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Ausgabe:

1990

Spalte:

77-78

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Schroedter, Almut

Titel/Untertitel:

Studien zur Pfarrorganisation und zum Kirchenbau in den Prämonstratenserbistümern Brandenburg, Havelberg und Ratzeburg 1990

Rezensent:

Schroedter, Almut

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 11 5. Jahrgang 1990 Nr. 1

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Schöpfungssystem verwirklicht. Beck versteht die Vollendung als eine Ikonographie herangezogen. - So kann im Ergebnis der Arbeit fest-
Reorganisation der Menschheit und der Natur. In diesem Prozeß ent- gestellt werden, daß die Entwicklung eines mittelalterlichen Pärchen
„Gegensätze und Widersprüche", aber sie sind in Jesus Chri- ochialsystems im Bereich der späteren Mark Brandenburg und im
stus überwunden. Bistum Ratzeburg untrennbar verbunden ist mit der Tätigkeit von
4. Die Endzeit beginnt bei Beck mit der Erscheinung des Herrn. Prämonstratensern im Umkreis ihrer Niederlassungen. Mit der Hin-
Zwei große Geschehnisse, Auferstehung und das Gericht über alle wendung zur Pfarrseelsorge eröffnet sich der im Jahre 1126 päpstlich
Menschen, folgen auf die Erscheinung des Herrn. Die erste Auferste- bestätigte Orden ein Aufgabenfeld, auf dem er gerade innerhalb der
hung erfolgt als Auftakt zur tausendjährigen Herrschaft der Seligen sächsischen Zirkarie eine fruchtbare Wirksamkeit entfaltet,
mit Christus. Hier spielt Israel der Kirche gegenüber eine wichtige Im ersten Teil der Arbeit wird die innerhalb der Prämonstratens-
Rolle, besonders was den Prämilleniarismüs anbetrifft. Aber das erforschung heftig diskutierte Frage nach der Eigenständigkeit einer
tausendjährige Reich ist noch nicht das letzte Ziel der göttlichen Ordensbaukunst aufgegriffen. Innerhalb der Fülle der Spezialpro-
Reichsentwicklung Interessant ist Becks Prüfungsgedanke in Verbin- bleme, die mit der Baugeschichte prämonstratensischer Stifts- und
dung mi, seinem Weltpcssimismus und dem Entwicklungsprozeß. Kathedralkirchen im Untersuchungsgebict verbunden sind, werden
Beck sieht das Endgericht als eine Enthüllung des Verborgenen an. insbesondere die Krypta und die Gestaltung der Ostanlagc auf ihre
Daher läßt sich seine Auffassung über den neuen Himmel und die liturgische Funktion befragt. In einem zweiten Schritt kommen l.tur-
neue Erde zusammengefaßt als „Pneumatisierung der Welt" definie- gische Quellen (Festkalender, Beschreibungen von Festprozessionen,
ren. Die Pneumatisierung geschieht in engem Verbund mit dem Wort Texte, die sich auf die Osternachtsliturgie beziehen) aus Brandenburg.
Gottes. So ist diese Pneumatisierung der Welt als die Erfüllung des Havelberg und Magdeburg zu Wort. Von diesen schriftlichen Überliefertes
zu verstehen. Gott und Mensch leben dann in so unmittel- ferungen lassen sich auch die Bildprogramme in prämonstratensisch
barer Gemeinschaft miteinander, daß sie sich gegenseitig durchdrin- beeinflußten Kirchen erklären (Pretzin, Dortkirchen im Umkreis von
gen: So sind die Menschen Tempel Gottes. Diese Gemeinschaft ist die Ratzeburg). Der dritte Teil der Untersuchung lenkt den Blick auf das
en8e Verbindung zwischen zwei Größen, zwischen Gott und seiner eigentliche Gebiet prämonstratensischer Pfarrtätigkeit - die inkorpo-
schöpfung. Sie ist zügleich zu verstehen als die wahre Liebesbezie- rierten Pfarrkirchen. Hier finden auch siedlungs- und terntonal-
hung. geschichtliche Erkenntnisse über die koloniale Erschließung der

5- Die Friedensruhe der Seligen in der neuen Welt ist die Sabbat- Gebiete östlich der Elbe im 12./13. Jh. ihre Berücksichtigung. - Den
ruhe Gottes nach seinen Schöpfungswerken. Wenn Gott ruht und den Charakteristika prämonstratensischer Ordenstheologie, die dem
TagalsdenSabbatsegnet.vollendcterscinSchöpfungswerk,indemer ordenseigentümlichen Seelsorgeverständnis als Praklizierung einer
a"ch den Menschen zur Sabbatruhe befreit. Als solche, die in Christus „vita apostolica" den Weg ebnet, ist vor allem der letzte Teil der
le°en. strecken sich die Christen nach der neuen Welt Gottes aus. Von Arbeit gewidmet. Leben, Werk und Wirkungsgeschichte des Bischofs
d'eser Erwartung bestimmt, sind sie neu geworden und erfahren sich Anselm von Havelberg werden mit den Ergebnissen der vorangestellten
als neue Schöpfung. ten Kapitel in Beziehung gesetzt. Sein Beitrag zur Ausprägung eines

6- In Finnland wurde die Vermutung verschiedentlich ausgespro- eigenen theologischen Profils der sächsischen Ordensgruppc stellt ui«
cl)en, daß Becks Einfluß in dem ersten Römerbriefkommentar von Untersuchung auf eine breitere geistesgeschichtliche Basis.

K Barth spürbar ist. Aufgrund dieser Vermutung habe ich in den letz- Dabei werden wesentliche Aussagen zusammengetragen, die es
ten Kapiteln dieser Arbeit den Einfluß Becks auf die Theologie Barths ermöglichen, von einem Wechselvcrhältnis zwischen Theologie und
untersucht und die Römerbriefkommentare Becks und Barths mitein- Liturgie, Struktur des prämonstratensisch geprägten Pfarrkirchenander
verglichen. Die Wirkung der ihm eigentümlichen Lehren sind wesens und territorialer Kunstentwicklung zu sprechen.
s°gar in den ersten Werken Karl Barths (Römerbrief 1) sichtbar.

Nachdem K Barth im Mai 1916 B. Riggenbachs Biographie über

Beck gelesen hatte. Hieß er im Juli während seiner Römerbnefaus- Berichte UIKl Mitteilungen
'egung aur Beck; „Fundgrube entdeckt: J. T. Beck!!" Wir finden in

Barths Römerbrief viele Termini Becks, mit denen dieser die Bibel zu Briefe von und an Johann Christoph Blumhardt gesucht
erk'ären versucht hat. Mit Becks Gedanken des „Organismus in der

Entwieklung" hat Barth die Begriffe von „Glaube, Geist, Rechtferti- Im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart wird die wissenschaftliche

8"ng und Heil der Geschichte" .beckianisch' verstanden, aber auch Ausgabe von Briefen Johann Christoph Blumhardts (1805-1880) vor-

ZUnt Teil anders interpretiert. Dieser Kontakt zu Beck war für Barth bereitet. Blumhardt, bekannt durch die Glaubensheilung der Gott-

ein wichtiger Einstieg in die wissenschaftliche Arbeit. Obwohl Barth liebin Dittus in Möttlingen, sein seelsorgerliches Wirken in Bad Boll

Mehrere theologische Kehren vollzogen hat, blieb Becks Einfluß auch und die Naherwartung von Christi Wiederkunft, hat einen umtangrei-

sPäterwirksam cnen Briefwechsel mit Adressaten im gesamten deutschsprachigen

7- Eine Frage bleibt noch zu beantworten: Hat Barth den Offen- Raum und darüber hinaus geführt. Einige tausend Briefe haben sich
"/"■"ngsgedanken von Beck direkt übernommen und weiter entwic- erhalten; aus seinen Angaben läßt sich jedoch erschließen, daß ein
^elt? Es gibt noch weitere Beispiele dafür, wie Barth in seinem ersten Teil der Schreiben von und an Blumhardt der Forschung noch nicht
Rornerbriefkommcntar. ohne Beck zu zitieren, ganz in seiner Sprache bekannt ist. Diese Lücken schließen zu können, wäre im Blick aufdie
reden konnte. bevorstehende Briefedition außerordentlich wichtig. Eine weitere

Blumhardt-Briefäusgabe ist in der nächsten Zeit nicht zu erwarten;

i. was jetzt fehlt, geht der Forschung auf Jahre hinaus verloren,

^hroedter, Almut: Studien zur Pfarrorganisation und zum Kirchen- Sollte jemand im Besitz von Originalen oder Abschriften dieser

"au in den PrämonstratenserbistUmcrn Brandenburg, Havelberf? Briefe sein, so wird um Mitteilung gebeten an .

Und Ratzeburg. Diss. Berlin 1987. 1: 272 S., 72 Bl.; 2: Anlagen. Dr. Dieter Ising

Die Untersuchung stellt sich die Aufgabe, den Komplex frömmig- Landeskirchliches Archiv

e'tsgeschichtlicher, theologischer, liturgie-, kultur- und siedlungs- Postfach 10 13 42

8eschichtlicher Aspekte in Verbindung mit der Pfarrseelsorge der 7000 Stuttgart 10.

fischen Prämonstratenser zu beschreiben. Kunstgeschichtliche Falls man das Original dem Landeskirchlichen Archiv nicht über-

Ubjckte (Architektur Wandmalerei) werden auf ihre frömmigkeits- lassen möchte, sind wir auch für eine Kopie sehr dankbar. Etwaige

geschichtlichen Aussagen befragt, und kirchen- und theologie- persönliche Angaben in den Briefen werden auf Wunsch vertraulich

geschichtliche Quellen werden zur Analyse der Baugeschichte und behandelt.