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Ausgabe:

1990

Spalte:

842-843

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Werner, Hans-Joachim

Titel/Untertitel:

Eins mit der Natur 1990

Rezensent:

Jenssen, Hans-Hinrich

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Theologische Literaturzeitung I 15. Jahrgang 1990 Nr. I 1

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Christus sit obiectum lidci. imo non obiectum, sed ut ita dicam, in 3. Wie der Ursprung des „neuen Paradigmas der Lutherlbrschung".
ipsa Ilde Christus adest" (WA 40,1.2280- Sowohl durch den osian- so hat auch diese These zur neueren Lutherforschung eine ökumeni-
drischen Streit wie auch durch ein daraus erwachsenes einseitig foren- sehe Ausrichtung mit der Überlegung, ob hier eine konfessionelle
sisches Verständnis der Rechtfertigung sind diese und ähnliche Äuße- Eigentümlichkeit vorliegt, die als „Grunddifferenz" zwischen den
mngen schon früh aus der lutherischen Theologie verdrängt worden. Kirchen steht, oder aber nur eine „Denkgewohnheit", die auf un-
Auf sie bezieht sich das „Gegenwart-Christi-Motiv". dem die Unter- «flektierte philosophische Prämissen zurückzuführen ist. Vf. hält
suchung gilt sich mit dcr Beantwortung dieser Frage zurück, wenn er bemerkt: Es

Die Anregung zu dem „neuen Paradigma" erwuchs aus den theolo- „kann nicht ohne weiteres konstatiert werden, daß diese Grund-
gischen Gesprächen mit russischen orthodoxen Theologen, bei denen Verschiedenheit in der reformatorischen Theologie Luthers selbst vor-
es um das Verhältnis von Rechtfertigung und Theosis ging. Daß es handen ist ... die Antwort auf diese Frage wird in der vorliegende
hier nicht nur Entsprechungen, sondern über die Alte Kirche auch Studie offengelassen: es ist nur gezeigt worden, daß eine solche Fragt
direkte Verbindungen gibt, wie z. B. das „beatum commercium" bei im Lichte der Forschungsgesch.chte eine Berechtigung und emen Od-
Luther, Ircnäus und Athanasius zeigen mag. ist unbestritten. Aller- tungsbereich hat" (231). Indes legt die Untersuchung wesentlich
dings kann daran erinnert werden, daß es in der Ostkirche um die weiterreichende Folgerungen nahe, d.e sowohl für die Selbstprulung
hesychastische Gebetspraxis wiederholt zu scharfen dogmatischen evangelischer Theologie wie auch für zw.schenk.rchhche Gespräche
Konflikten gekommen ist, wo durch die Erfahrung der Gemeinschaft von den vordergründigen Methodenfragen zu tielergehenden Saeh-
mit Gott in der Einwohnung des Namens Gottes die Sorge aufbricht. fragen führen könnten. Dazu muß an dieser Stelle eine kurze ab-
die Unterscheidung von Schöpfer und Geschöpf könne aufgehoben schließende Bemerkung genügen: Die eingangs erwähnte dogmatische
sein. Die dogmatische Antwort auf diesen Vorwurf ist die Unterschci- Unterscheidung von Sein und Wirkung in den hesychast.schen

dung von „ousia" (Sein. Substanz) und „energeia" (Wirkung. Tat)des Streitigkeiten hat ihren Ort in der Tr.n.tatslehrc. An dieser Stelle

dreieinigen Gottes jedoch gibt es in der neueren evangelischen Theologie ein erhebliches

5 i„ i i .i. i u .j /"„„„r,,.,..!-! rhrkti Defizit das nicht auf einzelne Theologen oder Riehtungen beschränkt

In der neueren Lutherlorschung ist das sog. „Gegenwart-l nnsli- vciilu, uns un.ni «ui »u . ,, . . , ... , „ ,.

Motiv" durchaus erkannt, aber auch in bestimmter Weise interpre- ist. In der Kürze läßt es sich vielleicht so beschreiben, daß die

tiert worden. Vf. führt das mit einer Fülle von Belegen an ausge- Probleme der Verstchbarkeit der Tnnitatslehre die Erkenntnis des

Ahlten Beispielen vor: Als Vertreter des Neuprotestantismus gegenwärtigen Seins und Wirkens des Dreieinigen Gottes, den d.e Ge-

Albrecht Ritsehl und Wilhelm Herrmann, als Vertreter der Luther- meindeanbetet, verdecken.

renaissance Karl Holl. Lnch Vogelsang. Reinhold und Erich Seeberg Was Vf. als gemeinsamen denkerischen Ansatz ncuprotcstant.scher

sowie für die dialektische Theologie Karl Barth und Ernst Wolf. Diese Theologie gezeigt hat. findet sicher eine wertere I esULigung wenn

Reihe ließe sich ergänzen, doch muß man wissen, daß in ähnliche man nach dem Reali.älsgeha t der Heihgen Schntt a^or. Gottes so-

Wchtung eigene Untersuchungen bereits zur Theologie von Hans- wie nach der Wirklichkeit der sakramentalen Gabe trag - und ,s,

Joachim Iwand (Eeva Martikainen) und von Gerhard Ebeling (Miikka nicht letztlich die um sich greifende Instrumentalisierung des Got es-

Ruok-inen)vorliegen dienstes eine Konsequenz daraus, daß Sein und Gegenwart Gottes

Die sorgfältigen Einzelanalysen führen zu einem zwar dilferen- kein theo.ogisehes Thema mehr sind Der Transzcndcntalismus ist

Herten, aber doch einheitlichem Ergebnis m„ der Feststellung, daß vermutlich nur eine dogmatische H, s onstruktion. die de r, g ■ t.

das „Gegenwart-C'hnsti-Motiv" stets von einer sich durchhaltenden wo die trimtätstheologisch begründete Gemeinschaft und Unterschu-

Voraussetzung her interpretier, und damit ,n seinem Realitätsgehal. dung von Gott und Mensch nicht mehr begnften wird,
fcu.- , , r , . ' . „ j-,ji„4K,^hr»p0pnpinc naß die neuere finnische Lulherdeutung mit einer deutlichen Kn-
ldMisch autgehoben wird. Negatiser Grund ist die Abwehr gegen tinc uaDuie»» „i;t.u„Ti,mu

••Substanzmetaphvsik". posi. v aber wird ein „transzendentales Wir- tikan unrcfiekt.erten Voraussetzungen, neuerer evange eh r Theolo-

kungsdenken" ^gestellt, das auf die Einfiüsse der Philosophie von gie verbunden ist, mag hier und da aul Widerspruch stoßen. Doch es

Hermann Lotze und des Neukantianismus zurückzuführen ist. Von dürfte sich lohnen, solchen Anregungen genauer nachzugehen u d sie

'"er aus richte, sich das theologische Interesse vornehmlich auf die nicht nur mit einer umw.l gen Hand» wegu,,; ^ zu ^ hen^ Denn

-eonsti.uierenden Merkmale" de, Erfahrung, wie dies z. B. von wo es heute den Anschein haL daß d.e zw,sehen rch khe V erstand -

Hermann ( oben formulier, worden ,s. ,46). Das Sein Gottes ist daher gung aufder Grundlage des L^1^^^™^; *

n«r im Ak, der Begegnung mit menschlichem Bewußtsein Gegenstand net sich hier ein Weg zu wahrer Ka.ho z . . M,t de So gl de

dertheol,. I «11 Qucllenanalyse und der behutsamen Umsicht des theologischen

gisenen Kellexion. , . .rtcjls kann die vorliegende Arbeit wichtige Anregungen fürtheologi-

Aul den ersten Blick ist diese Ubereinstimmung bei Vertretern sehr Lrtei.s Kann u,t

Verschiedener Positionen überraschend. Doch selbst wenn manches sches Verstehen und kirchliche Verständigung ölTnen

Erlangen Reinhard Slcne/ka

Lr8änzt und einiges anders interpretiert werden könnte, ist der ent-

eidende Punkt überzeugend begründet. Einen eindrucksvollen
Beleg für *,.;„, x. , . n »/<■ * <■ nm „ Werner. Hans-Joachim: Eins mit der Natur. Mensch und Natur bei

>erner nans-jouemm: r.ms um uer naiur. ivienscn unci iMatur oc

:|eg Tür seine These stellt Vf. ganz an den Anfang (VI), wenn er Fr;|nz von Assjsj jakob Böhme, Albert Schweitzer und Pierre Teil-

Jewcils mit einem Zitat der von ihm behandelten Theologen zeigen har(j de chardin. München: Beck 1986. 164 S. m. 4 Abb. kl. 8- =

kur>n. wie die personale Relation der Einwohnung Christi stets als Beck'sche Schwarze Reihe. 309. Kart. DM 19,80.

"J-rkung" und „wirken" interpretier, und auf diese Weise kausal Hans-Joachim Werner verbindet gute Lesbarkeit.

^Psychologisch gewendet wird unter der Absicht eine.Sensaus- D^hri und AUgemeinverJtandlichkei, in hohem

Rir die Bestimmung der Gemeinschaf, zu vermeiden Das Ergeh- Klarheu d Sachkcnntn,s im Hinblick auf Biographie und

2 *P "Es hat sich erwiesen' da° a' C '"^ ! ?ff rlk Sdcr v er im Untertitel genannten christl.chen Person-

' "Ivsierten Luthenn.erpre.en. diesem Ansatz folgend, dem Begr .f 9^^^ möchte ich das im Hinblick auf Alber,

£ W ,rkens beziehungsweise der Wirkung oder des Aktes einen rieh- h hke ten. K ubenswcrk ich mich intensivcr beSchäf-

ngweisenden Wer, beilegen und daß die Wendung „Gottes Wirken ^weitz, . gern ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^

Uns« damit einen spezifischen rundamen.altheolog.schen Sinn t g ™*> Wen>er verständnisvoll und zugleich kritisch

Vhult Auch die dialektischen Theologen Karl Barth und Ernst Wolf ntr'"«^ £ ^ch das Verhältnis des Menschen zur Natur jeweils

^tanzieren sich letzten Endes nicht so sehr von dieser Grundent- nac _ - ^ ^ kejneswegs nur um nist0.

^e.dung. sondern lehren in Übereinstimmung m.t dem Neupro- nt . ^ ^ Ejn|ejtung„ sog|ejch ganz

^'antismus und der Lutherrenaissance, mit dem Gegenwar -t nnst, njeo ^ das aktuc|ie, ihn ,eitende Interesse der Darstellung, ohne

se. keine substantielle Anwesenheit gemeint, sondern ^ ^ Verzeichnung oder gar einem Zurechtstutzen
''ktuales Wirken Ciottcs auf uns" (230).