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Ausgabe:

1990

Spalte:

837-838

Kategorie:

Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

Autor/Hrsg.:

Mohr, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Schlesien, Vorort des Katholizismus 1990

Rezensent:

Kirchner, Hubert

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 11

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Ciottlieb Giese" (57-66). Auch Schlciermachers Theologie hat „in der kann, auch sachliche. Angesichts des ja wirklich interessanten The-
Renovierung der Nikolaikirche, die freie Religiosität und Kirchlich- mas und der umfangreichen Literaturnachweise (S. 9-24!) überrascht
kcit miteinander verbindet, ihren anschaulichen Niederschlag gefun- es und enttäuscht zugleich, daß immer wieder nur neu Referate über
den. Nur so wird es verständlich, daß die Zeitgenossen damals die Referate geboten werden. Rein chronistisch wird aufgezählt, wer
Giesesche Renovierung allgemein als gelungen empfinden konnten. wann über welches Thema gehandelt hat. ohne daß intensiver nach
Auch Schinkel äußerte sich in diesem Sinne" (59). Beziehungen weiteren Verbindungslinien gefragt wird. Das ermüdet doch ziemlich,
zwischen Schleiermacher und Schinkel hatte Gerlinde Wiederanders Und was an Impulsen aus Schlesien in den Gesamtverband hineinfloß
aufgezeigt in ihrer Arbeit „Der Kirchenbau Karl Friedrich Schinkels oder gar „Bedeutung für die ... Kirchengeschichte" gewann, kommt
und die Frömmigkeit des 19. Jahrhunderts" (Diss. theol. B, Berlin auf diese Weise kaum zum Tragen. Mehrfach werden durchaus rele-
1977). Nikolaus Zaske formuliert das Thema „Der Innenraum von St. vante Fragen gestellt. S. 160 z. B. wird direkt im Sinne der Aufgaben-
Nikolai zu Greifswald - Vision der Kathedrale"; er verweist auf Stellung gefragt, „in welchem Maße in Schlesien Entwicklungen vorSchinkels
Friedrich-Werdersche Kirche zu Berlin und den im gearbeitet waren, die später national zum Tragen kamen". Doch die
19. Jahrhundert vollendeten Dombau zu Köln. Zaske meint, daß es Antwort sucht man vergeblich. Oder: Warum wird (S. 198) nicht
Einflüsse von Caspar David Friedrich aufdie Domrestaurierung gege- näher dem Verbot polnischsprachiger Versammlungen nachgegangen
habe: „Zwischen 1814 und 1825 entwarf er Altäre, Kanzeln, gen? Oder: Wiederholt wird betont, daß die Veranstaltungen der
Gestühle. Wandverkleidungen. Kelche. Ornamentik, und das mit sol- Katholikentage keiner konfessionellen Polem.k d.enen sollten. Das
eher Sorgfalt, wie es Vorlagen Tür die handwerkliche Ausführung hatte doch seine Hintergründe! Hätte es nicht nahegelegen, zumindest
erfordern" (68). Ute Schwarzenberger informiert über die denkmals- an einer Stelle der besonderen konfessionellen Situation in Schlesien
Pflegerische Zielsetzung, Friedhelm Grundmann über die Konzeption nachzugehen? Oder: S. 218 wird gefragt: Gab vielleicht das Gesamt-
der Renovierung des Doms. Weitere Beiträge lieferten Hans Kock. thema der Tagung 1926 „Christus unser König" Anlaß zur Beturch

Zum Altar (79-80) Gunther Kirmis. Zur Renovierung des Doms. tung. daß der Republik mit Vorbehalten begegnet wird? Wie wahr!
Bauausführung (81-84). Dompfarrer Joachim Puttkammer, Zur Nur: Die Antwort hier: die überlieferten Reden und die Ber.chtcr-
gemeindlichen Nutzung des Doms (860 und Manfred Schlenker, Der stattung der Schleichen Zeitung „geben dieser Interpretation keinen
Dom als Raum kirchenmusikalischer Veranstaltungen (88-90). - Der Raum". Aber das angesichts der Tatsache, daß gerade das so angelnd
bringt auch unterschiedliche Meinungen, z. B. über Caspar schnittene Problem erst wenige Jahre zuvor, aul dem Katholikentag
David Friedrich. „Jeder spricht aus seiner Sicht für sich selbst. Er setzt in München 1922. zu einem Eklat geführt hatte: Der damalige Präsi-
Akzente, wo sie ihm wichtig erscheinen. Doch auch bei gelegentlicher dent des Katholikentages. Konrad Adenauer widersprach dem
unterschiedlicher Wertung im einzelnen wird das gemeinsame Bemü- Münchner Kardinal öffentlich ins Angesicht als dieser die neue
hen deutlich, den Bau. in dessen Gestaltung viele, sich im Verlauf der Republik diffamierte als „aus Meineid und Hochverrat hervorgegan-
Jahrhunderte wandelnden Vorstellungen ihren Niederschlag gefun- gen und „mit dem Kainsmal gezeichnet". Da spurt man nun ,n der
^n haben, der jahrhundertelang Menschen zum Gebet und zur Pre- Tat auch auf den Katholikentagen den Atem der Kirchengeschichtc.
digt zusammenführte, in seinem Wert und seiner Bedeutung für unse- Hier aber ist der Bericht über die Veranstaltungen von 1922 so knapp.
« Zeit zu erkennen" (9). Die Beiträge und das reiche Bildmaterial daß davon aber auch gar nichts ,n den Bhek kommt, und die Frage
machen die Beschäftigung mit diesem Band zu einer Freude. zum Thema 1926 hängt beziehungslos in der Luft.

Die Grenzen zeigen sich aber auch noch in einer dritten Hinsicht.
R^tock Oart Hacndler Ausmaß des tatsächlich verarbeiteten Materials. In demselben

Zusammenhang (S. 218) wird weiter gefragt: Ist diese genannte Thematisierung
des Katholikentages mit allen damit verbundenen Aspek-

Nl«>hr. Wolfgang: Schlesien. Vorort des Katholizismus. Katholiken- (en vje||ejcht ejne besondere schlesische Entwicklung? Antwort: Die

läge in Schlesien - Schlesier auf Katholikentagen 1848-1932. Sig- Amtlichen Berichte und die Berichte der Schlesischen Zeitung lassen

maringen: Thorbecke 1989. 260 S. m. 6 Abb. 8* = Arbeiten zur ^ ^ feststellen Das ist doch wjedcrum höchst unbefriedigend

schlesischen Kirchengeschichtc. 2. Kart. DM 38,-. ^ ^ dgß dje mk def angegebenen Literatur völlig unberück-

r ~. ru Mit «irhtiui aeblieben ist Der Autor zitiert Berichte, und was er dort nicht

Das Oberthema und die Aufgabenstellung lassen aufhorchen. Mit sicntigl gennenen isi. l,c,

der vorliegenden Untersuchung soll Schlesiens Bedeutung für die llndet. bleibt ohne Belang. Das aber ,s. zu wenig.
H».. . bi-"uui ..um^utiiuiis juii „u„unn cn bleibt es doch often, ob Sch esien tatsachlich cm „Vorort des
deutsche Geschichte und für die Kirchengeschichtc hervorgehoben !>o DiciDi uoen tnic ,

u,« j ■ i. j a „k....c W ithn /ismus war (auch dieser 1 erminus stellt ja menr tragen als

**IttenM, so der Autor in seinem Vorwort. Angesichts der durchaus Katholizismus war<duu ~" . , , .. . ,

^sonderen geschichtlichen, konfessionellen und bcvölkerungspoli- ^^^^T^^J^l^

l|sehen Situation Schlesiens nimmt man das Buch deshalb mit einigen ist schade. Ausaem

Erwartungen zur Hand. Freilich, der Untertitel schränkt schon ein: erheben gewesen.

-Schlesier auf Katholikentagen" - läßt sich daran „Schlesiens Bedeu- Schöneiche bei Berlin Hubert Kirchner

lung für die deutsche Geschichte und für die Kirchengeschichte"
diesen? Und die Durchführung zeigt, daß Skepsis wohl angebracht
lst- Der Autor bewegt sich nämlich tatsächlich in diesen sehr engen
Grenzen. Er schildert Für den angegebenen Zeitraum nacheinander

al|e Aktivitäten mit denen in Schlesien der Aulbau einer katholi- Pouderon. Bernard: Athenagore d' Athenes. Philosophie Chretien.
sthen Laienbewegung vorangetrieben und diese dann in ihrer Arbeit Paris: ßeauchesne 1989. 354 S. 8' = Theologie Histonque. 82. Kart,
befördert wurde, wie sie ihre Arbeit tat - teilweise durchaus vorbild- flY 195.-.

K mr den Gesamtverein - in welcher Weise einzelne Persönlich- Monographie über

Jjp aus Schlesien auch in anderen Bereichen, besonders auf den £j^£tiL« Les.ie W. Barnard. Athenagoras. A Study in
glichen Generalversammlungen tätig wurden. Dabei ist das Ga ze 18, ,972). Nun folgt eine

zeitlich gegliedert, ausgerichtet nur z. T. an markanten Daten Scxond l ^ • cjner Dissertation der Univer-

2 ,V7^» ■* Kulturkampf oder Weimarer Repubhk. B.> aus- ^^^^ deren zweiter die kommentierte Edition in

Richer Anhang mit Auswertungcn der erhaltenen Teilnehmer- ^^^^„^kündigt wird. Das Buch ist also eine Ar.

c^eichn,ssc (S. 226-260) schließt den Band ab. Einleitung zu den Texten. Es hat aber zugleich sein eigenes Gewicht

S° weit so gut - träten nicht zu diesen äußeren Grenzen, in denen bin ciiung .

dem eigentlichen Thema schon kaum Gerechtigkeit widerfahren und verdient, für sich gewürdigt zu werden.

Dogmen- und Theologiegeschichte