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Ausgabe:

1990

Spalte:

840-842

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Saarinen, Risto

Titel/Untertitel:

Gottes Wirken auf uns 1990

Rezensent:

Slenczka, Reinhard

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839

Theologische Literaturzeitung I 15. Jahrgang 1990 Nr. I I

840

Man weiß, daß eine Französische these de doctorat es lettres eine
gewichtige Angelegenheit ist. gewichtiger als eine durchschnittliche
deutsche Dissertation. Das gilt auch von der Arbeit Pouderons. F.twas
Schulmäßiges - nicht Schülerhaftes - kann man vielleicht in der
gründlichen Systematik von Gliederung und Darstellung erkennen,
im methodischen Voranschreiten der Argumentation. Aber das sind
durchaus positive Züge. Mag es an Brillanz mangeln, vorsichtige
Abgcwogenheit ist ein Vorzug. Sehritt für Schritt geht der Autor voran
, und bei jedem Einschnitt fixiert eine Zusammenfassung das
Erreichte.

Zu einem so oft behandelten Autor wie Athenagoras ist es nicht
leicht, grundsätzlich Neues zu sagen. Aber die Erörterung des Materials
, die Auseinandersetzung mit der neueren Forschung sind verdienstlich
. Über das Leben des Apologeten ist wenig bekannt. Die
Datierung der Apologie auf 177 wird bekräftigt. Verdienstlich ist die
erneute Untersuchung der Verbindung zwischen den beiden Athenagoras
zugeschriebenen Werken, der Apologie und der Abhandlung
über die Auferstehung. Gegen die Einwände von Grant und Gallicet
bcharrt P. darauf, daß beide Arbeiten von einem Autor stammen. Die
nicht zu leugnenden Unterschiede erklären sich aus den Unterschieden
der Genres. So kann also das Gesamtbild des Autors aus den
beiden Schriften gewonnen werden. Dies, im 2. Kap. systematisch
dargestellt, umfaßt die himmlische Welt (einschließlich der Dämonologie
) und die irdische. Athenagoras' Anthropologie ist modern (ein
Begriff, den P. liebt), sie verbindet griechische und jüdische
Elemente.

Das zentrale Kapitel gilt dem .Zeitgeist', dem Eintluß der diversen
Richtungen der griechischen Philosophie auf Athenagoras. der sich
als christlicher Philosoph versteht. Hervorgehoben wird die Bedeutung
des mittleren Piatonismus für seine Dämonologie. Piaton unddie
Stoa sind natürlich von Bedeutung, aber auch aus dem Epikureismus
gibt es Übernahmen. Athenagoras formuliert also seinen christlichen
Glauben in der Sprache und in den Begriffen der Zeit. Nach der Philosophie
erhält auch die (Natur-)Wissenschaft einen eigenen, wiewohl
kürzeren Abschnitt. Sie nütze Athenagoras als erster christlicher
Autor: ein offener, toleranter, moderner Geist. Er ist aber auch Polemiker
, wie das nächste Kapitel darstellt. Dabei ist sein Ton je nach
Situation differenziert. Die an die Kaiser gerichtete Apologie gibt sich
verständlicherweise gemäßigt, die dogmatische Abhandlung ist energischer
, insbesondere in der Auseinandersetzung mit den Gno-
stikern.

Dankenswert ist das kürzere Schlußkapitel über die schriftlichen
Quellen, deren Benutzung durch Athenagoras anzunehmen ist. Er ist
gebildet und belesen, aber wie es der Epoche entspricht, sind Zwischenquellen
anzunehmen, also doxographische Sammlungen, philosophische
Epitomen. Er kennt - natürlich - die Bibel, vor allem
Paulus. Es mag banal klingen, aber der heutige Gelehrte, dem Fachbi-
bliothcken zur Verfügung stehen, setzt oft zu einfach voraus, daß sein
antiker Kollege in ähnlicher Lage war. Da ist es gut. daran zu erinnern
, daß in der Zeit des handschriftlichen Buches die Zugänglichkeit
von Literatur ein Problem war. über das nachzudenken ist.

Beachtenswert sind ferner die Überlegungen zum Adressaten kreis.
Wo er nicht direkt angesprochen wird, wie dies bei Athenagoras der
Fall ist. so müssen indirekte Anzeichen ausgewertet werden. Einleuchtendes
Fazit: Athenagoras schreibt lür gebildete Leser, die dem
Christentum aufgeschlossen gegenüberstehen, aber noch Bedenken
haben. Leider muß offen bleiben, wie die Wirkung bei den Zeitgenossen
war. Daß die Nachwelt beeindruckt war. zeigt die Tatsache,
daß der Autor erhalten blieb.

Die verdienstvolle Arbeit läßt erwarten, daß die Textausgabe ihr
ebenbürtig zur Seite tritt.

Berlin Kurl Treu

Meister Kckhart: Kommentar zum Buch der Weisheit. Eingel., übers,
u. erläutert von K. Albert. St. Augustin: Academia Verlag Richarz
1988. IV, 167 S. 8' = Texte zur Philosophie. 7. Kart. DM 29.50.

In der willkommenen Reihe Texte zur Philosophie hat der Hg.
selbst diesen Band bearbeitet. Die Auswahl des eckhartschen Kommentares
zum Buch Sapientia aus dem Gesamtwerk des Meisters ist
wohlbegründet. Das Werk ist nicht zu umfangreich, von über 400
Versen kommentiert Eckhart weniger als 80 - der Leser bekommt also
ein vollständiges Werk Eckharts zu lesen. Zugleich ist die Thematik
dieses Bibelbuchs gut geeignet, lür das Denken Eckharts typische
Gedanken immer wieder vorzuführen. Der Druck ist ausgezeichnet.
S. 9 muß es Tullius heißen, wie n. 50 und 86. Zehn Seiten Einleitung
führen in das Werk Eckharts ein. Eckharts Ontologie und seine Trini-
tälslehre werden dem Leser vorgestellt.

Da der lateinische Text des Kommentars nicht mit abgedruckt ist -
der interessierte Leser wird dafür auf die Stuttgarter Eckharl-Ausgabe
verwiesen -, wird dem Leser gezeigt, wo für einen Eckhart-Übcrsetzer
Probleme liegen. Für die der Stuttgarter Edition beigegebene deutsche
Übersetzung hat Vf. vor über 30 Jahren als Assistent von Josef
Koch schon Vorarbeit geleistet. Assistenten-Übersetzungen wurden
nicht nur vom jeweiligen Herausgeber der Stuttgarter Ausgabe überarbeitet
und verantwortet, sondern dem Kreis aller Eckhart-Editorcn
zur Prüfung vorgelegt. Rez. erinnert sich, daß die Diskussion der
Übersetzung aufwendiger war als die der Textgestaltung oder der
Quellen kommentierung. Schon damals spielten Unterschiede von
Duden-Auflagen eine Rolle, wie sie in der hier zu besprechenden
Übersetzung u. a. auch auffallen: diese und die Stuttgarter Übersetzung
des Sapicntia-Kommentars benutzen ein anderes Geschlecht
von Waise. Es geht indes ja nicht darum, um Einzelheiten einer Wortwahl
oder Satzlormung zu streiten. Wer mit dem lateinischen Text
umgehen kann, wird für jede Übersetzung als Deutungshilfe dankbar
sein. Für den. der vorliegendes Buch ohne Rückgriff auf den Originaltext
benutzen will - und dazu ist diese Ausgabe gedacht - sei gesagt, er
findet eine ausgezeichnet lesbare, zuverlässige deutsche Textform vor,
er wird darüber informiert, warum bestimmte Vokabeln mit verschiedenen
deutschen Wörtern übersetzt werden. Der Leser findet, über
den Eckhart-Tcxl hinausgehend, hinreichend genaue Quellenangaben
zu den bei Eckhart vorkommenden Zitaten. Schließlich sind über 200
Anmerkungen der Übersetzung beigegeben worden, die Zusammenhänge
klären und das Verständnis zuverlässig erschließen. Diesen
Anmerkungen ist eine ausführliche Einleitung beigelügt worden, die
die Struktur von Eckharts Schriftauslegungen erhellt. 40 Titel sind
zusammengestellt worden als Hinweis auf weiterführende Literatur.

Wer philosophischen Fragen offen ist, wen Nachwirkungen antiker
Ontologie, zumal im Zusammenhang mit der Bibel beschäftigt, wer
Beispiele sucht für eigenständige Bibelinterpretation, der wird nach
dem Studium dieses schmale Buch dankbar aus der Hand legen.

Rostock Peter I leidrieh

Saarinen. Risto: Gottes \ irken auf uns. Die transzendentale I )eutung
des Gegenwart-Christi-Motivs in der Lutherforschung. Stuttgart:
Steiner 1989. X. 241 S. gr. 8" = Veröffentlichungen des Instituts für
Europäische Geschichte Mainz. Abt. Religionsgeschichte, 137. geb.
DM 42,-.

1. Als „neues Paradigma der Lutherforschung" wird ein Ansatz
bezeichnet, der in Helsinki durch Tuomo Mannvrmaa und eine tatkräftige
Gruppe jüngerer Theologen, zu der auch der Vf. dieser Dissertation
gehört, entwickelt wird. Fs geht dabei um die Einsicht, daß
bei Luther der Glaube als Einwohnung C hristi aufgefaßt wird. Ein
bezeichnender Text dafür ist die Auslegung von Gal 2.161Vim Großen
Galatcrkommcntar. Luther lehnt dabei Auffassungen ab. nach denen
der Glaube erst durch die Liebe seinen eigentlichen Inhalt und seine
Wirklichkeit bekommt. Der Glaube sei nicht wie eine Schote, deren
Inhalt die Liebe oder wie eine Skizze, zu der die Farbe zu ergänzen sei.
Cilaube besteht vielmehr darin, daß C hristus ergriffen wird, „Sic ut