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Ausgabe:

1990

Spalte:

833-834

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Antisemitismus 1990

Rezensent:

Nowak, Kurt

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 11

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Newmans organisch in seine Biographie eingefügt, so daß die Einheit Beschäftigung mit Gerhard Kittel dessen Vortrag von 1936 „Die Ent-

von Leben und Werk, auf die hinzuweisen Dr. Werner Becker vom stehung des Judentums und die Entstehung der Judenlrage" hervor-

Oratorium Leipzig nicht müde wurde, besonders anschaulich wird. gehoben (52-75). Dieser Beitrag liest sich - ebenso wie der Vortrag

Dem dienen die Überschriften der sieben Kapitel, die die in ihnen Günther van Nordens über „Die Evangelische Kirche und die Juden

enthaltenen Ereignisse jeweils unter einen bestimmten Gesichtspunkt im .Dritten Reich'" (97-111) - als pointierte Repetitio jener Publika-

stellen: Wachstum - der einzige Beweis für Leben (1801-1833); tionen, die sich seit einer Reihe von Jahren mit den Namen der Ver-

Reformversuche der „Apostolischen" in der anglikanischen Kirche fasser verbinden. Die protestantische Perspektive wird durch die

(1833-1843); Aulbruch und Übergänge (1843-1850); Bildung als römisch-katholische ergänzt, und zwar durch den Beitrag „1938 -

Dienst am Aufbau der katholischen Kirche (1851-1865); Verteidi- Judenpogrom und katholischer Kirchenkampf (112-146) aus der

gung des Glaubens und der Wahrhaftigkeit des Lebens (1864-1870); Feder von Konrad Repgen. Repgens Aufsatz ist eine Reprise.

Die unfehlbare Kirche Jesu Christi und das Gewissen der Christen Die vier allgemeinhistorischen Beiträge sind für den theologischen

(1869-1871); Späte Ehrung (1877-1890). Hier wird auch deutlich, Leser, bei dem die Kenntnis des in den religiös-konfessionellen Auf-

daß sein Übertritt zur römisch-katholischen Kirche am 9. Oktober sätzen Verhandelten i. w. vorausgesetzt werden kann, vielleicht am

1845 wohl ein einschneidendes Ereignis im eigenen Leben und im interessantesten. Rosemarie Leuschen-Seppel beschäftigt sich mit

Leben der Kirchen, aus der er kam und in die er ging, war, aber kein dem Thema „Arbeiterbewegung und Antisemitismus" (77-96), Wer-

eigcntlicher Bruch mit der Vergangenheit. ner Jochmann mit der gesellschaftlich-politischen Funktion des

In einem „Nachwort" das auch ein Vorwort sein könnte, sagt Antisemitismus in der Weimarer Republik (147-178), Hans Momm-
Biemer: „Wenn das überhaupt von einem Menschen in der Nachfolge sen mit dem Antisemitismus im Dritten Reich (179-192). R. Leu-
Jesu gesagt werden kann, dann ist es von Newmans Leben zu sagen: Es schen-Seppel kann, gestützt auf die Ergebnisse ihrer Monographie
ist als individuelle Heilsgeschichte in der großen Heilsgeschichte „Sozialdemokratie und Antisemitismus ,m Kaiserreich" (Bonn-Bad
Gottes mit den Menschen erkennbar." Godesberg 1978) deutlich machen, daß die SPD den Antisemitismus

Unter diesem Gesichtspunkt gewinnt die Newman-Biographie unterschätzte, weil sie ihn lediglich als „Krisen.deologie der burger-
Günter Biemers ihre innere und äußere Spannung. liehen Gesellschaft" verstand und ihn nicht hinlänglich in seiner

Spezifik begrifT (86). Jochmanns Beitrag - wie derjenige Repgens

Berlin JosefMann gleichfalls eine Reprise - zeichnet ein Bild der politischen Kräfte der

Weimarer Republik mit dem Ergebnis: „Die Juden waren 1932 schon
weitgehend ohne Rückhalt. Die großen staatstragenden Parteien und

Brakelmann. Günter, u. Martin Rosowski [Hg.]: Antisemitismus. ^ Gewerkst:h'a{len waren mit ihren eigenen Nöten und Problemen

Von religiöser Judenfeindschaft zur Rassenideologie. Göttingen: beschäfti t und daner kaum noch in der Lage, sich für die Juden

Vandenhoeck & Ruprecht 1989. 203 S. 8' = Kleine Vandenhoeck- ^ engagjeren Bei den christ|ichen Kirchen war es nicht anders .. ."

Reihe. 1547. Kart. DM21,80. (1?2) H Mommsen behandelt in gewohnter Differenzierung den

In den Herbstmonaten des Jahres 1988 veranstaltete der „Verein Stellenwert des Antisemitismus im NS-Herrschaftsgefüge^Er versteh,
zur Erforschung der Kirchen- und Re.igionsgeschichte des Ruhr- den Novemberpogrom 1938 nicht zuletz, als eine „Art Bewah-
gebiets" eine Ausstellung unter dem Titel „Kristallnacht im Ruhr- rung" der in verbrecherischer Kameradene miteinander verbundenen
*««". Die Ausstellung war begleitet von einem Vortragszyklus, der SA- und SS-Leute. Antisemitische Motive seien n.ch für alle Be.eihg-
~ im Kontrast zum regLalhirischcn An.iegen der Exposition - ten dominant gewesen,. 89, Das Verhalten.der Bevölkerung w,rd mit
einen thematisch weiten Horizont ausschritt. Es ging um Theorie und dem Begriff „Intimid.sierung ^schrieben (187). •
Praxis des Antisemitismus in Deutschland, und dies nicht nur in Am Schluß des Bandes steh der Vonrag R, a Thaln ns D r
-isolierter Konzentration" auf die NS-Herrschaftsjahre, sondern 9. November 1938" (193-203). Geschult, die diktatonschen Bewegter
Einschluß von Kaiserreich und Weimarer Republik. „Die re.i- gungen des 20 Jh. ,n weiter europaischer Perspektive zu sehen.
n.x ■ , ,. . j j » xl„n„ m icht R ta Tha mann neben den zah reichen innenpolitischen
gios-konlessionellen, die politisch-gesellschaftlichen und die okono- macht Kita naimann neuen *~
m; . . . "7 ,. _ "T r.,„,i,u„no Aspekten auch auf außenpohtische Motivketten aufmerksam, die
misch-sozialen Voraussetzungen Tür die Entstehung, Entwicklung AspeKien aucn au. f
und für die Auswirkungen des modernen Antisemitismus herauszu- zum Novemberpogrom führten

Brh««. r u .wo Wenngleich der im Vorwort erhobene integrative Anspruch nach

"Tbeiten war eine notwendige Aufgabe (5). Sammplhand Lage der Dinge schwerlich einlösbar war. so haben die Herausgeber

Dle rehg,os-konfess,onellen Beitrage nehmen in dem. Sammelband Lage der D, « Qb sje m Jcr

Jen mosten Platz ein (fünf von neun). Uber diese quantitativen Rela- J"n«h ^ * einschlägiger Angebote einen eigenen Platz

"onen haben sich die Herausgeber nicht eigens Rechenschaft abgelegt. langst überreichen t-u le unsc B S "

Co . ■ , , , „„.„„.jo. pinnehmen kann, wird abzuwarten sein. Autgerauen sina aem Kez.

Es steht zu vermuten, daß sie damit-wie auch der Untertitel ausweist einnenmen Kam, w p^n^repkter und Bio

~ auf die engen Vernetzungen zwischen christlicher Judenfeindschaft einige Druckfehler. Hilfreich waren e.n Personenregister und Bio

und modernem (Rassen-) Antisemitismus hinweisen wollten. gramme zu den Autoren gewesen.

Nimmt man die religiös-konfessionellen Beiträge en bloc, ergibt Lcjpzig Kurt Nowak
s'ch ein chronologisch konsistenter Zusammenhang. Dieter Vetter beschäftigt
sich mit dem antisemitischen Mißbrauch der hebräischen .. ______■.i-la.

^el im protestantischen Milieu und in der alttestamentlichen Wis- TemtOnalkirChengeSChlChte
Senschaft, indem er einige für antisemitischen Abusus besonders

anfällige Topoi heraushebt. Ansätze für eine gesellschaftsgeschicht- Hospitjunl Ecclesiae. Forschungen zur Bremischen Kirchenge-

'ieh orientierte Rekonstruktion der christlichen Auslegungsgeschichte schichte. Hg. in Verb, mit G. Schmölze von O. RudlofT. 16: Positiv

des Alten Testaments werden dabei sichtbar - mehr freilich nicht _ Libera, _ Radikal. Bremer Predigten um 1900. Ausgewählt von

<9~26). Martin Grcschat, als Kenner Adolf Stoeckers ausgewiesen, 0. Rudioff. 17: 1200 Jahre St. Petn-Dom in Bremen. Bremen:

^ht den „wechselnde(n) und durchaus widersprüchliche(n)" Stel- Hauschild 1989. 175 S. u. 196 S. m. Abb. 8 .

'ungnahmen des Oberhofpredigers zum Antisemitismus nach. Sie ]9g9 ^ ^ ^ Band ](>

*erst dann verständlich, wenn man sie im Kontext vor, Stoe kers Dw ^ um 1900 yon 0rtwin Rudlo(T unter die

Pjogramm des „politischen Protestantismus" betrachte. Weiterfuh- «'ha^™ _ ,fbera, _ radikal geordnet. Die instruktive Aus-

nd unter den Hinweisen zur langanhaltender' W.rkungsge^ St c wort pos, , O ^ ^

(38 m ? PaSSa8Cn " f Me'T- T ^^n^ktrum e 0 Die 3 positiven Predigten stammen von O. Funcke „Seelen-

u«lf). Leonore Siegele-Wcnschkewitz hat aus dem Spektrum ihrer l"'- " v