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Ausgabe:

1990

Spalte:

892-893

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Goldhahn-Müller, Ingrid

Titel/Untertitel:

Die Grenze der Gemeinde 1990

Rezensent:

Schille, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 12

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hermeneutischen Problemen und zur theologischen Basis der kulttheologischen
Argumentation führt. Sie stellt einen Versuch dar, die
exegetisch-philologische Arbeit methodisch reflektiert auf das her-
meneutische Bemühen um das eigentliche theologische Thema des
Textes hin weiterzuführen. Sie ist dabei durchsichtig konzipiert und
verstündlich geschrieben. Hinsichtlich des Wertes der sehr umfänglichen
Anhänge scheinen Zweifel angebracht, da sie letztlich doch nur
die in der Studie ausgearbeitete These wiederholen.

Erfurt Claus-Peter März

Dowd, Sharyn Echols: Prayer, Power, and the Problem of Suffering.

Mark 11:22-25 in the Context of Markan Theology. Atlanta, GA:
Scholars Press 1988. X, 186 S. 8" = SBL. Dissertation Series,
105. Kart.S 1 l.95;Lw.$ 17.95

Die Arbeit ist dem Verhältnis zwischen den markinischen Aussagen
über die Macht des Gebetes (Mk 11,22-25) und dem Gebet Jesu in
Gethsemane (Mk 14,32-42) gewidmet, d. h. dem Problem des Gebets
als des Mittels zur Teilnahme an göttlicher Macht und des Gebets des
Leidenden, der keine direkte Hilfe erfährt.

In der Einleitung wird übersichtlich und sachlich über die diesbezügliche
Diskussion berichtet, besonders über die These, wonach
das Bild von Jesus als Gottesmann und Wundertäter aus der volkstümlichen
Tradition (Rekonstruktionsversuche: L. E. Keck, H.-W.
Kuhn, P. J. Achtemeier) bei Markus im Sinne der theohgia crucis
umgedeutet ist (T. J. Weeden, z. T. N. Perrin u. a.). In den siebziger
Jahren hat sich jedoch die Auffassung von Markus als eines Theologen
durchgesetzt, der versucht hat, verschiedene Traditionen zusammenzufassen
(H. C. Kee, J. Kingsbury u. a.), eine Auffassung, wonach
die markinische Gemeinde auch Wunderheilungen praktiziert oder
mindestens für ein erstrebenswertes Charisma gehalten hat (E. Best,
K. Kcrtelge). Hier knüpft D. an und entscheidet sich, zur Lösung des
Problems beizutragen, indem sie die betreffenden Stellen konsequent
literarisch analysiert und das Markusevangelium als "didactic narra-
tive"(V. Robbins) auffaßt.

In dem ersten Teil stellt sie in Auseinandersetzung mit W. R. Tel-
ford (s. ThLZ 107, 1982, 6750 fest, daß die Geschichte von dem verdorrten
Feigenbaum in Mk 11,22-25 sowohl die durch das Gebet vermittelte
Macht Gottes als auch die Zerstörung des Tempels signalisiert
, daß es sich also um einen Text handelt, der als ein Ganzes interpretiert
werden muß, und daß sowohl der Glaube als auch die Vergebung
Voraussetzungen für ein wirksames Gebet sind.

Im zweiten Teil wird das semantische Feld des Begriffes
ADYNATON (Unmögliches; z. B. Mk 10,27) untersucht, der das in
Mk 11,23 beschriebene Wunder charakterisieren kann. D. sammelt
Belege, wonach das ADYNATON damals ein vieldiskutierter Begriff
der Gotteslehre war. Die „unmöglichen" Wunder gehörten also nicht
nur zur Eschatologie, deren Naherwartung D. relativiert. Da das markinische
(und überhaupt synoptische) Verhältnis zwischen Glauben,
Gebet, Vergebung und Wunder viele Gemeinsamkeiten mit den zeitgenössischen
Vorstellungen (z. B. im Asklepios-Kult) aufweist, muß
nach D. das ganze Markusevangelium im Rahmen der hellenistischen
Geistesgeschichte gedeutet werden.

Von diesen Prämissen ausgehend, beschäftigt sich D. mit dem Problem
des Willens Gottes, der Leiden fordern kann, anstatt dem
Gottesverehrer und Beter seine wunderbare Hilfe zu bieten (Teil III).
Daß der Mensch seine Gebetswünsche dem Willen Gottes unterordnen
muß, haben nicht nur die Stoiker, sondern auch die Ncupy-
thagoräer betont. Nach Mk 3,28 ff geschehen die Wunder Jesu gemäß
dem Willen Gottes. Und wenn in Gethsemane Gott nicht eine mira-
kulöse Rettung, sondern das Leiden Jesu will, ist das keine Infragestellung
seiner Allmacht. Das Gebet ist kein magisches Mittel zur Erfüllung
eigener Wünsche, es ist jedoch auch kein bloßer Ausdruck der
Anerkennung einer schicksalhaften Notwendigkeit. Es ist ein Geschehen
, in das die Spannung zwischen der Allmacht Gottes und dem Leiden
des Menschen vor Gott als Vater (Abba) gebracht werden kann.

Die Gemeinde, die dessen fähig ist, löst diese Spannung zwar nicht logisch
, sie „bearbeitet" sie jedoch in ihrem Leben: Wenn sie die Wundermacht
Gottes erfährt, vergißt sie nicht die Leidenden, und im Leiden
wartet sie auf die Rettung durch Gottes Macht. Die Kirche, die
weder die Macht Gottes noch das Leiden erfuhr, ist in der Gefahr,
„trivial" zu beten (164f).

D. hat versucht, die markinische Auffassung des von ihr behandelten
Problems als Radikalisierung einer in der hellenistischen Umwelt
diskutierten und formulierten Position zu deuten. Ihre Fähigkeit,
die Quellen zu interpretieren und die Ergebnisse in einen umfassenden
Rahmen zu setzen, macht aus ihrer Monographie ein Werk, das
den Rahmen üblicher Dissertationen überschreitet.

Und doch muß ich einige grundsätzliche Bedenken äußern: Kann
die Spannung zwischen der Allmacht Gottes und dem Leiden des als
„verflucht" sterbenden Jesus nur als ein radikalisierter Fall des damals
diskutierten Problems der Möglichkeiten Gottes aufgefaßt
werden? Ist es doch (auch nach Markus) nicht etwas qualitativ Neues,
das auf eine eschatologische Wirklichkeit hinweist? Und ist die konsequent
literarische Analyse, welche die referierende Funktion des
Textes nicht thematisiert, d. h. seine Beziehung zur Geschichte nicht
prüft, geeignet, theologische Probleme zu artikulieren?

Prag Petr Pokorny

Goldhahn-Müller, Ingrid: Die Grenze der Gemeinde. Studien zum
Problem der Zweiten Buße im Neuen Testament unter Berücksichtigung
der Entwicklung im 2. Jh. bis Tertullian. Göttingen: Van-
denhoeck & Ruprecht 1989. IX, 406 S. gr.8° = Göttinger theologische
Arbeiten, 39. Kart. DM 84,-.

Als Band 39 der Göttinger Theologischen Arbeiten legt Frau Goldhahn
-Müller ihre nur wenig veränderte Dissertation vor, die unter G.
Strecker und H. Hübner gearbeitet worden ist. Das Buch widmet sich
vor anderem dem Gespräch mit den seit 1912 von Bernhard
Poschmann vorgetragenen Thesen, wonach das großkirchlichc
Bußinstitut im wesentlichen von Anfang an einheitlich gewesen sei.
Dem setzt es den exegetischen Befund in seiner religionsgeschichtlichen
Verklammerung entgegen, um so „das Werden christlicher
Kirchenzucht" (240 aufzuzeigen. Da die Unterschiedlichkeit im
Blickpunkt steht, folgt es nicht dem historischen Ablauf (erst Kap. 4.
115-224 widmet sich Paulus und seiner Schule), sondern beginnt bei
den auffällig rigoristischen Aussagen des Uh und Hbr (Kap. 3.
27-114). Uh lasse eine bereits „reflektierte Traditionsstufe"
erkennen (72), die auf die Unterscheidung von Vergehensgraden abhebt
. Hbr gehe dagegen vom Ephapax des Sühnopfers Jesu aus (98).
Durch den Rigorismus werde Ernst und Bedeutung der für Christus
vollzogenen Entscheidung herausgestellt (113). Im Gegensatz dazu erscheint
das pl Zeugnis eschatologisch geprägt und „situativ" (163),
während bei Mt der Schwerpunkt „auf der intensiven Bemühung um
Wiedergewinnung" liege (190).

Die großkirchliche Praxis knüpft unmittelbar an den ntl. Rigorismus
an (Kap: 5,228-351). Doch verläuft die Entwicklung nicht geradlinig.
Da sich die Verweigerung einer Zweiten Buße nicht durchhalten ließ,
fordern Elkesai und der Hirt des Hermas die einmalige Wiederholung
der Taufbuße. Radikaler verweigert der Montanismus diese Forderung
, während sich fast alle Apostolischen Väter für eine offenere
Bußpraxis freihielten. Tertullian (Kap. 6, 352-378) trat zunächst für
die /.weite Buße ein, die er in seiner montanistischen Spätphase zugunsten
einer präzisen Definition läßlicher bzw. tödlicher Sünden negiert
hat. (Eine Einleitung: I f, Kap. 1; ein knapper Durchgang durch
wichtigere Literatur: 3-16, Kap. 2; und ein breites Literaturverzeichnis
: 385-406, runden das Buch.) Das Buch ist eine fleißige Arbeit, der
man nur gelegentlich anmerkt, auf welchen Positionen sie aufruht
(S. 189 einmal der schreckliche Lapsus, das ntl. Judentum sei „spätjüdisch
"). Natürlich entgeht dem genaueren Hinsehen nicht, daß das
exegetische Ergebnis nirgends das gängige Geschichtsbild zu sprengen
wagt. So erscheint dann eben, trotz aller Mühe um theologische Dille-