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Ausgabe:

1990

Spalte:

848

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Benedikt XVI. Papst, Auf Christus schauen 1990

Rezensent:

Kirchner, Hubert

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Seite 1

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847

Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 11

848

Moltmann-Wendel, Elisabeth, Küng, Hans, u. Jürgen Moltmann
[Hg.]: Was geht uns Maria an? Beiträge zur Auseinandersetzung in
Theologie, Kirche und Frömmigkeit. Gütersloh: Mohn 1988.
208 S. m. 8 Abb. 8"=GTB/Siebenstern493. Kart. DM 22,80.

Das anzuzeigende Taschenbuch vereint 13 sehr unterschiedliche
Beiträge, die fast alle für das Themenheft „Maria in der Kirche" der
Zeitschrift „Concilium" (1983, H. 10) verfaßt worden waren und nun
in überarbeiteter Gestalt einem weiteren Leserkreis neu zugänglich
gemacht werden sollen. Hier wird einem Interesse an der Gestalt
Marias Rechnung getragen, das allerdings längst nicht mehr allein von
der Marienfrömmigkeit bestimmt ist. Befreiungskampf, feministische
Theologie und der ökumenische Dialog gehören ebenso dazu. Diesem
Phänomen muß man sich stellen, auch wenn man gute Gründe gegen
eine Mariologie hat. Das Taschenbuch, für das der Verlag innerhalb
seiner „Bücher zur feministischen Literatur" wirkt, bietet dazu einen
guten Ansatz.

Hans Küng (Maria ökumenisch gesehen, 9-14) plädiert für eine
Befreiung der Mariengestalt „von den Wunschbildern einer männ-
lich-zölibatären Priesterhierarchie ebenso wie von den Wunschbildern
einer kompensatorischen Identitätssuche von Frauen" (13).
Jürgen Moltmann (Gibt es eine ökumenische Mariologie?, 14-22)
erörtert positive und negative Bedingungen für eine ökumenische
Mariologie. Für ihn ist die Mariologie „ein Thema christlicher Pneu-
matologie" (22). Der amerikanische Theologe John McKenzie (Die
Mutter Jesu im Neuen Testament, 23-40) sieht, daß sich uns die
historische Maria ebenso entzieht wie der historische Jesus. „Der
Glaube an die Maria der traditionellen christlichen Frömmigkeit ist
ein Glaube an etwas, was nicht wahr ist" (36). Der Vf. hat Zweifel an
einer modernen Marienfrömmigkeit. „Wenn allerdings eine neue
Mariologie entstehen soll, dann kann sie nur von Frauen formuliert
werden" (38). Schalom Ben-Chorin (Die Mutter Jesu in jüdischer
Sicht, 40-50) versucht, die .jüdische Gestalt der Mutter Mirjam" zu
rekonstruieren und darin eine notwendige „menschliche Reduktion
Märiens" (50) vorzunehmen. E. Moltmann- Wendel (Maria oder
Magdalena - Mutterschaft oder Freundschaft?, 51-59) zeichnet nach,
wie die Frauengestalten des Neuen Testaments typisiert und damit
auch deformiert wurden. Maria Magdalena wird als Leitbild für unabhängiger
werdende Frauen herausgearbeitet. Der Kirche wird eine
stärkere Beachtung der Freundschaftstraditionen, die „die Gegenseitigkeit
und Partnerschaft von Gott und Mensch" betont (58), empfohlen
, weil „Gottes Freundschaft das Modell des Glaubens und einer
messianischen Gemeinschaft von Frauen und Männern ist" (59).
Nach Gottfried Maron (Die Protestanten und Maria, 60-71) muß die
evangelische Theologie „ihren Weg finden zwischen Feminismus und
Katholizismus". Ihre Aufgabe ist nicht eine Mariologie, sondern eine
Beteiligung an der „Suche nach einem biblisch besser begründeten
Marienbild" (70). A^. E. Boressen (Maria in der katholischen Theologie
, 72-87) geht vom Ineinanderwirken von Theologie und Anthropologie
aus. Mit dem Schema „aktiv - passiv" liege der klassischen
Christologie „ein anthrozentrisches Verständnis vom Wesen der
Frau" (74) zu Grunde. Weil „die Gestalt Marias die Unterordnung der
Eva im Sinne der Schöpfungsordnung und Soteriologie symbolisiert"
(84), muß gerade die theologische Diskussion für die Befreiung der
Frauen für eine neue Ordnung auf der Erde christozentrisch sein.
Nikos Nissiotis (Maria in der orthodoxen Theologie der Ostkirche,
88-112) zeigt, daß in der orthodoxen Tradition Maria stärker in
der Liturgie und Spiritualität als in der systematischen Reflexion verankert
ist. Das Geheimnis Marias entlarvt die „Virilität des Mannes
als Selbstgenügsamkeit und falsche Selbstkreativität des Lebens" und
führt zur „Wiedereinsetzung der Menschheit in ihre normale Beziehung
in und mit Gott" (99). Nissiotis fordert daher für unsere Zeit eine
„mariologische Anthropologie" (107). Catharina J. M. Halkes
(Maria - inspirierendes oder abschreckendes Vorbild für Frauen?,
I 13-130) streitet gegen ein buchstäbliches Festhalten „am Frausein
Marias und am Mannsein Jesu" (118). Der Offenbarungsgehalt des

„Weiblichen" müsse wieder erkannt werden. „Erst wenn die Kirche
alle Aspekte der .Großen Mutter' in den Blick zu nehmen wagt,
können Frauen zu ihrem Recht kommen und kann eine gesunde und
geheilte Mariologie sowohl für Frauen wie für Männer heilsam
wirken" (127). Virgil Elizondo (Maria und die Armen, 131-141)
beschreibt die Bedeutung der Verehrung unserer Lieben Frau von
Guadalupe für die mexikanischen Christen. „Die Armen Gottes werden
uns zu unverhofften faszinierenden Einsichten in das Mysterium
Gottes zu führen vermögen" (140). Tiefenpsychologisch-
feministische Perspektiven entwickelt Maria Kassel (Maria. Urbild
des Weiblichen im Christentum?, 142-160) und wirft dabei die Frage
auf, „ob das beschnittene weibliche Urbild Maria" den Frauen „die
Identitätsmuster für ihr volles Menschwerden überhaupt geben kann"
und wie die fehlenden weiblichen Aspekte in das Gottesbild integriert
werden können (156). Die letzten beiden Beiträge wenden sich der
Literatur (Karl-Josef Kuschet, Mater Dolorosa: Maria als Befreiungsfigur
in der Literatur des 20. Jahrhunderts, 161-183) und Kunst
(Monika Leisch-Kiesl, Marienverehrung und Marienkult in der darstellenden
Kunst, 184-203) zu. Eindrücklich sind die Texte von
Novalis bis Marti, die Kuschel szenenartig vor dem Leser ausbreitet:
Maria-nicht Spiegelung der Gnade, sondern des Menschen.

Das breite Spektrum möglicher Zugänge zu Maria und Aussagen
über sie, das die vorliegenden Aufsätze markiert, veranlaßt zu der
Frage, ob sich nicht doch Mariologie immer nur auf Kosten des „verus
homo" der Christologie entwickeln kann und darum von dorther korrigiert
werden muß. Aus der Sicht des Rez. stehen die entscheidensten
Fragen darum im letzten Beitrag, wo man sie im Kunstthema gar nicht
erwartet: „Braucht das Gottesbild eine Korrektur über Maria, oder
sind nicht vielmehr in diesem selbst in der Verkündigung noch zu
wenig ausgeschöpfte Momente? Wie weit ist es bisher gelungen, die
trinitarische Wirklichkeit als eine lebendige und auch gewährende zu
begreifen?" (193).

Kamenz Hans-Jochen Kühne

Ratzinger, Joseph Kardinal: Auf Christus schauen. Einübung in
Glaube, Hoffnung, Liebe. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1989.
128 S. 8". geb. DM 17,80.

Das schmale, sehr ansprechend gestaltete Bändchen bietet Meditationen
, die der Autor bereits 1986 im Rahmen von Exerzitien für Priester
der Bewegung „Communione c liberazione" gehalten hat. Mit
dem Bezug auf die drei „göttlichen Tugenden" Glaube, Hoffnung und
Liebe folgte er einer Anregung durch die entsprechenden Traktate von
Josef Piper, an dessen philosophischen Meditationen er sich auch in
seinen sachlichen Aussagen verschiedentlich orientierte. Auf diese
Weise entstand eine eigentümliche Verbindung von Philosophie.
Theologie und Spiritualität, die wohl anzusprechen vermag und zum
weiteren Nachdenken anregt, so daß sich der Wunsch schon verstehen
läßt, der zum Druck noch nach Jahren führte. Und das gilt auch für
die Passagen, mit denen der Autor gewiß nicht jeden überzeugen wird,
wie z. B. das Urteil über den nachkonziliaren kirchlichen Autbruch in
Holland (S. 42-44 als Einstieg in das Nachdenken über die Hoffnung),
dessen Optimismus zur Negativfolie für die eigentliche theologische
Tugend der Hoffnung herabgewürdigt wird. Widerspruch und Streit
brauchen jedoch nicht ausgeschlossen zu sein, zumal auch dabei kluge
Gedanken über den neuzeitlichen Optimismus gesagt werden.

Zwei Homilien, 1988 in Chile gehalten und durch ihr Thema mit .
dem Vorstehenden verbunden, ergänzen die Ausführungen. Den
Abschluß bildet eine Reihe von Anmerkungen zu den Meditationen,
die nicht nur Zitate nachweisen, sondern denen, die den hier vorgetragenen
Gedanken gern weiter nachsinnen möchten, Hilfe und Anregungen
bieten.

Schöncichebei Berlin Huhcrt Kirchner