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Ausgabe:

1990

Spalte:

903-905

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Janz, Denis R.

Titel/Untertitel:

Luther on Thomas Aquinas 1990

Rezensent:

Grane, Leif

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903

Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 12

904

Luthers, Zwingiis, Calvins und Simons' so zu explizieren, daß geschichtliche
Relativität und theologischer Dauerwert in ausgewogener
Weise den Leser engagieren.

Gettysburg/ Pennsylvania Eric W. Gritsch

Halkin, Francois: Saints de Byzance et du Proche-Orient. SeizeTextes
Grecs inedits (dix Viesou Passionssans nomd'auteur et six discours
deNicetusde Paphlagonie). Genf: Cramer 1986. 171 S. 4" = C'ahiers
d'Orientalisme, 13.

F. Halkin legt wieder einmal einen Sammelband hagiographischer
Texte vor, die nicht zu den wichtigen Stücken gehören, aber doch als
vormetaphrastisch insgesamt für die Erforschung dieser Literatur Bedeutung
haben. Es handelt sich um zehn griechische Passionen meist
weniger bekannter Heiliger von unbekannten Verfassern und sechs
Enkomien eines berühmten Rhetors des 10. Jh., des Niketas von
Paphlagonicn.

Die Passionen sind jeweils nach einer Handschrift ediert, den einzelnen
Stücken sind (außer bei Nr. 7) Übersetzungen beigegeben. Die
Passioder Syrakusaner Heiligen Lucia (Nr. 2) ist eine Übersetzung aus
dem Lateinischen. Auch in dem Römer Gordian (Nr. 10) haben wir
einen westlichen Heiligen vor uns. Bei den Passionen geht es um
„epische" Berichte, sie bieten nur wenige konkrete Details und sind
zumeist nach dem gleichen Schema aufgebaut: Verfolgung - Verhaftung
- Verhör und Bekenntnis - Martern - Tod. Häufig kommmt die
Polemik gegen das materielle Götterbild vor. Die Wunder, die in unterschiedlichem
Maße eingestreut sind, lassen den Heiligen unversehrt
die Martern überstehen oder sind Strafwunder an den Verfolgern
. Weiterhin begegnen Heilungen und Bekehrungen. Beachtung
verdient die Passio von Kapetolina und Erotcis(Nr. 7), wo im gemeinsamen
Martyrium von Herrin und Sklavin unter Verweis auf Gal 3,28
die Sklavenfrage beleuchtet wird.

Ganz anderen Charakter tragen die (ohne Übersetzung wiedergegebenen
) Enkomien des Niketas, von denen drei nach dem Par. gr. 755
ediert wurden. Der Auswahl gehören fast lauter bekannte Gestalten
an: der Herrenbruder Jacobus, Timotheus, Lukas, die fünf Märtyrer
von Satala, Nikolaus und Johannes Klimakos. Lukas und Timotheus
sind nach den neutestamentlichen Schriften geschildert. Bei Johannes
Klimakos wird die persönliche geistliche Entwicklung nach dem
Schema seiner,.Klimax" (Himmelsleiter) gegeben. Beachtenswert ist,
daß bei Lukas die Malertradition ebenso wie bei dem Wundertäter
Nikolaus die Fülle der Wunder fehlt. Nur auf das Säuglingsfastcn und
die Stratelatengeschichte nimmt Niketas Bezug. Stark im Vordergrund
steht die im Preis der Tugend der Heiligen gegebene Ethik.
Diese Stücke haben eine ganz andere literarische Höhenlage als die
Passionen. Zwar bieten sie den ganzen, uns wenig zusagenden
Schwulst byzantinischer Rhetorik, und doch sind sie von eigener
Schönheit und voller gekonnter Formulierungen, wozu auch ein stark
areopagitisch gefärbtes Vokabular beiträgt.

Halkin hat mit diesem Band weiteres Material für die nötige weitere
Aufarbeitung der byzantinischen Hagiographie geliefert.

Greifswald Hans Georg Thümmel

Janz. Denis R.: Luther on Thomas Aquinas. The Angelic Doctor in
theThought ofthe Reformer. Stuttgart: Steiner 1989. XI, I24S. gr.
8° = Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte
Mainz, 140. Abt. f. abendländ. Religionsgeschichte. Lw. DM
38,-.

In seinem „Prospectus" (d. h. Einleitung) gibt der Vf. seinem
Wunsch Ausdruck, mit diesem Buch eine Grundlage für das Verstehen
von Luthers Verhältnis zu Thomas zu schaffen. Das soll durch
eine Ordnung der vielen Aussagen Luthers über Thomas geschehen,
die in den Tübinger Indices zur Weimarer Ausgabe verzeichnet sind.
Janz will diese Aussagen dokumentieren, aber auch analysieren im
Hinblick auf ihre Haltbarkeit und Notwendigkeit. Das Material wird

in vier Kategorien aufgeteilt: 1. Aussagen über die Person und den
Charakter des Thomas. 2. Aussagen über die Theologie des Aquina-
ten. 3. Luthers Auffassung von der Autorität des Thomas in Kirche
und Theologie. 4. Die Frage nach den Kenntnissen Luthers.

Da im Prinzip alle Aussagen Luthers in Betracht kommen, ist es
nicht überraschend, daß ziemlich viele von den in diesem Buch
besprochenen Kritiken, Bemerkungen, Bezeichnungen usw. aus Quellen
zweiten Ranges herrühren, wie z. B. aus Tischreden oder Predigtnachschriften
. Obwohl Janz an einer Stelle zeigt, daß er über diese
Dinge Bescheid weiß, spielen sie im allgemeinen keine wesentliche
Rolle für seine Untersuchung. Sein Ordnungsprinzip ist ausschließlich
inhaltlich.

Das erste Kapitel, "Luther on the person of Thomas" (4-.I0),
enthält kaum neue Einsichten. Das Hauptgewicht des Buches liegt auf
Kapitel II: "Luther on the Theology of Thomas" (1 1-81). Verständlieherweise
hat Janz sein Material thematisch geordnet. Er behandelt
zuerst Fragen, die die theologische Methode betreffen, und danach
Fragen des theologischen Inhalts. Er hat folgende dreizehn Punkte:
Erfahrung, Aristoteles, Schrift, Buße und Ablaß, Abendmahl.
Mönchtum, Rechtfertigung, Gesetz, Taufe, Engellehre, päpstliche
Autorität, Fegefeuer, Bilder. Er fängt mit den s. E. schwerwiegendsten
Fragen an und schließt mit solchen, die nur sporadisch oder unleidenschaftlich
von Luther berührt werden.

Das dritte Kapitel, „Luther on the Authority of Thomas" (82-95).
behandelt u. a. die wohlbekannten Aussagen über scholastische Lehre
als opiniones. Janz meint jedoch, darin etwas Neues entdeckt zu
haben, daß Luther allmählich seine Auffassung revidiert, indem er
später die faktische Autorität in der Kirche als eine thomistische sieht.
Einen Höhepunkt dieser Entwicklung findet Janz in einer Bemerkung,
zu der er mehrmals zurückkehrt: In Vermahnung an die Geistlichen,
versammelt auf dem Reichstag zu Augsburg (1530), soll Luther
erkannt haben, daß die Thomistcn recht hatten, indem er selbst Thomas
als den „Lehrer der Lehrer" bezeichnet (WA 30 II, 300,2IT).

Das vierte Kapitel heißt „Luthers Knowledge of Thomas"
(96-113). In manchen Fällen meinte Janz feststellen zu können, daß
Luthers Wiedergabe der Lehre des Thomas korrekt sei, in anderen
Fällen, daß Luther die Meinung des Thomas verdrehte. Hier geht es
also um Luthers Kenntnisse. Die Frage wird gründlich diskutiert. Es
ist das Ergebnis des Vf., daß Luther Thomas besser kannte, als man
bisher im allgemeinen annahm.

Der Vf. ist von der Wichtigkeit seines Unternehmens überzeugt. Er
hat natürlich recht, wenn er feststellt, daß sein Buch das erste über
dieses Thema sei, obwohl andererseits die Stellen, wo Luther selbst in
den von ihm herausgegebenen Schriften auf Thomas eingeht, schon
früher erörtert wurden. Solche Stellen finden sich aber nur wenige im
Verhältnis zu den vielen, die Thomas - oder auch Thomas - im Vorbeigehen
erwähnen. Dazu kommen die zahlreichen Stellen in
Tischreden und Nachschriften. Man kann den Fleiß des Vf. nur
bewundern, muß aber bedauern, daß er sein Hauptinteresse nicht den
Stellen gewidmet hat, die quellenmäßig am besten stehen. Janz versucht
bei jeder Kritik Luthers an Thomas genau zu präzisieren, ob
und inwieweit Luther nun auch Thomas wirklich trifft. Leider werden
die kritischen Bemerkungen Luthers meistens isoliert betrachtet, d. h.
sie werden nicht im Zusammenhang des Lutherschcn Gedankenguts
interpretiert. Z. B. gibt Janz keine wirkliche Auslegung von Luthers
Kritik an Thomas in „Decaptivitate babylonica", wohl aber eine von
den Stellen, in denen es wirklich um Thomas geht und nicht nur um
Thomas als Vertreter der Scholastik oder als Haupt der Thomistcn.
Zu bedauern ist, daß der Vf. so viel Gewicht auf seinen Hinweis auf
WA 30 II, 300, 2ff legt, daß dieser für sein Ergebnis bedeutungsvoll
wird, denn diese Stelle ist, wenn man den Zusammenhang genauer
untersucht, für seinen Zweck völlig ungeeignet.

Verschiedene Einzelheiten, die hier nicht aufgerechnet werden
können, lassen vermuten, daß.lanz Schwierigkeiten mit der deutschen
Sprache hat. Mißverständnisse bezüglich einiger Bücher und Aufsätze
die bei ihm vorkommen, sind kaum anders zu erklären.