeutsch-österreichischen Raum. Nach der Kontroverse mit Kraut-

a"sführliche Zeittafel (136-141). die den Lebensweg des Reformators wald h,elt er slch ,n verschiedenen mährischen und slowakischen

unter i„i: r. • u m i u ■ t. . j- . j Orten auf. Unter anderem wirkte er längere Zeit in und um Leutschau

"icr Notierung seiner literarischen Werke nachzeichnet, dient der ° ... r^- •

beabsichtigten Übersichtlichkeit (Levoca), was der dortige Bürger Conrad Spervogel in seinem Diarium

7n h.„ ir _h n i. u -_ j n u _-0 ... , vermerkte. Dieses Tagebuch ist die wichtigste Quelle zum Leben

*-ucien Vorzügen des Buches gehört es, daß Hamm unmißverstand- 6 ............

lieh spino c- u. j r->- j i n in v. Fischers. Von seiner Hand hat sich nur ein einziges Schriftstuck, nam-

" u seine Sicht der Dinge dartut und diese in einem gründlichen ...,_:» . „ ... , , „ f, „ . ,

Gesnräcr, j r a u a rr ■ i- c lieh ein Brief an den Rat von Neusohl (Banska-Bystnca) aus dem

"prach mit den früher und gegenwartig arbeitenden Zwingli-For- , , , . ...... . ..1 ,. ,

schein v^« •• . , u . i • l. • c • i u u Jahre 1534 erhalten. Dann fordert er die Abhaltung einer öffentlichen

"cm vortragt. Man hat also nicht eine Spezialuntersuchung sub „,..,. . . . . , .....

voce Freik«;.» •• r u ■ n u • u- i .• r „• Religionsdisputation zwischen ihm und gegnerischen Geistlichen. Im

^ ..Freiheit , womöglich im Rahmen einer vieldiskutierten Gern- , . ^ , . „ .

l|v-Thpnir>^;Q u a - ■ v c- u |, • .„„ Jahre 1542 wird von seinem Tode in einer Weise gesprochen, daß die-

1 neologie vor sich, sondern eine Einführung generell in das Ver- . . 6 F

f ndnis des Theologen Zwingli. der dann auch seine sozialpolitischen ser *chon e'ni*e Ze,t.z"™ckl,egen muß.

jungen hat. Hierzu setzt sich der Vf. auch mit Peter Blickle und Dje sabbatanamschen Auffassungen wurden Fischer durch

denen Hio;k„r u -n- u . u a O. Glaidt vermittelt, gehen jedoch letztlich auf den Kopf des süddeutsche
ihm forschungsmaßig nahestehen, auseinander. .. .. ... ...... ,.....

Als im»,.. . i. c j . j i i c 1- . a sehen Tautertums, Hans Hut, zurück, sind bei Fischer a erdings ihres

^■s interessante Zugabe findet der Leser eine kurze Erläuterung des „ ,. . , ... „ , ,

bekannter, t;. il i u tl /~--..r u u-ui " ursprünglichen eschatologischen Rahmens entkleidet. Nach Fischers

"unten Titelholzschnittes zum Thema der „Göttlichen Muhle .. ~T^.. , , . , .....,

rtiit ri,.r o„ . , r> n -f ■ i- ■ n c _ Uberzeugung habe die Geschichte der Kirche eine verhängnisvolle

uer Beschreibung der Rolle Zwingiis in der Reformations- „, , , , „ ,, , ,

Beschichte Wendung genommen, als der Sabbat durch den Sonntag ersetzt

Hamm »«.ki ■ a itv ■ * i du •■ u . u- . ■ u wurde. Diese Abweichung vom jüdischen Ursprung müsse wieder

'iinm geht in den 12 Kapiteln seines Buches zunächst historisch 6 3 * '

0r und spi,! u ■ • ai j c u u •» i cn • c rückgangig gemacht werden. Der Versuch des Vf., Fischer als heraus-

"na setzt bei einer Analyse der Freiheitsschrift von 1522 ein. Er , . . . , ...

erläutert i i . j j «„; . t- ...__-rr ragenden Tauterfuhrer in theologischer und organisatorischer Hin-

"icn aann den damals tragenden eidgenossischen Freiheitsbegnlt. . ■ ,, , .„ . ~ . _. , ,

^a"ach allerdings widmet er sich vielen Begriffsanalysen, die die für f,cht vorzustellen muß als mißlungen angesehen werden. Ein solches

f W|"8lis literarisches Schauen wesentliche Terminologie berücksich- Unternehmen scheitert an der dürftigen Quellenlage. Die biographi-

(Gotteswort, Freiheit Gottes, Christologie mit dem Rechtferti- f*6 U"erl,eferung ist äußerst schlecht und Fischers Gedankengut

und Gerechtigkeitsverständnis, Gewissen, Vertrauen, Gottes ,k"n"»,r ^ auf^rund gegnerischer Aussagen bei V^Krautwald)

besetz Pre,„i t~ a .„, , . • .,• . r- u • u erhoben werden. Aus diesen Gründen muß sich Vf. mit Konstruktio-

rreude, „Ordnung und Weite der christlichen Freiheit - ihre . .

Po|itische A..o... . . u d rr nen, Vermutungen, ja Spekulationen weiterhelfen. Für eine so wich-

«.ne Ausstrahlung ). Die in Parenthese wiedergegebene Begriffs- 6 'J K ...... .. _ A .___..

ab|oloe o,ht u ••• u • in ^- i • .u i • u a tige Mittel ung etwa, daß unter Fischers Anhängern die Beschneidung

sc gißt gleichzeitig auch eine Wertigkeit im theologischen Argu- 6 . ., .,. . .

Rentieren wieder geübt worden sei, fehlt jeder Beleg. Nicht zu zweifeln ist natürlich dar-

Fünf !<,,„,. cli Nt« nc, l c u u i. f i- an, daß es in Böhmen und Mähren in den dreißiger Jahren sabbataria-

Kurze Exkurse (123-135) nehmen Sachverhalte auf, die . , , . . . . n ...

lederum Ds.n, a a .u i • u r . • u c- u -. msche Bewegungen gegeben hat. wie ja auch der Anlaß von Luthers

-um ganz und gar der theologisch-reformatorischen Einschat- , ...... r- j.. ,t«u

2urigZwin0lic„„ a . tmvSl ^ u , ■ , v r ai Werk „Wider die Sabbater an einen guten Freund" von 1538 beweist.

°<~wingus gewidmet sind. Die Stichworte geben gleichzeitigdie Ak- „. '_ „......... . • .,• u /- ui u.

ente,dieH-,mm ^ -7 • i r- u u . u- u • i u Die Rolle Fischers in den judaisierenden christlichen Gruppen bleibt

»:„ Lnamm in der Zwingh-Forschungauch weiterhin berücksich- . J

"St sehen mö^u. r~ j r n . i n allerdings im Dunkeln,

•nus m°chte: Gemeindcreformation. Pncumatologie, Humanis- B

S-Gesetz und Evangelium, „Zwingli alsTheologcdcr Viaantiqua". Basel Ulrich Gabler