Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1990

Spalte:

884-885

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Dozeman, Thomas B.

Titel/Untertitel:

God on the mountain 1990

Rezensent:

Hirth, Volkmar

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

883

Theologische Literaturzeitung 1 15. Jahrgang 1990 Nr. 12

884

tion" (Kap. 5, 131-154). Der Vergleich mit einer Reihe von "dedica-
tory inscriptions", "memorial inscriptions" und "mixed forms" führt
D. zu einer Bestätigung der von J. M. Miller bereits früher' und in
diesem Band vertretenen Auflassung, die MI sei eine Memorial-
inschrift, wenn auch der Vergleich "the very close relationship
between memorial and dedicatory inscriptions" und "the religious/
cultic nature of both genres" zeige. Mit dieser Bestimmung des literarischen
Charakters der MI verbindet sich die für die historische Deutung
wichtige Feststellung, daß "a caution has been raised at the point
of the arrangement of the material in the MI. The material is not
necessarily exhaustive, nor arranged in chronological order."

Unter dem nüchternen Titel "Historical Reconstruction and the
Meshac Inscription", Kap. 6. 155-210) bietet J. A. Dearman eine
kluge, gedankenreiche und umsichtige Skizze vom Lande Moab, der
Geschichte und Politik besonders im Verhältnis zum omridischen
Israel und dessen Geschichte und Politik. Dabei werden chronologische
Probleme, die Interpretation der omridischen Strategie gegenüber
Moab nach der MI ebenso sorgfältig berücksichtigt wie die Auswirkungen
der assyrischen Politik auf Moab und die umliegenden
Völker. Gründlich behandelt D. die 17 in der MI genannten Ortschaften
. Angemessene Berücksichtigung finden Grenzen, Straßen und
"settlement patterns". Es gibt Anzeichen, denen D.s Analyse neue
Nahrung gibt, daß ethnische und geographische Zugehörigkeiten und
Grenzen im moabitisch-israelitischen Gebiet als typischem Grenzgebiet
durchaus wechselnd und fließend waren2. Begrüßenswert ist
D.s methodisch vorsichtiges Vorgehen, wenn er bei der Untersuchung
der Natur der „Revolte" Mesacs die MI unabhängig von den in ihrem
historischen Quellenwert umstrittenen, mit großer Zurückhaltung zu
bewertenden biblischen Texten 2Kön 3 und 2Chr20 untersucht. D.
betont sicher zutreffend, daß die Inbesitznahme der in der MI genannten
Orte durch Mesac auf sehr verschiedene Art und sukzessive
erfolgte, wie es in diesem Gebiet verschiedener Ethnien und Mischgruppen
mit häufigen gazawat auch verständlich ist; bekanntlich wird
auch nirgends von einer offenen Entscheidungsschlacht Moabs gegen
Israel berichtet.

G. L. Mattingly beschäftigt sich in Kap. 7 mit "Moabite Religion
and the Meshac Inscription" (211-238). Erbehandell den Hauptgott
Kemosch, sodann die Frage, ob "Ashtar is the female consort of
Kemosh". In der darstellenden Kunst des Moabgebietes gibt es bisher
keine sicher Kemosch zuzuschreibende Abbildung'. Was M. verdienstvollerweise
an Informationen zu moabitischen "sanetuaries",
"sacrifices", "priests and prophets", "divine Intervention", "ware-
fare and herem" sowie "afterlife" zusammenträgt, bildet einen guten
Überblick, bleibt aber aufgrund der bescheidenen Quellenbasis
mager, auch deshalb, weil M. - methodisch völlig angemessen - bei
der Analyse nicht vom biblischen Befund her die Informationen der
MI auffüllt, sondern von der MI ausgeht und allenfalls vorsichtig den
biblischen Befund heranzieht. Die zahlreichen unausgegrabenen Siedlungen
Moabs können aber noch manche Aufklärung bringen.

Das "Summary of the 1955, 1956 and 1965 Excavations at
Dhiban" (Kap. 8,239-246) von W. H. Morton geht leider wenig über
seine dürftigen früheren Berichte über zwei freigelegte Areale während
dreier Kampagnen hinaus4.

Abschließend berichtet M.-L. Musseil (Kap. 9, 247-251) über
einen in der künstlerischen Gestaltung ägyptisch beeinflußten Krughenkel
-Siegelabdruck aus Diban (späte Ei I-/frühe Ei Il-Zcit), eine
Komposition aus einer Gottheit (Kemosch?), einem Skorpion, einem
hirschartigen Quadrupeden und einer Schlange.

Eine Bibliographie (253-289!), ein Index der MI- und der all. Belegstellen
' sowie acht Karten, eine Nachzeichnung der MI, Zeichnungen
von moabitischen Stelen, Grabungsschnitte und -fotos von Diban
sowie Fotos und Zeichnungen von im Band behandelten Klcinfunden
und einer Skizze des Palastkomplexes in Dibon beschließen den Band.
Insgesamt handelt es sich um ein für die Weiterarbeit nützliches
und begrüßenswertes Arbeitsbuch im besten Sinne des Wortes.
Rostock Hermann Michael Niemann

' Vgl. .1. M. Miller, The Moabite Stone as a Memorial Stela. PEQ 106(1974),
9-18.

: Gedanken in dieser Richtung hat M. Weippert bereits vor längerer Zeit
mündlich geäußert (vgl. E. A. Knauf, Midian. Untersuchungen zur Geschichte
Palästinas und Nordarabiens am Ende des 2. Jahrlausends v.Chr. [ADPV]
Wiesbaden: Harrassowitz 1988, 1621' m. A. 689) und danach Untersuchungen
und Exkursionen des Lehrkurses 1983 des Deutsehen Evangelischen Instituts
für Altertumswissenschall des Heiligen Landes in diesem Gebiet Moabs ausgerichtet
(vgl. M. Weippert, Das Deutsehe Evangelische Institut für Altertumswissenschaft
des Heiligen Landes in den Jahren 1982 und 1983. ZDPV 101
[1985], 167).

' Vgl. aber den von M.-L. Musseil in ihrem Beitrag besprochenen Siegel-
Abdruck.

4 Vgl.. U. Hübner. Der erste moabitische Palast. Biblische Notizen 51 (1990).
13-18.

' Nützlich und dem Charakter des Arbeitsbuches angemessen wäre ein Index
der Ortsnamen gewesen.

Dozeman. Thomas B.: God on the Mountain. A Study of Redaction.
Theology and Canon in Exodus 19-24. Atlanta, GA: Scholars
1989. XI, 224 S. 8° = SBL. Monograph Series, 37. Pb. $ 17.95.

Der Vf. möchte mit seinem Buch einen Beitrag zur gegenwärtig im
Umbruch befindlichen Pcntateuchinterpretation leisten. Er konzentriert
sich dabei auf den „kanonischen" Sinai-Komplex Ex 19-24, als
dessen Mittelpunkt er die Offenbarung Gottes auf dem Berg betrachtet
. Die Sinaiperikope bis Nu 10 ausgedehnt zu sehen oder gar Deut
einzuschließen, lenkt durch die ausgedehnten gesetzlichen Teile von
diesem Zentrum ab. Die kanonische Sinaiperikope ist in erster Linie
Erzählung, jedoch eine solche, die zum Gesetz hinführt. Sie ist aber
nicht zuerst Gesetzesmitteilung.

Der bisherigen historisch-kritischen Forschung, vertreten durch
Wellhausen, Grcßmann und v. Rad, wird vorgeworfen, daß sie der
Urkundenhypothese verhaftet bleibt, dabei die Redaktoren zu passiven
Sammlern macht und den vorliegenden (kanonischen) Text für
unverständlich erklärt. Im Anschluß an die Vorarbeiten von Perlitt
und Rendtorff soll darum eine neue Sicht gegeben werden. Der Vf.
rechnet mit einer dtr. und einer priesterl. Redaktion des Sinaikomplexes
, wobei die priesterl. Tradenten die Endredaktion dieses Komplexes
und des Pentateuch insgesamt vorbereiteten. Beide fußen sie auf
einem vorexilischen = vordtr. Kern.

Entscheidend für die Gottcsbcrg-Tradition ist, daß Gott zu diesem
Berg kommt und auf ihm thront. Das ist ein Symbol in den Sinne, daß
damit bei aller gebotenen Unterscheidung zwischen dem Ding, das als
Symbol dient, und dem, was es symbolisieren soll, in erster Linie eine
Aussage für eine genau zu beschreibende Gruppe von Menschen
gemacht wird. Für Israel ist mit Sinai vor allem die kultische Präsenz
Jahwes gegeben. Dtr. und priesterl. Redaktion wollen diese kultische
Gegenwart Gottes ausdrücken. Sic gehen dabei beide den Weg von der
mehr bildlichen zur sprachlichen Vermittlung der Vorstellung von
der Anwesenheit Gottes auf dem Berg (i'rom metaphor to metonymy).
P betont in diesem Zusammenhang die pric .. Vermittlung und
sieht Israel als Mittler des Heils unter den Völkern. DtrR hebt die
Rolle des Volkes gegenüber der priesterl. Vermittlung hervor. Vf. versteht
das als Kritik an der Zion-Zebaoth-Thcologie von P.

Die verschiedenen Vorstellungen vom Gottesberg stehen nebeneinander
, wobei der Weg vom Zion über den Horch zum Sinai geht. Für
das Verständnis des Sinaikomplexes spielt der Begriff der Rcpctition
eine große Rolle, der Wiedergebrauch desselben Wortes oder einer
Wortgruppe unter neuen Bedingungen, wobei zugleich eine Vereinheitlichung
dureji wiederholende Nachahmung (mimesis) und eine
Differenzierung (undergrounded doubling) erfolgen. In der Redaktion
des Sinaikomplcxes kam beides zum Tragen und wurde durch das
Kanonbcwußtscin der Redaktoren zusammengehalten. Große Bedeutung
kommt in diesem Zusammenhang Esra zu.

Mittelpunkt des Sinaikomplexes ist die Rede von der göttlichen
Gegenwart. Eine biblische Theologie muß entsprechend der Redak-