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Ausgabe:

1990

Spalte:

76-77

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Pae, Kyung Sik

Titel/Untertitel:

Eschatologie bei Johann Tobias Beck 1990

Rezensent:

Pae, Kyung Sik

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 1

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bleibenden Teile erfaßt, variierende Texte (Hymnen etc.) sind nur
mehr zur Illustration aufgenommen.

Parallel dazu erscheint die von mir erarbeitete deutsche Übersetzung
. Sie folgt soweit wie möglich dem armenischen Satzbau, um die
Eigenart des armenischen Sprachduktus besser hervortreten zu lassen.
Außerdem wurde versucht, die armenischen Bedeutungsnuancen einzelner
Begriffe möglichst genau zu erfassen; dies vor allem bei Texten,
die Parallelen in der byzantinischen Liturgie haben, um die Besonderheiten
der armenischen Version deutlicher hervortreten zu lassen.
Alle Psalmen und biblischen Zitate sind direkt aus dem Armenischen
übersetzt. Einige kurze Kommentare zur Übersetzung (Erläuterungen
zu speziellen Termini oder philologischen Problemen sowie die Angaben
biblischer Bezüge) finden sich im dazugehörigen Anmerkungsteil
. Bei der Übersetzungsarbeit ist zum Text auch noch ein armenisch
-griechisches/griechisch-armenisches Glossar entstanden, das
im Rahmen der Dissertation nicht mehr vorgelegt werden konnte, jedoch
gesondert publiziert werden soll.

In der angestrebten philologischen Exaktheit und theologischen
Kommentierung soll mit dieser Übersetzung auch dem des Armenischen
unkundigen Liturgiewissenschaftler ein zuverlässiges Arbeitsmittel
in die Hand gegeben werden. Mit den bisher existierenden beiden
deutschen Übersetzungen (von F. X. Steck, Die Liturgie der
katholischen Armenier, Tübingen 1845, und von V. Inglisian, Die
heilige Meßliturgie nach dem armenischen Ritus, Wien 1948) war
dies nicht gegeben. Auch die mir zum Vergleich zugänglichen englischen
sowie eine rumänische Übersetzung erfüllen nicht die Ansprüche
, die der wissenschaftliche Umgang mit den Texten an Exaktheit
und philologisches Differenzierungsvermögen stellt.

Im zweiten Teil der Arbeit geht es um eine genetische Betrachtung
der armenischen Liturgie. Diese wird mittels liturgievergleichender
Untersuchungen angestellt.

Auffallende Ähnlichkeiten zwischen der armenischen und der
byzantinischen Liturgie hatten bisher oft zu falschen Erklärungen dieser
Verwandtschaftsverhältnisse geführt. Da es bisher eigene Untersuchungen
zur Entwicklungsgeschichte der armenischen Liturgie
nicht gibt, konnte auch ihr Platz im Beziehungsgeflecht der Liturgiefamilien
nur sehr unzureichend bestimmt werden.

In meiner Untersuchung habe ich versucht, die Texte der Liturgie
zunächst soweit wie möglich in älteren armenischen Liturgieformularen
zurückzuverfolgen, und erst dann verwandte griechische, lateinische
und einige wenige syrische Texte zum Vergleich heranzuziehen
.

Diese vergleichende Arbeit ist allerdings ergänzungs- und korrekturbedürftig
, konnte sie sich doch nur auf bereits vorhandene Texteditionen
(in der Hauptsache die Edition armenischer Liturgien von
Catergian und Dashian, Wien 1897) stützen, die sie mit der gebotenen
kritischen Vorsicht benutzte. So liegt der Hauptakzent auf der Darbietung
einer Fülle von Einzelbeobachtungen, die aus den Textverglci-
chen hervorgingen. DieSe Darstellung folgt dem heutigen Ablauf der
Liturgie, ist also auch wie ein historisch-kritischer Liturgiekommentar
zu den einzelnen Abschnitten der Liturgie zu lesen. Aus diesen
Einzelbeobachtungen ergibt sich vorläufig folgendes Bild von der
geschichtlichen Entwicklung der armenischen Liturgie:

1. Die Wurzeln der heutigen armenischen Liturgie reichen bis ins
5. Jh., also in die erste Blütezeit armenischer Übersetzungsliteratur
zurück. Damit sind sie bis in die liturgischen Traditionen Cäsareas in
Kappadozien zurückzuverfolgen. Hieraus ergeben sich Affinitäten
zur byzantinischen Liturgie besonders in der Anaphora, dem Kern des
eucharistischen Gottesdienstes, die nicht auf direkte Abhängigkeiten,
sondern auf gemeinsame Quellen zurückgehen.

2. Berührungen mit der syrischen liturgischen Tradition sind an
einigen Stellen nachweisbar. Ihnen müßte in einer gesonderten Untersuchung
ungeteilte Aufmerksamkeit gewidmet werden, da zu vermuten
ist, daß syrisches Gedankengut und syrische liturgische Traditionen
besonders die alten Formen des armenischen Gottesdienstes stärker
geprägt haben als bisher herauskristallisiert worden ist.

3. Die ältesten vorhandenen Texte, die einen Einblick in die frühe
Gestalt der armenischen Liturgie erlauben, stammen aus dem 8. bzw.
10. Jh. Nach diesen Texten zu urteilen, hatte der Gottesdienst eine
sehr schlichte Form. Alle späteren Hinzufügungen traten stets nur
ergänzend hinzu, sie traten nicht etwa an die Stelle vorhandener älterer
Traditionen.

4. Erst im 12. Jh. ist eine direkte Beeinflussung der armenischen
durch die byzantinische Liturgie nachweisbar. Im Zuge der von Ner-
ses Lambronac'i begonnenen liturgischen Reform wurden eine Reihe
von Priestergebeten, Litaneien und Hymnen aus der byzantinischen
Chrysostomosliturgie übernommen. Die Texte sind der armenischen
Version der byzantinischen Chrysostomosliturgie entlehnt.

5. Vom ausgehenden 12. bis ins 17. Jh. hinein wurden auch einzelne
Elemente der lateinischen Messe in den armenischen Gottesdienst
aufgenommen. Dies betraf allerdings nur noch den Vorberei-
tungs- und Schlußteil der Liturgie: das Anlegen der Gewänder, den
Eingang zum Altar und die Lesung des Prologs aus dem Johannesevangelium
am Schluß. Diese Neuerungen gehen auf die Union mit
der lateinischen Kirche im armenischen Königreich von Kilikien vom
13.-15. Jh. bzw. auf spätere latinophile Strömungen in der Armenischen
Kirche zurück.

Das Ziel dieser genetischen Untersuchung der armenischen Liturgie
war für mich nicht die Rückgewinnung eines ursprünglichen Textes,
sondern ein tieferes theologisches Verständnis des heutigen armenischen
Gottesdienstes zu gewinnen. So ist es z. B. bemerkenswert, daß
sich in der liturgischen Tradition der Armenisch-Apostolischen
Kirche liturgische Traditionen der seit dem Konzil von Chalkedon
getrennten Kirchen miteinander vereinen. Frei von dem Zwang zu
abgrenzenden Definitionen, die - wie die Formel von Chalkedon -
jahrhundertelang Mißverständnisse und Trennung nach sich zogen,
konnte sich hier in Gestalt von Hymnen und Gebeten der Liturgie ein
lebendiges Dogma entfalten, das ein genuines Glaubenszeugnis dieser
Kirche ist und sich gleichzeitig in tiefer Einmütigkeit mit ähnlichen
Zeugnissen der getrennten Kirchen zum Lobpreis Gottes vereinen
kann.

Pae, Kyung-Sik: Eschatologie bei Johann Tobias Beck. Diss. Tübingen
1989.226 S.

1. Die Tübinger Evangelische Fakultät hat heute den Ruf, eine
biblische Theologie zu lehren und damit zugleich eine wissenschaftliche
Arbeit zu leisten, die unmittelbar im Leben der Gemeinde
fruchtbar sein soll. Welches aber sind die Wurzeln, aus denen diese
Tübinger Theologie hervorging? Woher stammt ihr Selbstverständnis
als einer evangelischen Wissenschaft, die der Kirche dient? Hier ist an
die Persönlichkeit von Johann Tobias Beck zu erinnern, der nach
seiner Berufung an die Universität Tübingen dort eine maßgebliche
und weitreichende Rolle gespielt hat. Seine Lehrtätigkeit bedeutete
für Tübingen eine Wende, die, bewußt oder unbewußt, bis heute das
Gesicht der theologischen Fakultät rjrägt.

2. Bei Beck ist das Wort Gottes „das Offenbarungswort" und „das
Geisteswort in der Entwicklung". Darum kann die christliche Lehrwissenschaft
nicht davon ausgehen, die Wahrheit selbst zu produzieren
, sondern muß sie reproduzieren. Unter dem Einfluß Bengels stand
Beck die baldige Wiederkunft des Herrn zur Aufrichtung des tausendjährigen
Reichs ganz lebendig vor Augen. Das Warten auf die Erscheinung
des Herrn ist gewiß ein Wesensmerkmal der Beckschen Theologie
. Aus diesem Grunde ist die Mission nicht unsere Sache, sondern
der Wille Gottes (missio Dei), und das Ziel der Mission ist bei Beck
„die Belebung des persönlichen Glaubens".

3. Wir Christen leben heute in dem eschatologischen Zeitabschnitt
zwischen den zwei großen Tagen des Herrn. Und die Eschatologie ist
„der modernen Theologie näher gerückt als vielen früheren theolog''
sehen Epochen" (J. Moltmann). Was ist die Eschatologie? Ist sie nu'
eine Lehre des Weltendes? Die Eschatologie J. T. Becks ist von1
Bundesgedanken geprägt und fragt danach, wie Gott sein kosmisches