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Ausgabe:

1990

Spalte:

898-899

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Brüderliche Zurechtweisung 1990

Rezensent:

Treu, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 12

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Oft weist der Vf. auf den sotcriologischen Grundzug der hilaria-
nischen Christologic hin und kann gelegentlich sogar urteilen, Chri-
stologie und Soteriologie seien bei ihm fast identisch. Das bedeutet,
daß alle Aussagen über C hristus letztlich dem Aufweis der universalen
Heilsordnung Gottes dienen, die die gesamte menschliche Ge-
Schichte von der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht umspannt. In
der gesamten Heilsordnung spielt C hristus eine zentrale Rolle, durchaus
nicht erst seil seiner Inkarnation, war er doch bereits Schöpfungsmittler
und ist doch das Wort zugleich Gottes Weisheit und Kraft. In
antiarianischem Interesse betont Hilarius die unauflösliche Einheit
von Vater und Sohn und weiß dennoch beide auch hinsichtlich ihres
Ranges zu unterscheiden.

Christus war bereits präsent in der gesamten Heilsökonomic des
Alten Bundes. Alle Theophanicn des AT gelten Hilarius als Offenbarungen
des Sohnes, angefangen mit Gottes Stimme im Paradies, doch
unter unterschiedlichen Erscheinungsformen, so daß sie qualitativ
von der Inkarnation zu unterscheiden sind, diese aber zugleich ihre
Kulmination darstellt. Da der Vater nur dem Sohn sichtbar und Gleiches
nur von Gleichem erkannt wird, machte sich Gott so den Menschen
verständlich und konnte es nur auf diesem Weg tun. Das AT
Präfiguriert Christus wie ein Schatten die Wahrheit, wobei es sich um
Worte w ie Taten der großen Gottesmänner des AT handelt.

Der präexistente und der inkarnierte Christus sind identisch, und
doch bedeutet die Inkarnation den Beginn der neuen und zentralen
Etappe der Verwirklichung des göttlichen Hcilsplanes. Hier nahm er
die menschliche Natur einschließlich ihrer Gebrechlichkeit im Sinne
der Solidarisicrung mit dem Menschengeschlecht an. Freilich kritisiert
auch der Vf. behutsam, daß Hilarius in dieser Frage nicht konsequent
war, war es doch der Trend seiner Aussagen, Christus Furcht
und Schmerz letztlich abzusprechen. Konnte er doch meinen, Jesu
Angst in seiner Passion entspringe einzig dem Wissen um die Gefahr,
die seinen Jüngern drohte. Trotzdem gilt unbezweifelbar auch für
Hilarius: Seit seiner Inkarnation partizipierte Christus an unserer
Natur ebenso wie an der des Vaters. Von nun an begann das Fleisch zu
sein, was das Wort immer schon war, ohne daß Christus dadurch die
Herrlichkeit des Vaters aufgegeben hätte. Die beiden Naturen waren
'hm stets eigen, nicht aber koexistierten ebenso seine beiden „Forcen
": die Gottes und die des Knechtes. Die Form des Dieners war
'hm ausschließlich von der Inkarnation bis zur Auferstehung eigen.
Prinzipiell wurde er in allem den Menschen gleich außer in der Sünde.
Damit nahm er im Grunde das Fleisch des gesamten Menschengeschlechts
an. Diese Aussage hat direkte ekklesiologischc Folgerungen:
Die Inkarnation erstreckt sich auf die ganze Kirche als Christi Leib
und intentional auf die ganze Menschheit, so daß sie auch concorpo-
ratio genannt wird. Sichtbarer Ausdruck dessen ist die Eucharistie, als
deren Fundament die Inkarnation bezeichnet wird. Die Kirche wurde
bereits in Bethlehem geboren. Das Element der Heiligung bezeugt
schon seine Taufe, die in erster Linie Geistsalbung war und bereits mit
der Kraft der göttlichen Glorie ausstattete, in diesem Sinne die Geburt
des neuen Menschen anzeigte. Als Zweiter Adam besiegte Jesus in seinen
Versuchungen den Satan: in seiner Verklärung auf dem Berg
Tabor wurde seine künftige Glorie bereits kurzfristig vorweggenom-
men. Das Gottesreich war im irdischen Jesus bereits gegenwärtig, was
seine Wunder besonders verdeutlichen, ja er ist das Gottesreich in
person. Die Wunder erweisen das Gottesreich in Aktion und bringen
uns seine Dynamik nahe. Die Heilung der Blutflüssigen zeigt, daß sich
die Kraft der Gottheit Christi bis in den Saum seiner Kleidung hinein
auswirkte, so indes, daß die eigentliche Heilung die von der Sünde ist.
Die Jünger bezeugten als „Verlängerung Jesu" die Frucht seines
Wirkens al s erste.

Hinsichtlich der theologischen Bedeutung des Leidens und Sterbens
Christi bedient sich Hilarius zwar vieler neutestamentlichcr Bilder.
a°er diese bleiben unentfaltct und die soteriologische Bedeutung seines
Todes letztlich unklar. Im Grunde sind Leiden und Tod nur
Durchgang zur Auferstehung, und von einer Kreuzestheologie kann
bei Hilarius keine Rede sein. Christus starb, um den Sterblichen die

Teilnahme an seinem Sieg und damit ihre Verklärung zu ermöglichen
. Somit ist das Kreuz die Erfüllung der Inkarnation, ebensosehr
aber ein Neuanfang, der in der Auferstehung kulminiert. Diesen Sinn
hatte auch der Abstieg der Seele Jesu zu den Toten. Gefangenen des
Teufels. Die Auferstehung ist die Manifestation der Macht seiner
Gottheit und der Vergottung seiner Menschheit, was nicht nur
Modell, sondern auch Fundament der Verherrlichung aller Gläubigen
ist. Zweifellos ist diese Verherrlichung die Mitte der Auferstchungs-
theologie des Hilarius, wie schon die seinen Tod begleitenden Mirakel
zeigen sollen. Von nun an erfüllt Christus als der inthronisierte Herr
alles mit seiner heilbringenden Kraft, und auch seine Himmelfahrt
meint seine vollere, universale Gegenwart, die die Gegenwart seines
Leibes - der Kirche - ist. Demgegenüber bedeutet seine Parusie am
Ende der Zeiten keine neue qualitative Stufe, sondern nur noch eine
Steigerung, die Hilarius wesentlich seltener erörtert. Dieses Ende ist
keine Preisgabe des Seins, kein Mangel, sondern vollendete Vollkommenheit
. Erfüllung. Es ist die Übergabe des Reiches an den Vater, wodurch
der Sohn aber nichts verliert, war doch der Gehorsam gegen den
Vater die eigentliche Konstante in Christi Leben. Sie kann nur im Zusammenhang
mit der Entmachtung aller feindlichen Mächte durch
Christus recht verstanden werden. Christus kommt wieder als Richter,
jedoch nur für die Nichtglaubenden, und die Hauptlinie des hilaria-
nischen Denkens bilden nicht Trennung und Gericht, sondern Hcils-
vcrwirklichung. Der Ernst des Gerichts darf nicht geschmälert
werden, doch der Richter bleibt der Barmherzige. Die letzten Aussagen
zeigen, daß nicht nur die Soteriologie, sondern auch die Escha-
tologie mit der Christologic des Hilarius eng verbunden ist.

Rostock Gen Wendclhorn

Sirch, Bernhard: O Gott, komm mir zu Hilfe. Das immerwährende
Gebet bei Johannes Cassianus. 2. Aufl. St. Ottilien: EOS 1985.
60 S. 8' = EOS Buch, I 59. Kart. DM 4,80.

Brüderliche Zurechtweisung. St. Ottilien: EOS 1989. 172 S. 8* = Nova
et Vetera, 5. Kart. DM 9.90.

Der rührige EOS-Verlag bringt immer wieder handliche Bände im
Kleinformat heraus, die über biblische und altkirchliche Themen von
verschiedenen Aspekten her Auskunft geben. Der Band über das Gebet
bei Cassian bringt Texte in deutscher Sprache zunächst aus der
Bibel (7-9), danach von Kirchenvätern: Cyprian (II). Basilius
(12-15). Makarios der Ägypter (151), Johannes Chrysostomos (161).
Sulpicius Severus (17) und Augustin (18). Ausführlich kommt Johannes
Cassian in den Blick, besonders seine Gedanken zu dem Vers
Psalm 69,2. der dem Büchlein den Titel gab. Die Ausführungen Cas-
sians wirkten nach in der Regel Benedikts, bei Walafrid Strabo und bis
in das 16. Jh. hinein. Die Anmerkungen nennen Quellen. Übersetzungen
und Literatur, so daß man weiter nachforschen kann.

Der Band über die brüderliche Zurechtweisung bringt zunächst 23
Bibelstellen in deutscher und lateinischer Sprache (7-15). Auch die
folgenden Kirchenväter werden in deutscher und lateinischer Sprache
geboten; die Quellen werden genannt, manchmal wird neben einer
neuen Edition auch noch der Fundort bei Mignc mitgeteilt. Die Reihe
der Texte beginnt bei der Didache und Justin. Längere Zitate gibt es
von Ambrosius (17-22). Johannes Chrysostomos (25-44), Augustin
(45-72) und Gregor I. (77-1 13). Es folgen Zeugnisse von Isidor von
Sevilla, Beda Venerabiiis. Haymo von Halberstadt. Petrus Damiani.
aus der Glossa Ordinaria und von Bernhard von Clairvaux. Ausführlich
kommt Thomas von Aquin zu Wort (127-138). Auch Frauen
werden zitiert: Katharina von Siena (I40ff) und Teresa von Avila
(148-150). Es folgt ein einziger Vertreter der neueren Zeit: Josemaria
Escriva de Balaguer (+ 1975), der in deutscher und spanischer Sprache
zitiert wird (150-157).

G. H.